Abnabelungsprozess

Entschuldigung Christoph, war gerade noch woanders, ja klar, würde ich gerne, wie kann man feststellen, was mein eigenes und was nicht mein eigenes ist?

Wenn es schon so lange in dir gärt - wieso hast du dich nicht an den Leiter / die Leiterin gewandt? Die kann man doch auch anrufen...

Das hätte ich vielleicht tun sollen? Naja, habe es aber eben nicht getan.

Ich kann mich nicht mehr so gut an meine Kindheit erinnern, doch dieser Drang wegzulaufen oder eingesperrt, eingeengt zu sein ist mir wohl noch in Erinnerung. Ich denke ich und der Junge den ich aufstellte sind gar nicht in so unterschiedlichen Situationen gewesen. Bei ihm war das Verhältnis zwischen Vater und Mutter auch kaputt, mit dem Unterschied, das sich die Eltern getrennt haben (Nach der Aufstellung), meine Eltern sind zusammen geblieben.
 
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Ja. Nur bist du natürlich für dich selbst verantwortlich. Deine Einwände bezüglich Aufstellungen gelten also für jemadnen, der seine Selbstverantwortung in gleicher Weise wahrnimmt, wie du es getan hast. Ok.

Nun es ist so: wenn jemand ohnehin verstrickt ist (und diese verstrickung nicht ans Licht kam in seiner eigenen Aufstellung - aus welchen Gründen auch immer), dann kann es sein, dass derjenige "vergisst", für sich zu sorgen. Das ergibt sich aus der Verstrickung, die einer lieber aufrecht erhält, als sie zu lösen und nciht aus der Aufstellung, die du erlebt hast oder gar aus der Methode. Wenn die Verstrickung also auis Liebe zu einem Familienmitglied aufrecht erhalten wird, dann gilt: Leiden ist leichter als Lösen. Den unbewusst wurde ja das Leiden aus Liebe etabliert.

Also hier die Übung für dich:

Stell dir die Person vor, für die du gestanden bist. Stell sie dir (egal ob du sie kennst) ganz bildlich vor AUSSERHALB von dir. So als ob du ihr jetzt gegenüber stehen würdest. Schau die Person genau an. Welche Augenfarbe hat sie? (nächster Schritt wenn du das getan hast).
 
Gut. Das machst du gut.

Nun verneige dich leicht vor ihm und stell dir dabei auch sein Schicksal hinter ihm und das Leben hinter ihm vor....
 
Und dann schau ihn an, so dass du ihn siehst und sage:

"Du bist du und ich bin ich. Auch wenn wir einander ähneln, sind wir doch verschieden."

Dann sag ihm: "Meines reicht mir."
 
Ok, er ist anders, doch es ist die gleiche Hilflosigkeit, die gleiche Angst. Er sieht, das Mutter und Vater nicht klarkommen miteinander, vielleicht ist er hin und hergerissen, weiß nicht wohin er gehört oder an wen er sich wenden soll. Es wäre im am liebsten wegzulaufen da er sich bei beiden nicht wohl fühlt.

Da ist streit zwischen den beiden, er sieht wie sich beide gegenseitig terrorisieren, will aber keine Position einnehmen, will zu keinen gehören weiß nicht an wen er sich wenden soll.
 
Ja, ich würde ihn in die Arme nehmen, vielleicht würde ich sagen, das es eines Tages besser sein wird und das was jetzt ist vorüber geht.
 
Ja. Gute Idee. Nimm ihn in die Arme und SPÜR ihn ausserhalb von dir. Sag ihm das. Und dann lass ihn ziehen in sein Schicksal und sein Leben und schau freundlich hinterher.


Und dann dreh dich um und wende dich DEINEM LEBEN zu und DEINEN Herausforderungen.
 
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Erwachsen werden...

...ist bestimmt nicht leicht.

Ich weiß nicht, wie alt Du bist, Natao. Aber Deine Situation kann ich gut nachvollziehen.
Ich bin mit meiner Mutter aufgewachsen, mein Vater wollte lieber einen Jungen, deshalb hat er mich abgelehnt.
Auch meine Mutter war eine schwache, hilflose Frau - dachte ich immer.
Wir beide lebten in einem zermürbenden Stellungskrieg. Mit ihrer Jammerei hat sie mich fast in den Wahnsinn getrieben, machte mir Schuldgefühle und brachte mich auf die Palme. Sie tat alles für mich, machte mich unselbständig und abhängig. Ohne Selbstwertgefühl, denn ich war schließlich die Tochter meines schrecklichen Vaters.
Miteinander sprechen war nicht möglich, weil es jedesmal ein Fiasko wurde, mit Türen knallen und ich will dich nie mehr wiedersehen.
Täglich rief sie mich an, nur um zu fragen, was ich grade tue. Es kotzte mich alles nur noch an.
Doch dann bekam sie eine schreckliche Depression, kam in die Psychiatrie, griff sogar eine Mitpatientin an und wurde in die Geschlossene gesteckt.

Da plötzlich war meine Mutter nicht mehr meine Mutter, sondern mein Kind. Ich musste die Rollen wechseln. Sie war jetzt wirklich hilflos, weinte viel und schämte sich furchtbar.
Als sie dann entlassen wurde, hatten wir unser erstes richtiges Gespräch, in dem ich ihr alles sagen konnte, was ich seit 40 Jahren in mir trug.

Ich habe dabei eines gelernt: Auch die Mutter hat ihre Geschichte, ihre Entwicklung, ihre Ängste. Sie ist das Produkt ihrer Eltern und deren Geschichte.
Außerdem, ihre vermeintliche Schwäche war in Wirklichkeit ihre Stärke. Mit ihrer Hilflosigkeit konnte sie mich wunderbar manipulieren und dahin bringen, wo sie mich haben wollte.
Sie wollte mich plötzlich immer umarmen. Das hatte sie noch nie getan. Es fiel mir so schwer. Aber ich tat es, weil ich sah, dass sie vieles wieder gut machen wollte. Ich gab ihr die Chance dazu, brachte mehr Verständnis für ihre Macken auf und zeigte ihr auch klare Grenzen auf.

Ich glaubte, mich von ihr gelöst zu haben. Dachte, ich wäre endlich erwachsen und selbständig. Nein, das war ich immer noch nicht.
5 Jahre hatten wir, um unser Verhältnis zu harmonisieren. Sie war 81, als sie plötzlich starb, obwohl ich immer dachte, sie müsse ewig leben.
Als ich vor ihrem Sarg saß, fühlte ich mich so allein und einsam, wie niemals vorher.
Die Zeit danach wartete ich täglich auf ihren Anruf mit der blöden Frage, "Was machst du grade?" Aber so sehr diese Anrufe mich genervt hatten, so sehr vermisste ich sie nun.
Und - ich war plötzlich kein Kind mehr, ich war erwachsen. 43 Jahre lang war ich gegängelt und abhängig. Jetzt war ich allein.

Jetzt ist sie 8 Jahre tot, aber sie ist mir so nah, wie niemals zuvor. Und ich vermisse sie schrecklich. Sie hätte mir noch soviele Antworten geben können.

Mittlerweile bin ich in der gleichen Situation, als Mutter.
Jetzt kann ich meine Mutter sehr gut verstehen und ich habe ihr alles verziehen, denn sie war nun mal auch in ihrer Rolle gefangen. Und ich habe erkannt, was sie wirklich alles geleistet und für mich getan hat. Ich habe mit ihr meinen Frieden gemacht, leider erst nach ihrem Tod. Ich wünschte, es wäre vorher passiert.

Räumliche Trennung kann manchmal schon sehr hilfreich sein, aber das Band zwischen Mutter und Tochter ( ich denke Du bist weiblich?), geht über Kontinente. Die Macht der Mütter ist manchmal schrecklich. Leider wissen sie es nicht, oder wollen es nicht wahr haben.
Aber man muss ehrlich miteinander reden. Seine Gefühle offenbaren und Wünsche und Erwartungen äußern. Sonst sind Missverständnisse nicht auszuräumen.
Du bist für Deine Eltern nicht verantwortlich. Konzentrier Dich auf Dein Leben.
Sag Deiner Mutter unmissverständlich, was Du von ihr willst und was Dich stört. Ich denke, sie will Dich nicht auch noch verlieren. Weiß aber nicht, wie sie Dich halten kann. Sie kann es nicht und das ahnt sie. Sie ist hilflos und verstört. Ihr Leben ist bestimmt nicht so verlaufen, wie sie sich das gewünscht hat und kann damit nicht umgehen. Aber das ist ihr Weg, den sie gehen muss. Du hast Deinen eigenen.

Ich kann Dir ein Buch ans Herz legen, das Dich vielleicht ein bisschen mit ihr versöhnt und Dir einen Weg zeigt: Von Amy Tan "Töchter des Himmels".

Alles Gute
Dawn
 
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