Wie die Beziehung zu den Eltern gestalten?

Wie die beziehung zu den Eltern gestalten

Hallo Timmi (Andrea),

wieso gibst Du Dir eigentlich einen Nicknamen, wenn Du dann doch mit Deinem richtigen Namen schreibst – das nur nebenher?
:rolleyes:

Nach längerer Zeit bin ich mal wieder im Forum.
Ich wollte nun doch mal sehen, ob Du Dich durchringen konntest, den Brief abzuschicken. Und Du hast es getan !!! Toll !!!
An Deinen Texten sehe ich auch, daß Du auf dem richtigen Weg bist.
Es wird ab jetzt aufwärts gehen.
Sicher brauchen Deine Eltern eine Weile, zum einen um den Briefinhalt zu verkraften und zum anderen um die veränderte Situation zu begreifen.

Übrigens die Erklärung zur Weihnachtskarte (mit der nervlichen Belastung Deiner Mutter) hört sich nach einer müden Ausrede an.

Ich hoffe jetzt wirklich für Dich, daß Deine Eltern Ihre Chance erkennen, um eine freundschaftliche Beziehung zu Dir und Deiner Schwester aufzubauen.
Dies wird nur möglich sein, wenn durch eine klare Sprache – eindeutige Grenzen gesetzt werden.
Und was ganz wichtig ist, nur durch das Respektieren Deiner Grenzen und mit einer offenen Kommunikation ohne Lügen wird es dann möglich sein, ganz langsam ein neues Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Wenn das klappt, freu Dich drauf !
Ich hab meinen Eltern vor ca. 1 Jahr einen solchen Brief geschrieben, mit anderen Problemen – aber es geht trotzdem in die gleiche Richtung.
Heute haben wir eine neue Streit- und Kommunikationskultur entwickelt und ich finde auch die Beziehung zwischen meinen Eltern hat eine neue Qualität bekommen.
Es gibt natürlich auch immer wieder Rückfälle – aber selbst wenn man die erkennt, ist das doch ein gutes Zeichen.

Übrigens finde ich, daß körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe sehr schlimm sind – aber psychische Gewalt kann genauso schlimm sein.
Das lässt sich sicher nicht miteinander vergleichen.

Bleib stark und viele positive Gedanken wünscht
Cecilie

:baden:
 
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Liebe Cecilie,
das mit dem Nicknamen ist eben passiert. Ich kenne mich nicht so aus in Foren und da wurde dann danach gefragt und ich habe eben doch mit meinem Namen unterschrieben...

So, wie Du es beschreibst, könnte es mal werden. Die Chance sehe ich auch. Meine Eltern sind beide Jahrgang 39 und nicht wirklich alt. Sie verstecken sich eher hinter Nerven und Alter um von uns Rücksicht erwarten zu können. Bei meinen Überlegungen habe ich dann festgestellt, dass das schon immer so war. Ständig sollten wir auf ihr als Lehrer "angekratztes" Nervenkostüm Rücksicht nehmen, also Auseinandersetzungen vermeiden und unsere Meinung zurücknehmen.
Da gibt es sogar schriftliche Anforderungen von ihnen - aufgestellte Regeln also - die meine Schwester jetzt gefunden hat. Das war vor über 20 Jahren. Da waren meine Eltern etwa so alt wie ich. Aus meiner heutigen Sicht ist das dermaßen lächerlich. Das war eine Finte, aber nie ehrlich. Ihr Willen war Maßstab mit allen Mitteln.

Das mit der klaren Sprache habe ich für mich auch erst lernen müssen. Ist nicht leicht, weil ich dieses "Um die Ecke denken" sehr tief verinnerlicht habe.

Bin wirklich gespannt, was meine Eltern für sich aus dem Brief machen.

Liebe Grüße
Andrea :rolleyes:
 
Hi Andrea,

ich konnte nicht ganz rauslesen, ob du deinen Eltern jetzt schon alles vergeben hast. Ein Buch, dass mich sehr berührt hat, ist von Corrie ten Boom. Sie hat im dritten Reich Juden versteckt. Irgendwann flog ihr Versteckthalten auf und sie kam zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Vater in ein KZ. (Die versteckten Juden wurden nicht gefunden!) Sie überlebte als einzige aus ihrer Familie! Sie hat ihre liebsten Menschen verloren! Irgendwann ist sie einem Wärter aus dem KZ begegnet. Sie hat ihm vergeben!
Das bestärkt mich darin, dass man alles vergeben kann, und man gewinnt dabei nur! Du sagst, deine Eltern sind schlaue Menschen. Du bist auch intelligent und doch hast du deiner Tochter, aus Angst sie zu verlieren, die Verantwortung für euer Haus aufgebürdet. Wir Menschen machen Fehler. Wir verletzen andere Menschen. Das ist leider bei allen Menschen so. Wenn der "Schuldige" sich entschuldigt bei einem, fällt es leichter zu vergeben. Aber vielleicht reden wir uns das auch nur ein. Vielleicht ist es ein Vorwand, um nicht vergeben zu müssen. Denn wenn sich derjenige entschuldigt, gehört es fast schon zum guten Ton, die Entschuldigung anzunehmen - sie kommt dann nicht unbedingt von Herzen.
Meine Familie hat sich nie bei mir entschuldigt. Wir haben auch noch nie über die Vergangenheit geredet. Ist es wichtig, die Gegenwart, in der Vergangenheit zu verbringen? An Aufarbeiten glaube ich nicht mehr. Das habe ich lange versucht - es hat nichts gebracht.
Ja, deine Eltern hätten vieles besser wissen können, aber sie sind Menschen mit Gefühlen. Sie können genauso Angst haben, ihre Tochter zu verlieren, wie du Angst hattest, dass deine Tochter so schnell auszieht. Wenn wir Angst haben, bauen wir meistens Mist! Wir sehen nur noch das "einzig richtige" Ziel, dass wir um alles in der Welt erreichen müssen, sonst würde alles zerbrechen.
Macht ist das andere, was zerstört. Die Wohnungssuche mit meinem Vater war das totale Machtspiel! Vielleicht nur von meiner Seite. Vielleicht hatte er nur Angst, dass ich eine "schlechte" Wahl treffen könnte. Mir erschien es anfangs so, als ob er Macht über mein Leben haben wollte. Da muss einem einfach klar werden, dass der andere keine Macht über einen hat. Und aus ist es mit der Macht (die vielleicht gar nicht das Problem war ; )

Ich hatte auch Depressionen. Wenn es besonders schlimm war, hatte ich das Gefühl, dass die Welt keine Farben mehr besitzt. Ich hab mir die Arme aufgeritzt und mehrmals versucht, mir das Leben zu nehmen. Mein Leben kam mir so wertlos vor, dass ich eines abends im Bett lag und dachte, ich könnte doch einfach die Luft anhalten, für immer. Also habe ich die Luft angehalten. Normalerweise kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo man einfach wieder atmen will, weil es wehtut in der Brust. Ich spürte meinen Herzschlag immer deutlicher, er wurde immer ruhiger und "tiefer". Mein ganzer Körper ging mit dem Herzschlag mit. Es begann sich alles zu drehen, aber es war ein sehr schönes Gefühl. Ich konnte nicht mehr klar denken und doch wusste ich, dass ich mich jetzt entscheiden musste. Entweder, wieder zu atmen, oder dieses schöne Gefühl auszukosten und nicht mehr auf dieser Welt zu sein. Damals hab ich mich das erste Mal für das Leben entschieden! Ich kann nicht sagen, warum. Da war doch noch ein kleiner Funken Hoffnung.
Es kam noch einmal eine ähnliche Situation. Als ich abends nach Hause kam, war ich irgendwie unruhig. Meine Oma hatte Krebs und ich dachte, dass ich vielleicht irgendwie spürte, dass es ihr schlechter ging. Weil ich schlafen wollte (und niemanden nachts aus den Betten reißen wollte) nahm ich eine Beruhigungstablette. Im Bett begann ich plötzlich zu zittern, am ganzen Körper. Mir war nicht kalt, ich hatte keine Angst, auch nicht zuviel Sport gemacht oder etwas dergleichen. Ich zitterte einfach sehr heftig. Also versuchte ich mich zu beruhigen. Aber es ging nicht. Nach 10 Minuten zitterte ich immer noch. Und ich hatte das Gefühl, dass ich mich wieder entscheiden müsste. Für das Leben oder für den Tod. Ich bekam wirklich Angst, rief meinen Freund an. Irgendwann weckte ich doch meine Eltern. Ich zitterte nun schon eine halbe Stunde! Meine Eltern holten alle Decken, die sie auftreiben konnten, aber es blieb dabei, das Zittern verschwand nicht. Also riefen sie den Arzt, der nach einer dreiviertel Stunde kam - ja, ich zitterte immer noch... Er konnte sich nicht erklären, was das war, gab mir aber zwei Spritzen. Nach kurzer Zeit hörte ich auf zu zittern und schlief sofort total erschöpft ein.
Ich hatte mich also zweimal bewusst für das Leben entschieden und doch änderte sich nicht viel.
Zum Psychologen wollte ich nicht. Ich kenne viele Menschen,die eine Therapie gemacht haben, die sie aber nicht wirklich weiterbrachte. Im Gegenteil, sie analysieren alles, haben viele Erklärungen, warum sie so sind, wie sie sind, aber sie können trotzdem nicht aus ihrer Haut.
Also nahm ich mir immer wieder vor, mich zu verändern, die Vergangenheit ruhen zu lassen, positiv zu denken, die Situationen zu meiden, die mich belasten. Und so wurde mein Leben zu einem Spießrutenlauf. Es wurde immer eingeschränkter. Obwohl ich doch sooo viel machen wollte! Ich las tausend Bücher und trat doch auf der Stelle.

Letztes Jahr traf ich die wichtigste Entscheidung meines Lebens: Ich WOLLTE an Jesus glauben. Seitdem verändert sich mein Leben. Total. Jeden Tag ein Stück mehr. Ich habe keine Depressionen mehr. Meine Vergangenheit belastet mich nicht mehr. "Religion" mag eine Hilfe sein, ein Leben mit Jesus ist die Rettung!

Liebe Grüße,

vind
 
Hallo vind,
ich habe grad überhaupt keine Zeit. Ich antworte Dir in Ruhe morgen.
Bis dann
L.G.
Andrea
 
Hi Andrea,

ich hab in deinem anderen Thread gesehen, dass es dir grad nicht so gut geht. Lass den Kopf nicht hängen... Es gibt sooo viel Schönes auf der Welt, auch wenn du das grad nur sehr schwer erkennen kannst... Vielleicht hast du Zeit, ein total entspannendes Bad zu nehmen. Oder du kannst fröhliche Musik hören? Vielleicht auch einen Spaziergang machen, bei dem du über alles nachdenken kannst und du dir ein bisschen klarer wirst über alles?! Irgendwas Sportliches? Zum Beispiel Joggen? Das hat mir sehr geholfen. Anfangs musste ich mich jedes Mal neu überwinden, aber nach ein oder zwei Wochen wollte ich das morgendliche Joggen nicht mehr missen! Ich bin sogar noch vor der Schule joggen gegangen und dafür extra zu einem Trimdichpfad gefahren, der 20 Minuten entfernt war. Man produziert Glückshormone dabei : )

Liebe Grüße,

vind
 
Hallo vind,
nun habe ich alles gelesen und kann Dir antworten.

Ich glaube nicht, dass ich erwarte, dass meine Eltern sich in irgendeiner Form für irgendetwas entschuldigen werden. Das brauchen sie auch nicht. Vielleicht reden wir ja doch mal in Ruhe über ein paar Sachen, später. Wenn der Umgang ehrlicher geworden ist, nicht immer belastet von Erwartungen dann können sie vielleicht auch mal sagen, dass ihnen das ein oder andere leid tut. z.B. Schläge, könnten ihnen heute leidtun. Falls sie diese heute noch immer als Mittel der Erziehung gutheißen, dann gibt es auch bei mir eben keine Vergebung, denn sie würden es ja wieder tun. Ich will auch keine Entschuldigungen, eigentlich kann ich nichts entschuldigen, ich kann nur verstehen, was gewesen ist und abhaken.

Ich möchte schon, dass sie ein paar Sachen bedauern, quasi eine Erkenntnis gewinnen, das hat nichts mit einer Entschuldigung zu tun. Entschuldigen kann ich mich, wenn ich jemanden auf den Fuß getreten bin. Aber nicht, für etwas, was mir vor 30 Jahren als richtig erschien. Es könnte mir, wie gesagt leid tun, dass ich das damals so sah. Damit wäre mir sehr geholfen, wenn bei meinen Eltern eine Entwicklung in dieser Richtung passieren würde. Das setzt aber voraus, dass sie die Dinge auch so sehen wie ich. Meine Wahrnehmung ist aber sicher eine ganz andere, als ihre.

Habe ich vergeben? Ich glaube eher nicht. Ich fange an zu verstehen und will sie mitnehmen. Sowas stand schon mal weiter oben.

Selbstmordabsichten hatte ich nie. Ich habe Selbstmord schon immer als keine Alternative für irgendetwas angesehen. Man selbst hat auch nichts mehr davon, dass man alle anderen damit leben lässt.
Mir kann kein Gott oder kein Jesus helfen, da ich nicht daran glaube. Wenn Dir der Glaube an Jesus hilft, so ist das gut für Dich, ganz sicher. Bei mir wirft die Therapie und gleichlaufend Bücher und auch dieser Talk Fragen auf, die die Situation für mich klarer strukturieren und damit für mich Ansätze für mein eigenes Verhalten geben. Es sind Hilfen auf meinem Weg zur Erkenntnis, warum ich Probleme habe und wie ich diese lösen kann.

Das mit meiner Tochter ist einfach so passiert. Ich habe das Gefühl, dass die Situation sich geklärt hat, ganz einfach, weil ich meine Einstellung geändert habe.
Bei meinen Eltern habe ich dies nur teilweise. Ich erwarte schon noch irgendetwas von ihnen. Habe letztens gelesen, erst wenn man alle Erwartungen loslasse, könne man den Dingen gelassen gegenüberstehen, sich wirklich freuen und sei vor Enttäuschung sicher. Das leuchtet mir ein.

Ich habe auch in Richtung Freizeit einiges laufen, im August begann ich wieder zu laufen, habe aber wegen Dunkelheit im September wieder aufgehört. Es hat sich zeitlich nicht machen lassen. Dann wollte ich mit einer Freundin zum Fitness im Winter - nu isse krank, und's geht nicht. Aber aufgeschoben ist hier wirklcih nicht aufgehoben.
Es sind genau die Dinge, die Du geschrieben hast, die hier helfen können. Ich falle immer wieder zurück, aber es gibt eben auch angenehme Zeiten und die genieße ich mehr als früher, nicht so auf der Wartebank.

Liebe Grüße und vielen Dank
für Deine Gedanken.
Andrea
 
Hi Andrea,

wie soll ich anfangen?! Die Vergebung liegt mir sehr am Herzen, weil sie mich so sehr frei gemacht hat. Und ich finde es (mittlerweile ;) ) sehr logisch, dass sie hilft. Ich muss wieder etwas vom christlichen Glauben dazu erzählen, damit du verstehst, wie ich zu meinen Gedanken gekommen bin. Es heißt, Gott hat die Menschen zuerst geliebt. Das kann man auf Jesus beziehen, weil Jesus für uns Menschen gestorben ist, damit wir eine echte Beziehung zu Gott haben können. So habe ich es anfangs nur verstanden. Aber ich habe es auch noch anders erlebt. Zuerst war ich sehr unsicher im Glauben, wusste nicht so recht, was richtig oder falsch ist und wie das mit der Beziehung zu Gott aussehen soll - man sieht ihn ja nicht! Aber dann habe ich seine Liebe gespürt! Also hat dieser Satz für mich auch die Bedeutung, dass ich zuerst seine Liebe spüren konnte, bevor ich wirklich Liebe für ihn empfinden konnte. Aber seitdem ich diese Liebe gespürt habe, möchte ich ihm ganz viel zurückgeben, auch wenn ich ihm nicht grad viel bieten kann.
Das hat in mir den Gedanken ausgelöst, dass es bei anderen Menschen die gleiche Wirkung haben müsste.
Ein freundlicher Gruß, ein Lächeln kann so viel Freude schenken! Ich hab viel hin und hergedacht und bin zu der Überzeugung gekommen, dass man selber den ersten Schritt tun kann oder sogar muss, wenn sich etwas ändern sollen. Gott liebt bedingungslos. Und diese Liebe ist das Schönste, was es gibt. Wenn man jemandem bedingungslos seine Liebe entgegenbringt, dann kann der andere kaum anders, als Liebe zurückzugeben! Liebe berührt das Herz!
Es gibt viele "schwererziehbare" Kinder, die sogar auf extra Schulen kommen, weil sie so "schlimm" sind. Manchmal sind auf solchen Schulen Menschen, die diese Kinder annehmen, bedingungslos. Sie wissen, was die Kinder gemacht haben und in der ersten Zeit bekommen sie das sicher auch noch selber zu spüren, aber sie verzeihen ihnen, stecken einfach ein. Dann bricht diese Kruste auf. Der eigentliche Mensch unter diesen Schutzmauern aus Angst und fehlendem Selbstwertgefühl kommt zum Vorschein!

Was ist das Größte, was man für einen anderen Menschen tun kann? Man kann sich für ihn opfern, man kann für ihn sterben. Was ist das Zweitgrößte? Man kann ihm vergeben - egal wieviel Mist er gebaut hat. Das Widersinnigste, was einem in den Kopf kommen kann, ist dem Menschen, der einem viel Leid angetan hat, das zweitgrößte Geschenk zu machen, das man tun kann. Und doch ist es so genial! Weil es absolut unnormal ist, weil es alles verändert. Weil es dich selbst verändert. Weil es dein Leben verändert!

Lange Zeit hab ich mir sooo sehr eine Entschuldigung von meiner Familie gewünscht. Das Einsehen, dass das, was sie getan haben, nicht gut war. Ich glaube, es ist total schwer, das zuzugeben. Vor allem, wenn es lange her ist. Weil dann alles wieder hochgekramt wird. Da dachte ich, toll, für mich ist es jeden Tag an der Oberfläche, also können sie sich doch ruhig auch mal die Gedanken machen! Nur, das macht es nicht besser. Davon bin ich fest überzeugt.
Es kann gut sein, dass meine Eltern auch heute noch denken, dass Schläge ein gutes Erziehungsmittel sind. Immerhin haben sie gemerkt, wenn sie anders nicht mehr konnten, haben die Schläge doch kurze Zeit für Ruhe gesorgt. Und ihre Kinder hatten den "nötigen Respekt" vor ihnen. Dass diese Schläge auch Angst bewirken (mal abegesehen von den Schmerzen) und dazu führen, dass die Kinder das Vertrauen zu ihren Eltern verlieren, sie in jeder brenzligen Situation anlügen, sie innerlich schon längst nicht mehr respektieren, könnte ihnen nach so langer seit schon bewusst sein. Aber selbst wenn nicht (ich hab von meinen Eltern oft zu hören bekommen, dass ich nicht genug Schläge bekommen habe) - sie werden keine Kinder mehr haben, es werden keine Kinder mehr von ihnen erzogen werden, also kann es egal sein, was sie darüber denken.
Außerdem glaube ich, dass, wenn die Beziehung gut geworden ist, wenn die Familie wieder einen Familiensinn bekommen hat, wenn da wieder Liebe untereinander herrscht, es viel leichter ist auch über solche Themen zu diskutieren und die Eltern werden dann sicher offener sein für "neue" Gedanken, als wenn sie befürchten müssen, dass ihr ganzes Leben, dass sie mit ihren Kindern gelebt haben, nur auf die Fehler reduziert wird, die sie gemacht haben.

Ganz liebe Grüße,

vind

P.S.: Was hälst du von Schwimmen? Vielleicht gibts bei dir in der Nähe ein Hallenbad? Das tut auch total gut ;)
 
Guten Tag Vind,
ich denke, Du hast in vielen Dingen den Nagel auf den Kopf getroffen. Insbesondere Deine Gedanken, dass Du auch erwartet hast, die Eltern müssten irgendetwas einsehen, entsprechen sehr den meinen.

Da dachte ich, toll, für mich ist es jeden Tag an der Oberfläche, also können sie sich doch ruhig auch mal die Gedanken machen! Nur, das macht es nicht besser. Davon bin ich fest überzeugt.

Ich wollte aber trotzdem, dass sie es wissen. Große Hoffnung, dass es genau dadurch besser werden würde, habe ich mir nicht gemacht.
Aber wie gesagt, und das bestätigst Du ja auch, wenn sich das Verhältnis wieder dahingehen normalisiert hat, dass man reden kann, sind sie vielleicht auch bereit, etwas davon anzunehmen.
Außerdem glaube ich, dass, wenn die Beziehung gut geworden ist, wenn die Familie wieder einen Familiensinn bekommen hat, wenn da wieder Liebe untereinander herrscht, es viel leichter ist auch über solche Themen zu diskutieren und die Eltern werden dann sicher offener sein für "neue" Gedanken, als wenn sie befürchten müssen, dass ihr ganzes Leben, dass sie mit ihren Kindern gelebt haben, nur auf die Fehler reduziert wird, die sie gemacht haben.

Genau letztes wird sicher jetzt gerade passieren. Ich habe in dem Brief zwar geschrieben, dass ich ihnen dankbar bin und das dies aber nicht ständig die Erfüllung ihrer Erwartungen nach sich zieht, aber ich habe keine Auflistung ihrer guten Taten gemacht. Es war doch eher ein Rundumschlag und eine kritische Beleuchtung ihrer Erziehungsmethoden, mit dem Ziel ihnen meine Gefühle und mein Verhalten zu erklären.

Ich glaube nicht, dass ich vergeben kann, bevor nicht aus ihrer Richtung ein Signal kommt, dass sie anfangen nachzudenken und zu erkennen.

Diese Theorie mit dem sich Opfern und so, ich weiß nicht, ich bin dabei diese Opferrolle, ein für alle mal zu verlassen. Ich opfere mich für niemanden mehr,das zieht doch Selbstaufgabe und ein Verlassen meiner Erkenntnisse nach sich. Vergebung halte ich für möglich, wenn die Verletzung nicht mehr wehtut. Ich bin ziemlich gestört in meinen Beziehungen, das habe ich aus heutiger Sicht den ungesunden Beziehungen in der Kindheit zu verdanken. Da kann ich noch nicht einfach vergeben. Wenn Du magst, lies doch mal ein bischen in dem anderen Talk "beinahe so wie davor", da liegt das andere Problem. Momentan kämpfe ich wirklich mit mir selbst.

Ich bin nicht so "bibelfest", aber da steht "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Ich denke meine Eltern wussten schon, was sie taten, vielleicht nicht die Folgen, aber Schläge sind bewusste Verletzungen und Manipulationen auch.
Vor der Vergebung und dem Verzeihen sehe ich noch ein Stück Arbeit an dem sie beteiligt sind.

Liebe Grüße
Andrea :danke:

Schwimmen ist eine gute Idee, war seit Jahren nicht mehr in einem Bad, nur im Sommer draußen. Ich war sogar mal im Verein und bin wettkampfmäßig geschwommen, lang ist's her....
 
timmi schrieb:
Ich bin nicht so "bibelfest", aber da steht "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Ich denke meine Eltern wussten schon, was sie taten, vielleicht nicht die Folgen, aber Schläge sind bewusste Verletzungen und Manipulationen auch.

Hallo Andrea,

in der Bibel, im Paulusbrief an die Kolosser, heisst es beispielsweise auch:
"21 Ihr Väter, ärgert eure Kinder nicht, auf dass sie nicht mutlos werden."
Eigentlich traurig, aber Stellen wie diese werden nie zitiert...

Ciao

Michael
 
Hallo Michael,
habe ich noch nie gehört, sollte man allen Eltern an die Geburtsurkunde ihrer Kinder heften.
Es gab vor kurzem mal so eine Werbekampagne, "Kinder stark machen" und "Mein Kind ist unschlagbar" das knüpft da nahtlos an. Wer seine Kinder unterdrückt und kleinmacht, der hilft ihnen nicht viel für die Zukunft.

Liebe Grüße
Andrea
 
Liebe Andrea,

ab und zu les ich schon in deinem anderen Thread mit. Nur da kann ich nicht wirklich Rat geben. Eines ist bei mir hängen geblieben. Du hast dich von deinem verheirateten Freund getrennt, weil du so in dieser Dreierbeziehung nicht weitermachen willst. Weil es dir wehtut, so wie es ist. Und vom Verstand her kannst du voll hinter der Entscheidung stehen. Aber manchmal, im Büro, wünscht sich dein Herz doch wieder, dass du mit ihm sprechen kannst, da du ihn eigentlich noch liebst. Obwohl du es eigentlich besser weißt, hast du ihn doch nach eurer Trennung noch angerufen.
Deine Eltern wissen es vielleicht auch besser. Aber wenn ihre Kinder nicht auf das hören, was sie sagen, verzweifeln sie. Und dann fiel ihnen leider nichts Besseres ein, als sie zu schlagen. Ich weiß, der Vergleich ist nicht ganz stimmig, weil wir nicht wissen, ob unsere Eltern überhaupt etwas Anderes in Betracht gezogen haben. Meine Eltern haben mir einmal hingeworfen, dass es ihnen auch keinen Spaß macht, ihre Kinder zu schlagen. Ich habe es ihnen damals nicht wirklich abgenommen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es stimmt.

Ich weiß doch, wie schwer es ist, zu vergeben. Es erscheint so unsinnig und man hat das Gefühl, sich dabei selber zu veraten. Aber so ist es nicht! Man befreit sich dadurch selber.
Wie soll sich denn eure Beziehung untereinander verbessern, wenn das alles immer noch zwischen euch steht? ICH konnte so nicht neuanfangen. Da war keinerlei Vertrauen mehr zwischen uns. Aber jetzt lernen wir uns neu kennen und es wächst langsam wieder Vertrauen zwischen uns - und gaaaanz viel Verständnis füreinander. Aber das Beste ist ja, dass mich die Vergangenheit jetzt endlich "losgelassen" hat!

Mein Freund hat mir mal gesagt: Du kannst dich einigeln und niemanden an dich ranlassen. Oder du kannst das Risiko eingehen und anderen Vertrauen, andere Menschen lieben. Im ersten Fall hast du ein Leben, bei dem du vor Verletzungen sicher bist - aber du hast ein Leben ohne Liebe und Vertrauen. Im zweiten Fall kann es sein, dass du enttäuscht wirst, aber du hast wirklich gelebt!

Das mit der Opferrolle kann man aus zwei Sichtweisen betrachten. Will man davon wegkommen, sich selber immer als Opfer zu sehen? Da hat mir jemand mal einen guten Spruch geschickt, der Ähnliches erlebt hat, wie ich:

Selbstmitleid - Baden verboten, Duschen erlaubt.

Allerdings konnte ich mir nicht wirklich einreden, dass ich kein "Opfer" bin, da das ja bedeuten würde, dass das, was geschehen ist, so richtig war. Aber das war es nicht. Wenn man selber ein Opfer bringt, also dem anderen das Geschehene vergibt, hat man alles selber in der Hand. Man ist kein hilfloses Opfer mehr, sondern man nimmt die Situation selber in die Hand. Und dann kann man auch selber entscheiden, wie viel man im Moment schafft.

Ich kann auch vieles, was nicht so gut läuft, auf meine Vergangenheit schieben. Es scheint einen zu erleichtern, weil damit nicht mehr selber die Verantwortung dafür hat. Weil man endlich eine Erklärung für das scheinbar Unerklärliche hat. Aber das bringt einen auch nicht weiter.
Jetzt endlich merke ich, dass sich entwas verändert, was ich so langsam schon nicht mehr für möglich gehalten hätte.

Ganz liebe Grüße,

vind
 
Hallo Vind,
ich denke schon, dass man Opfer gewesen ist. Die Eltern und andere sind einfach übermächtig gegenüber den Kindern. Meine Eltern haben es übrigens auch so gesagt, "denkst Du es macht uns Spaß, Dich zu verhauen". Sie haben also noch zur körperlichen und seelischen Verletzung dazu Verständnis für ihre Situation von den geschlagenen Kindern erwartet und Schuldgefühle produziert. Da war ich also so böse, dass die armen Eltern nicht anders konnten, als mich zu verhauen, die Ärmsten, eigentlich sind sie zu bedauern. Das finde ich einfach widerlich, je mehr ich drüber nachdenke.
Diese Opferrolle kann ich natürlich jetzt verlassen, für das heute, damit bleibe ich für die Vergangenheit sicher Opfer und die Verletzungen sind trotzdem da. Aber heute muss ich mich nicht mehr verletzen lassen. Ich denke, dass ich meine Opferrolle losgelassen habe. Und da schließt sich der Kreis.

Diese Opferrolle habe ich auch in dem Verhältnis zu meinem verheirateten Partner eingenommen. Ich habe mich mit in der Schuld gefühlt, wertlos, weil er sich ja nicht wirklich für mich entscheidet und habe mich pausenlos bemüht gut zu sein und ihn von mir zu überzeugen. Und dann ist das wieder das gleiche Schema, wie bei meinen Eltern. Erwartungen zu erfüllen, selbst die unausgesprochenen, immer in der Hoffnung dann akzeptiert und geliebt zu werden. Das ist aus meiner Sicht der Schlüssel. Und den habe ich gefunden. Auf diesem Weg komme ich zu mir selbst und dazu mich zu lieben und anzunehmen und ein gesundes Selbstwertgefühl zu erreichen. Das geht auch nicht von einem Tag zum anderen. Deine Erfahrungen machen mir Mut.

Dieser Brief und was ich meinen Eltern damit gesagt habe, wird sicher für eine ganze Zeit zwischen uns stehen. So lange das so ist , kann ich auch nicht neu anfangen. Ich werde doch jetzt nicht hingehen, so jetzt wisst ihr alles und habt mich hoffentlich endlich so lieb, wie ich bin. Das funktioniert auch nicht. Ich lass jetzt Zeit vergehen, meinen Ball habe ich sowieso geworfen. Sie sind dran.

Man kann ja Unterschiede machen, wen man an sich heranlässt und wen nicht. Wenn ich feststelle, das mir bestimmte Menschen immer wieder ein Verhalten abzwingen, was mir nicht guttut, dann kann ich doch zwischen ihnen und anderen unterscheiden. Mein Umgang mit meinen Freunden hat sich schon in den letzten Monaten verändert. Ich merke, dass sie anders zu mir sind. Aber wahrscheinlich bin ich einfach anders. So wie es immer so schön in den Büchern steht.

Meine Eltern hätten sich sicher auch allein durch eine Änderung meines Verhaltens geändert, aber nun ja, dazu war ich eben nicht bereit. Vielleicht war es ein Fehler, aber genau weiss ich es nicht. Dass ich sie wahrscheinlich damit verletzt habe, tut mir leid. Und das kann ich ihnen auch später sagen. Es stand irgendwie sowieso in dem Brief mit drin. Heute könnte ich es besser ausdrücken.

So, nun wieder ein paar Grüße
durch den Äther
Andrea :escape:
 
Hi Andrea :)

Es tut mir leid, wenn das, was ich dir geschrieben habe, total überheblich war. Ich wollte nichts als Fehler oder ähnliches darstellen. Das wollte ich wirklich nicht. Ich wollte dir nur einen möglichen Weg zeigen. Den Weg, gegen den ich mich ewig gewehrt habe und der mir dann so sehr geholfen hat. Der mich so glücklich gemacht hat und durch den ich nochmal ganz von vorne anfangen konnte.
Ach so, und über das Opfersein denke ich genauso wie du. Ja, wir waren Opfer. Das ist wohl auch nicht so gut rausgekommen.

Wahrscheinlich hatte ich bessere "Startbedingungen". Mein Freund hat nämlich eine ganz wunderbare Familie! So ganz anders als meine. Und für ihn war es auch schon immer ganz klar, dass man es dem anderen gar nicht recht machen muss. Manchmal fand ich ihn dabei schon sehr "stoffelig".
Bei meinen ELtern fiel oft der Satz "man muss auch Kompromisse machen" was soviel bedeutete, wie "du musst uns jetzt einen Gefallen tun, schließlich tun wir schon soo viel für dich". Vielleicht kennst du auch die Situation, dass die Eltern von allem "krank werden", was nicht in ihren Kram passt? Und welches Kind will seine Eltern schon krank machen? Das war auch sowas, was ich mir gemerkt hatte. Ich habe auch immer versucht, viel von dem zu machen, was meinem Freund eine Freude bereitet. Und dann hab ich gehofft, dass er das auch mal macht. Pustekuchen... Er macht viel für mich, aber er macht nichts nur aus "Nettigkeit", mit aufgesetztem Lächeln.
Wenn wir uns stritten, hatte ich sofort Angst, dass er mich nicht mehr lieben würde. Immer wenn ich ihm dann in der Situation die Frage stellte, kapierte er gar nicht, was das jetzt mit dem Streit zu tun haben sollte ;)

Ich will mir einfach nicht mehr vorstellen, dass Eltern ihre Kinder hassen (was ich mir früher durchaus vorstellen konnte). Ich habe gemerkt, dass ich mit anderen Menschen unendlich viel Geduld habe, wenn es mir gut geht. Damit meine ich, wenn ich mich OK finde, so wie ich bin. Wenn da keine "to do"- Liste ist. Aber wehe, mir kommt da was in den Sinn, was ich an mir selber nicht mag... Dann ist es mit meiner Geduld schnell vorbei. Dann fühl ich mich verletzlich, dann bau ich Mauern... Und solchen "Launen" sind auch unsere Eltern ausgesetzt.

Meine Mutter hat, glaube ich, kein gutes Selbstwertgefühl. Und so versuchte sie sich vielleicht eine "perfekte" Familie aufzubauen, damit sie etwas vorzeigen kann. Damit man ihren Wert sehen kann. Es muss alles pikobello sein, die Kinder müssen immer brav und höflich sein, viel Geld ist wichtig, sexuellen Missbrauch darf es nicht geben, ... Diese Scheinwelt wollte sie möglicherweise um jeden Preis aufrecht erhalten, weil sie sonst nichts mehr wert gewesen wäre (denkt sie). Dabei ist das doch soooo ein Unsinn! Jeder Mensch ist wertvoll, unendlich wertvoll! Und zwar nicht, weil er ein 1er Abi hat, nicht weil er ein super Gehalt hat, nicht weil er von allen Menschen geliebt wird, auch nicht, weil er den perfekten Partner und die perfekte Familie hat. Auch ein "perfektes" Aussehen hat nichts damit zu tun. Er ist wertvoll, weil er der Mensch ist, der er ist (von Gott geliebt, unendlich wertvoll).

Ich hab das in mehreren "Lektionen" erfahren. Und immer wieder kommt ein Moment, in dem es mir wichtig ist, wie die "Welt" mich sieht. Wo ich denke, wenn meine Wohnung nicht 100% aufgeräumt ist, darf ich niemanden reinlassen. Was denkt der sonst von mir?!?! (Vermutlich, dass ich in der Wohnung auch lebe ;) ) usw.
Ich habe dir schon mal von meinen Träumen erzählt, glaube ich?! Der erste "besondere" Traum war ja der, dass ein Mensch zu mir sagte, dass ich so wie ich bin, genau richtig bin. Das war so verblüffend für mich, so unglaublich, dass es mich sehr tief bewegt hat. Ich wusste genau, dass das ein ganz wichtiger Satz ist, der absolut ernst gemeint ist. Später hatte ich einen anderen "besonderen" Traum, der auch von dieser Liebe durchflutet war. Dabei war das "Szenario" gar nicht so toll. Ich war in einem Viertel unterwegs, in dem sehr arme Menschen lebten. Sie waren Alkoholiker. Als ich an einem Haus vorbei kam, wurde ich von den Hausbewohnern zum Essen eingeladen. Sie machten eine Salatsauce aus Bier (also totales Klische). Diese Menschen waren total arm, und sie waren sogar alkoholsüchtig, aber es herrschte soooo viel Liebe unter ihnen! Ich merkte, dass diese Menschen unendlich wertvoll waren!
Letztes Jahr habe ich mein Staatsexamen gemacht. Ich wollte mir selber beweisen, dass ich richtig gut bin (wertvoll bin). Auf die Matheprüfungen war ich super vorbereitet. Anderen Studenten konnte ich sogar einiges erklären, die ganzen Beweise waren kein Problem. Ich war wirklich super vorbereitet. Es ging eigentlich nur noch darum, ob ich die 1 oder doch nur ne 2 bekommen würde (und eigentlich schätze ich mich immer viel schlechter ein, als ich bin). Ich kam also in die Prüfung. Meine Profs meinten, dass sie gar nicht mehr wüssten, welche Themen wir abgesprochen hätten. Und wer mich was prüfen sollte. Auf ein Thema waren sie überhaupt nicht vorbereitet, da es um ein Seminar ging, dass sie nicht selber gehalten hatten, wir uns aber auf den Stoff aus dem Seminar beschränkt hatten (ich hatte dem Prof die ganzen Unterlagen gegeben). Letztendlich haben sie die Themen untereinander getauscht und dieses eine Thema ging in eine ganz andere Richtung, als es abgesprochen war. Ich war mittlerweile schon sehr nervös. Nachdem ich einen Beweis hergeleitet hatte und ihn auch erklärt hatte, meinte der Prof dann auch noch, dass das nicht stimmte. Da war dann alles vorbei. Ich hab hin und her überlegt, wüsste aber nicht was falsch sein könnte. Nach etwa1-2 Minuten meinte er: "Ich wollte nur mal testen, ob sie auch zu dem stehen, was sie sagen".
Das Ende war, dass ich nichtmal mit ner zwei rausgekommen bin, sondern grad mal noch so bestanden hatte. Ich war völlig fertig, hab geheult und Gott angeklagt, was das denn solle. So ein Mist, völlig unnötig... Als ich mich etwas beruhigt hatte, traf ich in der Bibliothek auf eine Mitstudentin die ich kaum kenne. Sie hat mich sofort so herzlich in die Arme geschlossen, wie ich es noch nie erlebt habe! Als ich nach Hause kam, blühte die Passionsblume! Sie blühte erst zweimal: das erste Mal, als ich sie kaufte und eben dieses Mal. Und: die Blüte hält nur einen Tag! Und dann las ich auch noch ein Zitat von Corrie ten Boom: Aus scheinbaren Niederlagen macht Gott etwas ganz großes...
Ich fühlte mich soo getröstet. Und plötzlich wurde mir klar, dass es piepegal ist, was man hier für Leistungen hat - wir sind unendlich wertvoll!!!
Seitdem gibt es keine "to-do"-Liste mehr. Das heißt nicht, dass ich plötzlich super toll bin. Aber ich hab da jemanden, der das in die Hand genommen hat, und da Schritt für Schritt vorgeht. Genau so weit, wie ich es gerade schaffe ;)

Ich glaub, was auch noch so ein Problem ist beim Vergeben, ist, dass man das Gefühl hat (und das stimmt auch irgendwie), dass man den "Schuldigen" entgegenkommt. Und das fühlt sich schnell an, wie ein "sich-Fügen" oder "es-dem-anderen-recht-machen-wollen". Vielleicht ist das mit ein großes Hindernis?! Es ist schwer, sich in so einer Situation auch noch zurück zunehmen. Vielleicht geht es doch nur mit Gottes Hilfe? Bei mir war es ja so...

Ich wunsch dir alles Gute und freu mich für dich, dass du spürst, dass du dich so veränderst, wie du es gut findest!

Liebe Grüße,

vind
 
Hallo Ihr Lieben,
hallo Vind,

ich meine nicht, dass Du überheblich warst, ganz und gar nicht. Du hast Deine Sicht sehr verständlich rübergebracht. War für mich völlig o.k. Das mit dem krank werden der Eltern ist doch Prinzip, daher kommen die Schuldgefühle, wenn die Eltern dir deutlich machen, dass sie wegen dir leiden.

Ich habe seit Sonnabend die Antwort meiner Eltern, vierseitig, handgeschrieben.

Es ist so, dass mein Bemühen, meine Gefühle rüberzubringen und ein paar Gründe aus meiner Sicht darzustellen und gleichzeitig die Basis für eine Veränderung der Beziehung zu legen, komplett gescheitert ist.

Es liegen 20 Tage Zeit zwischen meinem Brief und der Antwort. Meine Eltern haben einen Rundumschlag zur Verteidigung gemacht, kein Anzeichen davon, dass sie sich überhaupt auf meine Gedanken eingelassen haben. Sie empfinden meinen Brief als Beleidigung, Anmaßung, Kaltherzigkeit, Egoismus und Verletzung. Meine Mutter könne nicht mehr schlafen und hätte Depressionen bekommen - sie hat den Brief geschrieben.
Mein Hinweis, dass ich eine Therapie mache, hat dazu geführt, dass sie meinen, der Brief wäre nicht "ich", ich solle mir diesen "Schmalspurtherapeuten näher ansehen", vielleicht steckten andere Absichten z.B. eine Sekte dahinter.
Es gibt für sie keine Gründe in der Kindheit. Ich und mein Charakter wäre schuld und sie hätten immer viel Verständnis für mich gehabt.
Ihren Zettel mit den Verhaltensmaßregeln (s.o.) von vor 24 Jahren bagatellisiert meine Mutter. Sie hätte ihn aus Hilflosigkeit und Frustration geschrieben, so schnell dahin. Aber mein Brief, sei ausgeklügelt und ... Ihre Zettel waren gut durchdacht und das jetzt abzutun ist Methode, weil ich den Zettel als Bsp. angeführt habe für Nichtachtung der Rechte der erwachsenen Kinder, im gleichen Haushalt damals.

Sie wollen auf ihren Brief keine Antwort, ich habe quasi einen Maulkorb bekommen, mit der Ankündigung eine Antwort von mir käme ungeöffnet zurück. Ich hatte anfangs auch überlegt, auf eine Antwort von ihnen verzichten zu wollen. Aber da hat mir jemand von Euch, oder der Psychologe gesagt, dass dies nicht o.k. wäre. Wenn ich meine Meinung sage, dann müsse ich ihnen dieses Recht auch einräumen. Ein Brief wäre ein Angebot zu kommunizieren, sonst könne ich es lassen.

Der Brief meiner Eltern strotzt vor Selbstmitleid, Bagatellisierungen und übertriebener Darstellung ihrer Situation als Eltern. Das, was für andere normal ist, Berufstätigkeit als Lehrer und zwei Kinder wird zur Extembelastung aufgebauscht, damit klar ist, dass sie nicht anders handeln konnte, als z.B. mit diesen merkwürdigen Zetteln, wo drin aufgezählt war, wie in einer Anstalt, was sie von uns erwarteten, und dass wir den "belasteten Eltern gegenüber" bei Meinungsverschiedenheiten zurückzustecken hätten, Auswahl der Freunde, Geschmack, alles wurde in Frage gestellt und war für sie problematisch, wenn es nicht ihrer Auffassung entsprach. Umfassend und schriftlich an die Tür geheftet.

Lange Rede kurzer Sinn. Ich habe erst einmal ziemliche Zweifel an meiner Aktion bekommen, wegen der Verletzung, die ich natürlich in Kauf genommen habe. Denn davon, dass sie trotz nicht beleidigender Formulierungen verletzt sein würden, müsste ich schon ausgehen.

Ich habe in ihren Augen ihr Lebenswerk zerstört oder so, ich hätte gleich noch Strick und Tabletten beilegen sollen, soll mein Vater gesagt haben.

Je länger ich aber über diese Antwort von ihnen nachdenke, desto mehr entspricht sie leider genau dem Bild, dass ich von meinen Eltern haben. Sie sind so von sich überzeugt und sehen sich selbst so sehr als den Nabel aller Dinge, dass sie natürlich ganz besonders verletzt sind.

Irgendwie passt es aber trotzdem nicht so ganz zusammen. Wenn sie nach wie vor davon überzeugt sind, dass ich mich gewaltig irre, mit meiner Meinung, und dass sie nach wie vor meinen, es war alles o.k. dann dürften sie doch nicht so sehr leiden, wenn sie doch davon überzeugt sind im Recht zu sein.

Ich hätte ihnen gern ein paar ihrer "Argumente" widerlegt, aber es hat ganz sicher keinen Sinn, schon garnicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Ich könnte ihnen sagen, dass es mir leid tut, sie verletzt zu haben, aber wie und wann, und an dem, was ich denke ändert es nichts?!

Ich habe Hoffnung, dass die Zeit auch bei ihnen dazu führt, dass aus dieser Reaktion, diesem Zurückbeißen eine Überlegung wird, ich habe nicht das Gefühl, dass ihnen irgendetwas leid tut. Das nimmt mir jede Möglichkeit, zu verzeihen.

Und zuletzt:

Meine Schwester hat einen ähnlichen Brief, als Antwort auf "unseren" Brief erhalten, auch Abbruch der Beziehungen. Obwohl mein Vater sich telefonisch erkundigte, ob der Brief auch von ihr sei, und sie dies verneint habe. Sie ist sehr beleidigt, weil sie aus anderen Gründen mit meiner Mutter reden- nicht schreiben - wollte und ihr das auch schon am Telefon gesagt hatte. Meine Schwester hat also eine Antwort auf einen Brief bekommen, den sie nicht geschrieben hat, der auch nicht ihre Meinung widerspiegelt. Und meine Eltern haben also von sich aus, auch den Kontakt zu ihr abgebrochen. Sie verübeln ihr sehr, dass sie mir diese Zettel von vor 24 Jahren gegeben hat und vermischen jetzt alles, wollen auch von ihr keine Antwort.

Ich habe auch ein paar mal "wir" geschrieben, das spiegelt doch aber dennoch meine Meinung wieder. Es ist doch mir überlassen, dass ich finde, dass sie natürlich ihre Erziehung auf uns beide erstreckt haben, alles andere wäre auch Unsinn.

Was wird mit dem Kontakt zu den Enkeln? Die haben damit nicht direkt was zu tun, sind aber komplett im Bild. Meine Tochter will den Kontakt weiterführen, ist aber sehr belastet.

Nun haben wir pro und contra. Einige hatten von dem Brief abgeraten, wegen der Verhärtung der Fronten etc. Das ist eingetroffen. Trotzdem glaube ich, dass ich nicht anders konnte. Mein Therapeut hat hier nichts pro oder contra gegeben oder Inhalte beigesteuert, absolut nichts. Das unterstellen meine Eltern aber als gegeben. Ich kenne ihre Meinung von Therapien, auch das Gerede von Gehirnwäsche etc. Deshalb hatte ich ihnen auch von der Therapie nie etwas gesagt, weil ich wusste, dass sie niemals Gründe bei sich oder in der Kindheit anerkennen würden. Das wollte mein Therapeut nicht glauben. Er meint, jeder intelligente Mensch weiß, dass vieles in längst vergangenen Erfahrungen liegt und warum ich unterstellen würde, dass meine Eltern dazu nicht fähig wären. Ich würde doch auch wissen warum, wenn meine Tochter mal professionelle Hilfe brauchen würde. In dem Fall habe ich die Meinung meiner Eltern aber haargenau vorher gewusst.

Mag sein, ich hätte den Brief auch lassen können. Nun bekomme ich wieder Schuldgefühle, weil es ihnen offensichtlich schlecht geht.

Das soll reichen.
Danke, wenn ihr das alles gelesen habt.

Liebe Grüße
Andrea
 
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Nochmal ich,

kleiner Nachsatz:

Zum Weihnachtsbrief, über den sich meine Schwester, wie ich erzählt hatte, besonders aufgeregt und der sie sehr verletzt hatte, hat meine Mutter in dem Brief an meine Schwester sinngemäß folgendes geschrieben:

Sie wisse, dass die Weihnachtskarte meine Schwester verletzt habe, dies tue ihr leid, aber es sei ja noch genug Zeit gewesen bis Weihnachten, in der meine Schwester sich ja hätte melden können, aber das habe sie wohl nicht gekonnt.

Also auch hier habe ich ins Schwarze "interpretiert". Die Karte lange vor Weihnachten, in der meine Eltern ganz absolut und konkret angkündigten, Weihnachten ohne uns verbringen zu wollen, war ein Spiel von ihnen. "Mal sehen, was passiert, ob sie sich dann melden". Wer soll sich denn nach sowas noch melden. Angekrochen kommen, dass wäre also für sie o.k. gewesen. Und nachdem dies also ausgeblieben war, hat meine Mutter am Telefon zu meiner Schwester gesagt, sie wollte uns damit einen Gefallen tun, da sie immer so schnell gereizt wäre und uns das Fest nicht verderben wollte. Sie dreht es sich wie sie es braucht und hat aber jetzt in dem Brief an meine Schwester doch die Katze aus dem Sack gelasse - wir hätte uns ja trotzdem melden können. Die alte Leier.

Und das nicht mehr mit mir.

L.G.
Andrea
 
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