Einsamkeit und Verzweiflung meines Sohnes

Theresa

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8 Februar 2010
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Ich weiß nicht so recht, wie und wo ich anfangen soll. Es ist ein sehr komplexes Thema, über das ich schreiben möchte. Ich nenne meinen Sohn in der Folge Maverick.

Maverick ist 39 Jahre alt. Als er 23 Jahre alt war, zerstörte eine Krankheit von jetzt auf gleich seine Pläne, sein Leben und sein Vertrauen in die Zukunft. Bis dahin war er ein aktiver junger Mann. Er hat gearbeitet, sehr viel Sport in Form von Kraftsport und Fitnesstraning gemacht und sehr gesund gelebt (Vollkornprodukte, Milchprodukte, etc., kein Alkohol, kein Nikotin). Allerdings war er eher ein Einzelgänger, er hatte aber durchaus Umgang mit anderen Jungen und Mädchen. Durch seine Krankheit (eine Erbkrankheit, von der niemand etwas gewusst hat) musste er dreimal wöchentlich für jeweils 5 Stunden an Apparate angeschlossen werden, die sein Blut "gewaschen" haben. Diese Behandlungen hat er nur sehr schlecht vertragen. Er brauchte dann 2 Tage, um sich davon zu erholen, dann musste er wieder los. Durch diese Situation hat er total den Kontakt zu den wenigen Leuten, die er hatte, verloren. Diese Phase dauerte 5 ½ Jahre. In dieser Zeit ging auch seine Beziehung kaputt, die junge Frau war mit der Situation überfordert, zumal sich Maverick auch veränderte.
Nach 5 ½ Jahren kam die Transplantation. Dabei gab es etliche Komplikationen. Maverick reagierte allergisch auf die ersten Immunsuppressionsmedikamente, er hatte 3 Abstoßreaktionen, es entwickelte sich ein offener Bauch und das Organ arbeitete 3 Wochen lang nicht, etc. Über diese Zeit allein könnte ich ein Buch schreiben. Diese ganzen Ereignisse haben Maverick schwer traumatisiert. Er wurde auch nicht richtig psychologisch begleitet, er musste praktisch alles mit sich selbst abmachen. Er hat während dieser Zeit auch das Vertrauen in psychologische Fachleute verloren.
Durch die Immunsuppression (Unterdrückung des Immunsystems durch Medikamente) ist Maverick sehr anfällig für Infektionen jeglicher Art. Als Folge davon vermeidet er jeglichen Kontakt zu anderen Menschen. Er verlässt nie seine Wohnung. Er hat fast immer die Rollläden in seiner Wohnung unten. Wir als Eltern versorgen ihn und erledigen alle Wege für ihn. Das ist für ihn eine schlimme Situation. Er hat Panik davor wie es weitergeht, wenn uns etwas passiert. Dann hat er niemanden, der ihm hilft. Maverick hat auch versucht, psyschologische Hilfe zu bekommen. Weil er seine Wohnung nicht verlässt, wollte er eine Therapeutin zu finden, die die Therapie zunächst über eine lange Zeit telefonisch mit ihm macht. Die Krankenkasse übernimmt diese Kosten aber nicht. Eine Therapeutin, die am Telefon mit ihm arbeiten würde, müssten wir privat bezahlen. Da wir
- nicht zuletzt wegen Maverick – erst vor ein paar Jahren ein Haus gekauft haben, sind wir finanziell ausgereizt.
Durch diese ganzen Geschehnisse ist Maverick sehr isoliert und sehr einsam. Er hat niemanden, mit dem er mal reden kann. Darunter leidet er ganz fürchterlich. Er hat versucht, als es ihm mal ein wenig besser ging, Kontakt zu seinen Leuten von damals aufzunehmen, die haben aber alle Familie und keine Zeit oder Lust, Kontakt zu Maverick zu pflegen.
Maverick ist ein starker Charakter, der Menschen schnell durchschaut, er ist geradlinig, tiefgründig, sehr sensibel und manchmal verbal sehr aggressiv. Er kann auch die oberflächliche, verantwortungslose Lebensweise vieler Menschen nicht leiden. Er ist also kein so einfacher Zeitgenosse.
Vielleicht schreibt Ihr mir Eure Gedanken zu meiner Geschichte, vielleicht ist es ja auch möglich, irgendeinen Kontakt für Maverick zu finden.
Theresa
 
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Liebe Theresa!

Du, bessergesagt Ihr habt eine schwierige Situation. Dialysepatienten leiden sehr oft unter der Abhängigkeit von den Geräten, das ganze Leben muss diesem Zeitplan angepasst werden, dann kommen die Diätvorschriften dazu, die auch an der Stimmung zehren...hat Dein Sohne eine gute Chance auf eine 2. Transplantation? An sich ist er noch sehr jung, d.h. er wird wieder auf der Warteliste stehen? Mit einer neuen Niere (wenn sie funktioniert) ist es wie ein neues Leben zu beginnen.

Konntet Ihr in Erfahrung bringen, wie die Chancen stehen würden bei einer neuerlichen Transplantation? Zwischenfälle, wie das Abstossen des Organs oder eine schlechte/fehlende Funktion sind selten, aber manchmal nicht auszuschließen. D.h. es wäre vielleicht für Deinen Sohn auch gut, wenn er da Hoffnungen hätte, dass er eine neue, gesunde Niere bekommt, die funktioniert.

Hat Dein Sohn Kontakte zur Außenwelt auf virtueller Ebene? Z.B. durch Diskussionsforen, Chatbörsen etc.? Das kann auch ein Fenster nach draußen sein...auch als Vorbereitung auf die Zeit, wo er vielleicht frei sein wird von den Geräten und ein relativ normales Leben führen kann.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
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Hallo Reinfriede,
vielen Dank für Deine Antwort. Ich hab mich in meinem Beitrag vielleicht nicht ganz klar ausgedrückt. Die Niere, die Maverick transplantiert wurde, funktioniert. Das Hauptproblem ist jetzt die zerstörte Psyche. Auch die Imnmunsuppression ist ein Hinderungsgrund bei der Kontaktaufnahme. Als Fenster für die Verbindung nach draußen kommt für Maverick nur das Telefon in Frage. Er braucht das Gespräch. Chatten kommt für ihn nicht in Frage, das ist viel zu mühselig.
 
AW: Einsamkeit und Verzweiflung meines Sohnes

Liebe Teresa!

Oh, entschuldige, das hab ich dann falsch gelesen, ich dachte, die Abstoßungsreaktionen hätten dazu geführt, dass er die Niere wieder verloren hätte und er wieder dialysepflichtig geworden sei.

Hast Du schon mal gegoogelt, ob es eine Selbsthilfegruppe für dieses Problem gibt? Oft haben Ärzte auch Adressen davon.

Forentätigkeit wäre für ihn auch zu mühsam? Muss ja nicht gleich chatten sein (das empfinde ich als Gesunder als zu mühsam....).

Wie sehen denn die Zukunftsprognosen hinsichtlich seines gesundheitlichen Zustands aus?

Liebe Grüße
Reinfriede
 
AW: Einsamkeit und Verzweiflung meines Sohnes

Hallo liebe Theresa,

hast Du (habt Ihr) denn schon einmal die Telefonseelsorge in Erwägung gezogen? Das wäre dann die von deinem Sohn bevorzugte Art der Kommunikation - und dort würde er auf Verständnis und Geduld treffen.

Als "Einstieg" vielleicht eine gute Lösung.

Liebe Grüße,

Lucille
 
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Hallo,

das Telefon ist das eine - spontan fällt mir ein, dass die Post Brieffreundschaften vermittelt.

http://www.letternet.de/web/friends/home

da könnte er, wenn er möchte, mit Menschen auf der ganzen Welt kommunizieren - und auf diese Art auch wieder in Kontakt mit anderen kommen. Diese Menschen wohnen zwar nicht unbedingt in der Nähe, doch da gibt es vielleicht noch andere Tipps....
 
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Hallo Reinfriede,
dies ist der 3. Anlauf, Euch zu antworten, ich weiß nicht, was ich verkehrt mache. Liebe Reinfriede, ja, es gibt Selbsthilfegruppen, aber das ist nichts für Maverick. Da würde er mit seiner Krankheit konfrontiert werden, und das will er nicht. Er möchte Kontakt zu gesunden Menschen haben, die ihn motivieren können.
Über eine Zukunftsprognose kann man nicht viel sagen. Da schwebt ein Damoklesschwert über ihm: "Wie lange arbeitet die Niere????"

Hallo Lucille,
danke auch für Deine Gedanken. Maverick hat schon öfter in seiner Verzweiflung mit der Telefonseelsorge telefoniert. Das Problem dabei ist, dass er immer bei einer anderen Person irgendwo in Deutschland landet, und er muss seine Geschichte immer wieder von vorne anfangen.

Hallo Ahorn,
Dein Vorschlag ist auch sehr interessant, nur ist Schreiben nichts für Maverick. Er möchte Menschen kennenlernen, mit denen er telefonieren kann. Ich hab mir aber überlegt, mit letternet Kontakt aufzunehmen, vielleicht kann ich etwas erreichen. Danke.
Liebe Grüße an Euch Drei, Theresa
 
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Maverick hat schon öfter in seiner Verzweiflung mit der Telefonseelsorge telefoniert. Das Problem dabei ist, dass er immer bei einer anderen Person irgendwo in Deutschland landet, und er muss seine Geschichte immer wieder von vorne anfangen.

Hallo Theresa,

daran hatte ich gar nicht gedacht ... ist ja auch irgendwie logisch. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man das so einfach nicht mehr will und kann.

Wie wäre es, genau diese Problematik bei der Telefonseelsorge anzusprechen. Vielleicht gibt es da doch eine (organisatorische) Lösung.

Da dein Sohn das Haus nicht verlassen kann - ist es denn so abwegig, dass eine (von der Krankenkasse bezahlte) Therapeutin in's Haus kommt? Ein reales Gespräch ist wahrscheinlich auch einer Telefon-"Therapie" vorzuziehen.

LG
Lucille
 
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