Das ganze Forum ist voll von "Alles-wird-gut"-netten-Menschen.
1. "Man kann aus jeder Situation, und sei sie noch so schlimm, etwas lernen."
2. "Alles, was du tust und denkst, kommt irgendwann wieder auf dich zurück. Darum: Denke positiv!"
3. "Kopf hoch, das wird schon wieder!"
4. "Gott lässt niemanden einfach so leiden. Finde zuerst deine Schuld, bekenne sie vor Gott, dann wirst du Frieden finden."
5. Tausend weitere gutgemeinte Ratschläge und Sprüche, die mir gestohlen bleiben können.
Es tut weh, sowas zu hören zu kriegen. Es hinterlässt bisweilen eine schale Wut, die kein Ventil findet. Man könnte dann verzweifeln über diese Welt und die Menschen, die darin wohnen. Oft hinterlassen die Sprüche auch Schuldgefühle. "Alles wird gut." Und dann kommt der Moment, wo man einfach nicht mehr kann, wo die Last einen erdrückt und man nur noch weint - und in andern Momenten kommen die Schuldgefühle, weil man offensichtlich den Forderungen der Mitmenschen nach Stärke und Kraft und den ganzen andern Ich-habe-Erfolg-Ideologien nicht genügt. Man IST einfach nicht der Mensch, den die andern in einem sehen wollen. Und dafür fühlt man sich schlecht.
Schwierig zu sagen, was die grössere Last ist: Die Krankheit oder das Unverständnis der Mitmenschen. Mag sein, dass sie es gut meinen, aber anscheinend verstehen das nicht allzu viele Leute: Krankheit ist ein Stigma. Krankheit zeichnet dich, nicht wegen der Krankheit eigentlich, sondern weil sie dich vom Alltag trennt, sie dich ausschliesst aus der Welt, sie dich zu einem Alien macht, dem die Mitmenschen mit ihren täglichen Sorgen oft einfach nur als Fremde begegnen. "Mr. Spock, hier ist eine unbekannte Species im Krankenbett! Wie soll ich mit ihr kommunizieren?"
Auch nicht zu vergessen ist die Last des Helfers. Während man dem Kranken immerhin erlaubt, krank zu sein, wird vom Helfer verlangt, 24h/7 Tage genügend Energie zu haben, um dem Kranken helfen zu können. Ein ungeheurer Druck lastet damit auf ihm/ihr. Aber natürlich ist doch auch der Helfer nur ein Mensch! Auch er/sie braucht bisweilen Rückzug, und braucht vor allen Dingen eine gute Stütze, wo er erstens aufgefangen wird (z.B. Freunde), und wo er zweitens seine Last entladen kann. Dafür eignen sich Selbsthilfegruppen (wenn man der Typ für sowas ist), weil genau dort die Menschen die Probleme ebenfalls kennen. Kann der Helfer seine eigene Last nirgendwo entladen, so wächst in ihm nämlich über längere Zeit ebenfalls Wut heran, Wut über den Kranken, weil dieser so offensichtlich die ganze Zeit der Aufmerksamkeit bedarf - und das ja auch zu Recht! Wenn der Helfer die ganze Zeit die eigenen Bedürfnisse zurückstecken muss, und nie mit jemandem darüber reden kann, wie schwer das eigentlich ist, so wird er irgendwann in die Luft gehen oder sich zurückziehen oder sonst entsprechend reagieren.
Lektüre hierzu: "Mut und Gnade" von Ken und Treya Wilber.