Distanzlose Menschen

Auguste2012

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6 August 2012
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Ich bin so gern allein. Nein, das schreibe ich nicht aus Verzweiflung, das schreibe ich aus tiefster Überzeugung.

In den letzten Jahren beobachte ich eine mir abstrus vorkommende Bussi-Gesellschaft, die mich zunehmend irritiert.

Ich lasse ungern Menschen nahe an mich heran und lege größten Wert auf ein Privatleben, das auch ein solches bleiben soll. Ich mag keine Betriebsfeiern, sog. Betriebsausflüge oder diese albernen Weihnachtsfeiern. Wenn ich arbeite, dann erledige ich meine Aufgaben und werde dafür von meinem Arbeitgeber bezahlt. Was ich in meiner übrigen Lebenszeit mache, kommuniziere ich an meiner Arbeitsstelle nicht.

Privat bin ich mit einem liebevollen Partner verheiratet, mit dem ich viel gemeinsam unternehme. Meine nähere Verwandtschaft (Eltern/Geschwister) treffe ich eher selten. Wir sind alle ähnlich gestrickt und keiner legt besonderen Wert auf z. B. wöchentliche Treffen und niemand ist böse, wenn zum Geburtstag “nur” telefonisch gratuliert wird.

Kinder haben wir nicht und wir wollten auch niemals welche. Ich genieße es frei zu sein und mich diversen Hobbies zu widmen. Mein Partner und ich reisen viel und fahren auch gern über verlängerte Wochenende durch die Welt.

Soweit, so gut.

Vor einiger Zeit lud mich eine Kollegin zu ihrer Hochzeitsfeier ein. Ich habe mich bedankt, aber gleich die Teilnahme abgesagt.

Ich mag mich außerhalb meiner Arbeitszeit nicht mit Menschen/Dingen befassen, die mich nicht interessieren. Das habe ich ihr natürlich nicht gesagt. Eine gewisse soziale Kompetenz habe ich in den letzten Berufsjahren erworben.

Innerhalb der Firma beobachte ich immer weiter fortschreitende Entsolidarisierungsprozesse. Manchmal bekomme ich mit, wie dort übereinander gelästert wird und gewisse Kenntnisse aus dem Privatleben des anderen für das eigene Fortkommen ausgenutzt werden.

Oder Kolleginnen tragen ihre privaten Probleme vor und benutzen andere als Müllabladeplatz.
Wie können diese Menschen nur so stillos sein?

Diese Beobachtungen habe mich in meiner Sichtweise bestärkt, diese Menschen auf freundliche Distanz zu halten.

Bin ich tatsächlich so ein “Sonderling” oder denken mehr Menschen so wie ich?

Viele Grüße
A.
 
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Hallo Auguste,
Sonderling - nein. Die wenigsten trauen sich so zu leben wie du, aus Angst egoistisch zu sein. Ich würde mal sagen, die meisten Menschen definieren sich über andere und handeln deshalb so, wie du es absolut nicht magst.
Es ist deine Sache, was du in deiner Freizeit machen möchtest. Das was du als Stillos empfindest ist für manche Menschen allerdings notwendig um ins soziale Netzwerk eingebunden zu sein. Viele Menschen haben Angst etwas zu verpassen und müssen/wollen über alles und jeden informiert sein. Die Menschen sind nun mal so. Du schaffst es gut, dich abzugrenzen. Das finde ich toll.
Hortensie
 
Liebe Auguste!

Die sozialen Netzwerke bedeuten für jeden Menschen etwas anderes. Die einen verbinden mit dem Begriff den Partner, andere die Familie, die nächsten ihren Freundeskreis und andere wiederum die Arbeitskollegen.

Was genau man sich aussucht, um sich eingegliedert und aufgefangen zu fühlen, ist jedermanns eigene Sache.

Menschen sind im Normalfall soziale Wesen und brauchen Kontakte. Wenn für Dich Dein Partner Kontakt genug ist, dann ist das genauso richtig wie wenn Du viele Menschen zu Deinem Kreis der Vertrauten zählst.

Für mich selbst sind soziale Kontakte eine Art Erweiterung meines Ichs, was nicht bedeuten muss, dass sie einen sehr großen Einfluss auf mich haben müssen.

Ich habe in einem Buch mal gelesen, dass die Überlebenschancen von Individuen steigt, je mehr "Standbeine" sie im Leben aufgebaut haben.

Hat man z.B. als Hauptsäule im Leben die Partnerschaft und bricht diese aus irgendeinem Grund weg, so ist die Gefahr, dass man das entweder psychisch oder körperlich nicht überlebt, sehr groß. Genauso wenn die Hauptsäule der Beruf ist etc.

Weil dann das einzige Standbein zusammenbricht und man fällt ins Bodenlose. Deshalb wird (zumindest in diesem Buch) dazu geraten, sich mehrere Säulen aufzubauen, Beruf, Partner, Familie, Freundeskreis, Arbeitskollegen etc. Je mehr Standbeine wir haben, desto besser geht es uns, wenn eines davon wegfällt.

Vielleicht ist das der (unbewusste) Grund, warum viele Menschen sich auch am Arbeitsplatz gleich verbrüdern und überall "gut Freund" sein müssen - es könnte eine instinktive Handlung sein.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
liebe auguste,

du scheinst eine sehr autonome kollegin zu sein, die ihren dienst verrichtet -und das zur vollsten zufriedenheit - und die in der abgrenzung den ausgleich zum ausgefüllten privatleben findet.

es hat aber nicht jeder dieses
perfekte leben, - ich unterstell das jetzt mal.

es würden sich aber sicher viele so ein leben wünschen.

ich beneide dich irgendwie. daheim alles zu finden was man braucht:
was gibts schöneres.

aber wie reinfriede schon sagte: was, wenn so ein standbein dann tatsächlich mal wegbricht...... ....




lg abendsonne
 
...
es hat aber nicht jeder dieses
perfekte leben, - ich unterstell das jetzt mal.
Perfekt ist ja für jeden etwas anderes.
...
es würden sich aber sicher viele so ein leben wünschen.
hm, nicht unbedingt. Mir wäre das eventuell zu wenig. Ich interessiere mich für andere Menschen - auch für meine Arbeitskollegen. Mich würde es nicht ausfüllen, wenn ich mit Ihnen nichts Privates plaudern könnte. Ich muss nicht alles von Ihnen wissen, aber ganz ohne fände ich es nicht so schön. Ich persönlich würde das nicht so strikt trennen. Ich finde es schön mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die ich gar nicht kenne. Dennoch bin ich auch ein Mensch, der ein wenig Distanz hält, nicht so komplett wie Auguste.
Trotzdem finde ich es toll, wie Auguste sich abgrenzt. Das nämlich können die wenigsten von uns (mir inklusive.)
Jeder hat halt eine andere Art.
 
Hallo Auguste,

Deine selbst gewählte Entscheidung zugunsten der Zurückgezogenheit erachte ich in keiner
Weise als befremdlich und kann Deine Überlegungen und Argumente sehr gut nachvollziehen.

In Bezug auf Deinen Strangtitel würde es mich interessieren, in wie weit Du selbst schon
Erfahrungen mit distanzlosen Menschen gemacht hast.

LG
Lucille
 
Ja, das würde mich auch einmal interessieren.

Ich selber bin der Ansicht, daß alles seine Vor - und Nachteile hat.

Ich bin zwar ein Mensch, der gerne mit sich alleine ist, aber soziale Kontakte lehne ich in keinster Weise ab.
Kein Mensch ist eine Insel. Und ich schon gar nicht.

Gute Freunde sind mir sehr wichtig. Das lernte ich, als ich einmal krank wurde und auf Freunde angewiesen war. Nur wenige Menschen aus meinem Umfeld, standen mir bei.

Mein Mann und ich haben einen kleinen - aber feinen Freundeskreis, der uns sehr wichtig ist.

Allerdings kann ich sehr gut nachvollziehen, daß du deine Arbeit strikt von deinem Privatleben trennst. Das halte ich auch so.

Die Bussi-Bussi-Gesellschaft ist auch mir ein Greuel. Umarmungen(womöglich mit Küßchen, wie es bei den jungen Leuten heute "in" ist)sollten guten Freunden vorbehalten sein. Für mich war ein guter, ehrlicher Handschlag und ein offener Blick in die Augen des Gegenübers schon immer viel wichtiger.

Distsanzlose Menschen kenne ich aus unserem Bekanntenkreis. Dort gibt es jemanden, der es als absolute Beleidigung empfindet, wenn ich nicht ständig erreichbar und bei jeder Nachbarschaftsfete dabei bin. Er war einer der Gründe, warum mein Mann und ich von einer ländlichen Umgebung in die Stadt gezogen sind.

Ich hasse es, wenn die Terassentür für die Nachbarn ständig offen sein soll, damit diese sich jederzeit auf ein Käffchen einladen können. Soetwas behagt mir nicht.
 
Liebe Hortensie,

danke und es tut gut, Deine Zeilen zu lesen. Sicher habe ich mich früher (Pubertät) viel mehr über andere Menschen definiert. Aber irgendwann war ich da durch und fühle mich meistens pudelwohl im Leben. Nur in der letzten Zeit merke ich es fast körperlich, dass sich etwas um mich herum verändert. Irgendwie scheint es einen Zwang zur Selbstdarstellung zu geben. Den sehe ich für mich aber nicht. Und warum sollte ich über X oder Y lästern? Damit ändere ich doch nichts.

Liebe Grüße
Auguste
 
Liebe Reinfriede,

da hast Du einen wunden Punkt getroffen. Diese Überlegungen hatte ich auch schon und mir war nicht wohl dabei. Allerdings würde ich mich in erster Linie an meine Geschwister wenden. Vor einigen Jahren hat meine kleine Schwester ein bösen Schicksalsschlag getroffen und in der Zeit danach habe ich zu ihr gestanden. Das war keine Pflichtübung für mich; ich wollte es so. Das bedeutet aber nicht, dass ich von ihr verlangen würde, dass sie sich um umgekehrten Fall ebenso verhält. Vielleicht tritt dann ein Bruder oder ein Elternteil an meine Seite. Hoffentlich, denn ansonsten könnte es ein Problem werden, da stimme ich Dir zu.

Dagegen sehe ich die Leute an meinem Arbeitsplatz mit anderen Augen und will mit ihnen gut auskommen, aber keinesfalls eng befreundet sein. Das passt für mich nicht zusammen und würde mich bei meiner Tätigkeit behindern. Ich benötige große Konzentration im Job und der macht mir große Freude.

Lieben Gruß

Auguste
 
Hallo Auguste2012,

das nennt sich introvertiert. Und hallo in meiner Welt.

Ich denke, es gibt verschiedene Abstufungen von Introvert- und Extrovertiertsein. Ich persönlich bin extrem introvertiert, d. h. ich kann auch tagelang allein sein und habe meistens auch keine Lust mich mit Leuten abzugeben, die mich nicht interessieren.

Auch ich dachte lange, ich sei komisch, im schlimmsten Fall sogar Autist, bis ich im Internet über Introvertiere und Extrovertierte stieß.

Die von Dir als distanzlos bezeichnete Menschen dürften die extrovertierten sein, die die Mehrzahl der Menschen ausmacht. Sie beziehen ihre Kraft aus der Interaktion mit anderen. Introvertierte aus sich selbst. Es sind also nur 2 absolute Gegensätze.

Und, vielleicht siehst Du aus der Distanz etwas mehr als andere, so nach dem Motto, den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen?

Ich denke, über andere her ziehen um selbst besser voranzukommen, liegt eher an der Arbeitswelt heute. Die Menschen werden sich wahrscheinlich nicht geändert haben.

Und das Bussi Bussi? Vor Jahren gab es das noch nicht. Woher dieser Trend kommt? Keine Ahnung. Ich weiß nur, ich hasse es, lasse es aber notgedrungen über mich ergehen. Reicht ein Händedruck nicht? Das ist aber wohl persönliche Geschmackssache (Grins).

Aus meiner Sicht der Dinge bist Du kein Sonderling.
 
Hallo abendsonne,

so habe ich mein Leben noch nicht gesehen und was heißt schon perfekt? Ich würde eher sagen: zufrieden. Nach Perfektion habe ich noch nie gestrebet. Zu anstrengend.....Manchmal bin ich glücklich (z. B. beim Sport mit meinem Süßen) und manchmal werde ich grummelig, wenn mal wieder ein Berg schmutziger Wäsche wartet oder mein Rücken Zicken macht und Sport für ein paar Tage passé ist. Im Großen und Ganzen haben wir uns das Leben so eingerichtet, dass wir es mögen. Ich finde, das ist sich jeder Mensch selbst schuldig.

Interessant finde ich, dass Du mich Zitat: irgendwie beneidest. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Menschen in meinem beruflichen Umfeld oftmals meine Nähe suchen. Männer und Frauen. In solchen Situationen fühle ich mich immer unwohl und einige fragen auch ganz unverfroren nach, wenn sie meinen etwas Interessantes über mich zu wissen. Dann ist sofort mein Fluchtreflex aktiviert.

Liebe Grüße
Auguste
 
Hallo Lucille,

zum Glück sind nicht alle Menschen distanzlos. Aber manchmal und vor allem in Gruppen, können diese Leute sehr unangenehm werden.

Hier ein paar aktuelle Erfahrungen:

Ich wurde vor einiger Zeit von einer leicht angetrunken Kollegin vor versammelter Mannschaft gefragt, warum ich denn keine Kinder hätte. Ich habe erst gedacht, ich höre nicht richtig. Da ich aber auch sehr scharfzüngig sein kann, habe ich mit einem Lächeln (es war falsch) geantwortet, dass ich das nur mit einem potentiellen Vater erörtern würde.

Manchmal nehme ich an mehrtägigen Seminarveranstaltungen in Süddeutschland teil. Ein Graus sind für mich die gemeinsamen Abendessen. Ein Kollege hatte mir in diesem Zusammenhang das "Du" angeboten und ich fand es nicht angemessen, weil wir uns erst seit wenigen Wochen kannten. Seitdem lese ich abends lieber ein gutes Buch in meinem Zimmer oder gehe in ein Schwimmbad o. ä.

Ganz übel sind auch Menschen, die ich als sog. Zeitdiebe bezeichnen würde. Inzwischen setzte ich klare Grenzen und sage, wenn ich keine mehr Zeit habe, um dieses oder jenes Problem nochmal und nochmal zu besprechen und biete einen Folgetermin an. Meistens sind diese Leutchen dann runtergekühlt oder lassen ihren Frust an anderer Stelle ab. Mir scheint, dass diese Zeitdiebe immer zahlreicher werden. Vielleicht liegt das an den nicht immer posiviven Veränderungen in der Berufswelt (ständige Umstrukturierungen, immer höherer Arbeitsdruck).

Liebe Grüße von Auguste
 
Hallo Clara,

super. So jemanden kenne ich auch. Wenn die Person angeruft und ich bin nicht da, unterstellt sie mir grundsätzlich, dass ich nicht abnehmen wollte. Häh???? Dazu sage ich nichts mehr und lasse mir keine Schuldgefühle einreden.

Aber auch in der Stadt gibt es Menschen, die sehr am Leben der Mitbewohner interessiert sind. Ich erinnere mich an eine ältere Dame, die genau Buch darüber geführt hat, wer die Hauswoche nicht machte, nach 20.00 Uhr laut gestritten hat, die Fenster im Treppenhaus öffnete usw. Ganz wichtig wurden ihre Auftritte, wenn sich Herr A. von Frau A. getrennt hat. Womöglich noch für eine Jüngere... Dann hing sie am Fenster und man hatte sein Last, unbehelligt in die eigene Wohnung zu gelangen.
Ich habe nie verstanden, was solche Menschen antreibt. Da bin ich schon Rentnerin, verfüge über genug Vermögen, um meinetwegen fröhlich durch die Welt zu reisen und dann verdaddele ich meine Zeit so einen Unsinn.

Liebe Grüße
Auguste
 
Hallo Schwester oder Bruder im Geiste,

das tut gut. Auch ich kann tagelang für mich sein und langweile mich nie. Es gibt doch so viel zu entdecken!? Ich lese ein Buch, schaue hier im Netz nach, gehe in den Wald und freue mich über den jahreszeitlichen Wandel der Natur...

Vermutlich stimmt es und viele Menschen sind extrovertiert. Scheint momentan wirklich "in" zu sein. Wenn sie ihre Kraft aus der Interaktion ziehen, ist mir auch klar, warum ich mich nach besonders aktionsreichen Tagen so ausgelaugt und müde fühle. Ich habe sogar schon mal anschließend einen Tag Urlaub genommen und es mir richtig gut gehen lassen. Hat mir geholfen, die Batterien wieder aufzuladen.

Dann sehe ich es doch richtig, dass es vor vielen Jahren nicht obsolet war, fast jeden abzuknutschen. Ich dachte schon, ich habe eine Wahrnehmungsstörung oder werde mit der Zeit noch sonderbarer.

Vielen Dank und ich gehe jetzt noch etwas spazieren und denke über das, was ich hier lesen durfte nach.

Liebe Grüße
Auguste
 
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Dann sehe ich es doch richtig, dass es vor vielen Jahren nicht obsolet war, fast jeden abzuknutschen. Ich dachte schon, ich habe eine Wahrnehmungsstörung oder werde mit der Zeit noch sonderbarer.

Jein...:cool:

Ich kann mich an meine Teenie-Zeit erinnern, wir busselten uns gegenseitig ständig ab. Oder wir mussten als Kinder dem Opi, dem Onkel etc. immer die Wange anbieten, obwohl wir das überhaupt nicht wollten.:confused:

Heutzutage werden die Kinder da (hoffentlich) mehrheitlich anders erzogen, dieser Zwang ist nicht mehr so groß.

Wer sich der Bussi-Bussi-Gesellschaft anschließt, tut dies meist freiwillig.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
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