Panikatacken überwunden

Bright

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5 Februar 2011
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Ich möchte kurz von meiner Erfahrung schreiben - vielleicht hilft es jemanden - so fange ich mal dort an, wo ich glaube, dass meine Angst ihren Anfang nahm:

Wir fuhren in meiner Kindheit immer zum Zelten nach Kroatien. Ich war damals ca. 5 - 7 Jahre alt, genau weiß ich es nicht mehr - als ich nachts zur Toilette musste. Dazu musste ich das Zelt verlassen und ein Mal über den ganzen Zeltplatz laufen. Auf der einen Seite des kleinen Zeltplatzes (zum Meer hin) standen die Zelte, zur Seite der Straße - die parkenden Autos. Der Weg ging genau zwischen diesen beiden - Zelte und Autos - hindurch. Als ich ein paar Schritte gegangen war, sah ich 2 Männer am Auto unserer Zeltnachbarn herumhantieren. Schon damals war ich viel zu neugierig - und blieb stehen. Die 2 Männer entdeckten mich - schauten mich an - berieten sich - und kamen auf mich zu. Obwohl ich es zum Zelt kürzer hatte, rannte ich den langen Weg zur Toilette und schloss mich dort stundenlang ein. Ich hatte Todesangst.

Am Morgen danach war ich Zeugin bei einem Autoaufbruch.

Jahre später konnte ich nicht im Dunkelnen auf Toilette gehen, ich hatte ständig Angst im Dunkeln. Das ganze ging aber noch.

Mit 24 Jahren zog ich nach Köln. Gleich im ersten Jahr wurde in die Wohnung, wo ich zur Untermiete lebte, eingebrochen. Ein Einbruch ist schlimm. Die Sicherheit, die Dir die Wohnung gibt, ist weg. Du weißt auch, dass der Einbrecher alles gesehen hat, was Du sonst vielleicht keinem zeigst. Er hat Dein Innerstes nach Außen gekehrt. Es ist neben dem realen Einbruch in die reale Wohnung auch fast wie ein Einbruch in Deine Persönlichkeit. So empfand ich das - und später sah ich Dokus, wo Einbruchsopfer das teilweise auch so empfanden.

Ich zog um. Leider wurde unser Auto aufgebrochen, meine Tasche (dummerweise mit Schlüssel und Dokumente im Auto gelassen) geklaut. Während er 2 Stunden, die wir bei einem Gitarrenkurs waren, fuhren die Diebe durch ganz Köln, schlossen meine Wohnung auf und räumten die aus. Wir ließen sofort die Schlösser tauschen. 3 Tage später am Abend, höre ich nur noch, wie jemand versucht, mit einem Schlüssel von außen die Wohnungstür zu öffnen. Die Diebe hatten nicht alles auf einmal mitnehmen können.

Danach war Schluss mit Lustig. Ich begann mit meiner Panikphase. Wir zogen kurz darauf aus Köln fort. In der neuen Wohnung konnte ich die Panik nicht ablegen.

In den folgenden Jahren zogen wir mehrfach um. War mein Mann im Haus, ging es panikmäßig. Ich musste wie als Kind nur das Licht anmachen, wenn ich auf das WC wollte.

Dann wurde mein Mann selbständig, ich war unter der Woche allein zuhause. Die Panik stieg. Zuerst nur Wohnungstür abschließen. Das half irgendwann nicht ....... also Wohnungstür abschließen und Schlafzimmertür versperren und alle Rollos runter, Kellertüren alle verschließen. Das half auch nichts mehr, also zu diesen Dingen noch Telefon nebens Bett, und auch ein Messer. Das half auch nichts mehr, also zu diesen Dingen noch einen Schrank vor die Haustür schieben ................. als ich soweit war, wurde mir richtig bewusst, dass alles, was ich tue, irgendwann nicht mehr helfen wird. Was soll ich noch machen, wenn mir der Schrank vor der Haustür keine Sicherheit mehr bietet? - und, mein Verstand sagte mir, irgendwann wird es soweit kommen. Immerhin war ich ja schon paranoid. Wer hat sonst ein Messer neben seinem Bett? Verriegelt alle Türen?

Ich befahl mir, der Schlussstrich muss gezogen werden, der Schrank bleibt an Ort und Stelle, er wird NICHT vor die Tür geschoben, weil ich mir klar war, dass es immer weiter gehen wird, gebe ich meiner Panik nach.

Auch, als man dort mein Auto aufbrach, verfiel ich nicht mehr mehr in Panik, als ich eh schon hatte. Irgendwie hatte ich wohl etwas die Kurve bekommen.

Wir kauften ein Haus und zogen vor 2 Jahren um. Hier wohnen wir in einem Dorf mit 900 Einwohnern. Hinter dem Haus haben wir keine Nachbarn mehr, da ist Garten und Felder.

Zuerst schloss ich auch hier sämtliche Türen im Keller, die Haustür und die Wohnungstür ab. Rollos hatten wir nicht, also konnten die nicht runter gefahren werden.

Dann vergaß ich die Wohnungstür, die Kellertür, die Haustür.

Dann - eines Tages - bekomme ich mit, wie ich den Schlüssel für die Kellertür außen stecken lasse. Ich habe den vergessen! Etwas, was vorher nie und nimmer möglich gewesen wäre.

Trotzdem, das Licht auf dem Weg zum WC, auch wenn das WC gleich neben dem Schlafzimmer liegt, wird immer noch angeschaltet.

Neben mir auf dem Nachttisch liegen nur noch Sachen, die dahin gehören.

Ich weiß nicht genau, was mich aus der Talfahrt der Panik geholt hat, bin mir aber sicher, dass es ein großer Teil an dem Tag war, wo ich mir befahl, nicht meiner Panik zu gehorchen und den Schrank nicht vor die Haustür zu schieben.

Ich weiß aber nicht, was passiert, wenn hier noch einmal eingebrochen wird.

Trotz allem hätte ich gerne so etwas wie eine Alarmanlage, damit sich evtl. Einbrecher ein anderes Haus aussuchen. Ich will die Sicherheit nicht verlieren.

OT: Rein statistisch wird jeder Deutsche 1,3 x im Leben ausgeraubt. Diese Quote überfülle ich schon und somit bleibt mir und meinem Mann nur nur 0,6 x, denn bei ihm wurde noch nie eingebrochen.

Ach ja, ich denke, es kommt gut rauszulesen: ganz ist meine Angst natürlich nicht weg. ABER es ist nur noch Angst und damit kann ich leben.
 
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Liebe Bright!

Danke für diese schöne Schilderung, wie man/frau mit Ängsten allmählich umzugehen lernen kann. Gefällt mir - auch wenn Deine Situation - rückblickend gesehen - sich sicher nicht angenehm angefühlt hatte.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
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Hallo Bright,

das ist ja eine heftige Geschichte. Bei deiner Schilderung sträuben sich mir die Nackenhaare.

Daß du das so überstanden hast - und wie du deine Panikattacken bekämpft hast, beeindrucken mich sehr.

Vielen Dank, für´s Erzählen!
 
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