Klischeedenken und Gendern

Hortensie

Well-Known Member
Registriert
14 Mai 2004
Beiträge
3.749
Hallo ihr Lieben,

ich mache mir mal wieder so meine Gedanken.

Angeregt durch meinen Fauxpas, in einem anderen Thread, dass ich bei einer Userin, da sie von ihrer Frau schrieb, automatisch davon ausgegangen bin, dass der/die/das Schreiberin männlich ist.

Ich glaube das dauert noch bis dieser Automatismus aus meinem Kopf ist, und nicht nur aus meinem.

Ich frage mich schon länger, wie schreibe oder spreche ich jemanden an? Er/sie/es sieht weiblich (oder männlich) aus, fühlt sich aber anders. Frage ich jeden vorher, wie er/sie/es angesprochen werden möchte?

Genauso geht es mir mit der Sexualität, ist es überhaupt wichtig zu wissen wie mein Gegenüber gestrickt ist? Darüber denke ich schon länger nach.
Im Prinzip ist es egal, trotzdem wüsste ich es gerne. Warum weiß ich gar nicht so genau. Es macht für mich keinen Unterschied, ich würde mich nicht anders verhalten, aber ich persönlich fände es schöner es zu wissen.

Ich habe in den letzten Monaten viel von der LGBTQIA Community gehört, und wusste gar nicht wieviel Ausrichtungen und Bezeichnungen es gibt. Wobei ich denke, es ist immer der Mensch und nicht seine sexuelle Orientierung, der im Mittelpunkt stehen sollte. Ich wünsche mir, dass das für alle egal sein sollte und niemand deswegen diskriminiert wird; dass jeder dazu und zu sich stehen kann.

Wie geht es euch mit dem Thema?

AL Hortensie
 
Werbung:
Liebe Hortensie,

interessante Fragen...

Deinen letzten Absatz könnte ich direkt, so wie er dasteht, unterschreiben. Für mich ist die sexuelle Ausrichtung eines Menschen eher unwichtig. Mich interessiert der Mensch. Ich finde das Outing von Leuten absolut überflüssig. Warum geht es mich etwas an, ob ein Fußballspieler oder sonst jemand z. B. schwul ist oder nicht etc. ? Mich kümmert die Sexualität anderer Menschen doch auch sonst nicht.

Wenn ich aber die Engstirnigkeit mancher Menschen in Betracht ziehe, kann ich verstehen, dass so ein Outing durchaus wichtig sein kann. Mir selber ist das, wie gesagt, egal.

Ich halte es da mit Friedrich dem Großen. "Es möge jeder nach seiner Fasson glücklich werden (oder so ähnlich)". Wir leben alle nur einmal und ich finde es wichtig, dass die Menschen so sein können, wie sie wollen. Wie SIE es wollen, nicht wie unsere althergebrachten Vorstellungen es für "normal" erachten. So bin ich schon von Haus aus erzogen worden und so habe ich es auch an meine Tochter weitergegeben.

Wenn ich nicht weiß wie ich jemanden ansprechen soll, dann frage ich ihn/sie, wenn sie mir gegenüber steht. Hier im Forum ist es mir tatsächlich auch schon passiert, dass ich vom falschen Geschlecht des/der Schreibenden ausgegangen bin. Am Nickname ist das ja nicht immer so leicht zu erkennen. Auch am Schreibstil geht es oft nicht hervor. Aber was soll´s? Wenn ich helfen kann, versuche ich es. Da ist ein Mensch mit einem Problem. Mehr muss ich nicht wissen.

Wichtig ist, dass wir uns auf etwas für uns Neues einlassen können und in der Lage sind dazuzulernen. Fehler machen gehört dazu.

Liebe Grüße
Clara
 
:)
Ich meld mich dazu mal direkt. Also zuerst kann ich den Irrtum mehr als nachvollziehen. Wäre mir trotz meiner Sexualität auch passiert. Die ersten Tage hier war das sogar in Kauf genommen, keine Geschlechtsangabe, kein Foto, ein zweideutiger Name. :rolleyes:

Zu deinen Fragen kann ich vielleicht nicht soooviel beitragen. Dass jemand zuerst an die Frau- Mann- Konstellation denkt, liegt wohl auch und primär daran, dass es bei der großen Mehrheit so auch ist.


Wichtig finde ich es generell nicht, was für eine Sexualität jemand hat, also es sei denn, es HAT eine Relevanz der Beziehung oder Sache wegen.
Das Geschlecht ist wohl eine andere Sache. Ich glaube, solange irgendwo auf der Welt da Unterschiede gemacht werden und im Prinzip werden die überall auf der Welt gemacht, ist das natürlich an sich sehr wichtig.

Ich denke, den meisten Menschen ist es wichtig, so gelesen zu werden, wie sie sind bzw. sich fühlen- von anderen zwangsläufig erwarten kann man das trotzdem nicht. Ich glaube aber generell auch, dass Geschlechterstereotype Menschen sehr einengen (können).

Und ich stimme Clara zu, dass 'Fehler' machen dazu (...) gehört.

Viele Grüße,

Renee
 
Guten Morgen,

lieben Dank für eure Antworten.

Ja, die Frage ist, leben die Menschen in dieser Konstellation weil sie wollen oder weil es so üblich ist?

Das bringt mich zu einer nächsten Frage.
Sind wir etwas Besonderes oder sind wir nichts Besonderes?
Jeder ist einzigartig und besonders, das ist so. Viele denken, sie unterscheiden sich von den anderen und sind extrem besonders.
Ich denke, das gibt es nicht, ihre Umgebung versucht ihnen das nur vorzugaukeln.
Mich stört dieses hervorheben manchmal. Ich bin nicht dafür, dass man sich versteckt, aber manchmal ist wie bei vielen Dingen, weniger mehr.
Jeder kann stolz darauf sein, was und wie er ist und soll es auch zeigen dürfen.
Ich weiß nicht, wo die Grenze zu ziehen ist.
Ich sage mal, manchmal fühle ICH mich ausgegrenzt, weil ich hetero bin. Versteht ihr was ich meine? Und dadurch wird negative Aufmerksamkeit herangezogen.
 
Hallo Hortensie und hallo Alle,

die Frage mit der Konstellation finde ich interessant.


Da kommts drauf an, was gemeint ist. Gehts um Frau-Mann oder gehts um 2 Menschen leben in einer 2er Paarbeziehung (und haben dann wohlmöglich Kinder)...

Geschlechterbezogen glaub ich, würden bestimmt mehr Menschen anders leben, wenn Frau-Mann nicht SO üblich wäre. Ohne da Zahlen zu kennen oder Umfragen oder Studien, schätz ich jedoch, dass dennoch weiter eine Mehrheit bei Frau-Mann bliebe.


Ansonsten gibt es soweit ich weiß deutliche Hinweise, dass "gaaanz früher" die klassische Paarbeziehung nicht gelebt wurde und das über lange Zeit und gut funktionierend. Wenn man versuchte, das auf heute zu übertragen bzw. zu übernehmen (davon abgesehen, dass das nihct einfach ginge), kann ich mir vorstellen, dass Menschen dann anders leben würden, aber so manche mit der Kenntnis(/Erfahrung) über die Paarbeziehung diese auch wählen würden.

Dafür müsste sich aber weitaus mehr ändern, was den Rahmen hier mehr als sprengen würde. Wäre aber echt spannend.


Was mir zum "Outen"(war bei Clara glaub ich kurz Thema und trifft ja die Frage, inwiefern das eigentlich wichtig ist) nochmal einfällt: Sowie z.B. ich von 'meiner Frau' spreche, oute ich mich damit zwangsläufig, ohne dass es mir ums Outen ginge. Häufig möchte ich einfach keine umständlichen Umschreibungen nutzen.


Darf ich dich fragen, in welchen Situationen du dich als aufgrund deiner Heterosexualität ausgegrenzt fühlst u/o hast du ein (fiktives)Beispiel zur Verdeutlichung?

Viele Grüße, ich hoffe Ihr hattet einen guten Wochenstart.

Renee
 
...
Was mir zum "Outen"(war bei Clara glaub ich kurz Thema und trifft ja die Frage, inwiefern das eigentlich wichtig ist) nochmal einfällt: Sowie z.B. ich von 'meiner Frau' spreche, oute ich mich damit zwangsläufig, ohne dass es mir ums Outen ginge. Häufig möchte ich einfach keine umständlichen Umschreibungen nutzen.
...
Ich finde das okay. Ich finde es sollte normal sein, dass jeder zu dem Menschen stehen kann, den er/sie/es liebt.

...
Darf ich dich fragen, in welchen Situationen du dich als aufgrund deiner Heterosexualität ausgegrenzt fühlst u/o hast du ein (fiktives)Beispiel zur Verdeutlichung? ...
Muss gar nicht fiktiv, ich habe es zwei Mal erlebt. Ich weiß leider nicht mehr wo es war. Ich kann mich nur errinnern, dass ich dachte, hey super ihr wollte immer Toleranz und selbst, macht ihr es noch schlimmer.

Ich kenne eine Gruppe, die sind alles bunt gemischt; junge Leute, die sind stolz darauf "anders" zu sein, dadurch ziehen sie viel Aufmerksamkeit auf sich. Manchmal sind sie sehr "laut" und dann werden sie angefeindet. Der positive Effekt, im Juni brachten sie Flaggen mit zur Schule und ein Lehrer hat nachgefragt und damit eine Diskussion in der Klasse angeregt, weil einige viele nicht wussten, was das bedeutet. Das fand ich sehr gut.
Sie sagen sie grenzen niemanden aus, aber in der Gruppe ist niemand heterosexuell.

Ich war auch schon auf Partys wo ich die einzige hetero war, das war super und es war immer egal wer was war oder ist. Es liegt nicht an der Ausrichtung sondern an den Menschen.
Ich habe immer schon Freunde, die schwul und lesbisch und bi sind .... mittlerweile gibt es ja weitaus mehr Facetten, ich kenne gar nicht alles.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass vielleicht jeder bi oder pan ist, es muss nur der/die/das richtige kommen.
Uns wurde ja quasi anerzogen, dass es nur männlich oder weiblich gibt und Zwitter, letzteres wurde ja üblicherweise schon direkt nach der Geburt in ein Geschlecht gedrückt. Ich bin froh, dass das nicht mehr sein muss.
Wie oben gesagt, ist das leider in unseren Köpfen und das rauszubekommen ist sehr schwer.
 
Hallo Ihr Lieben,

vor Jahren hatte ich einmal vor vielen Jahren ein Erlebnis, dass mich heute noch amüsiert.

Mein Mann hatte einen Arbeitskollegen, der ganz offen homosexuell mit seinem damaligen Freund (und jetzigen Mann) zusammen lebte. Sie hatten sich in einer kleineren Stadt ein Reihenmittelhaus gekauft, waren Vorsitzende in der Siedlergemeinschaft und hatten einen Schrebergarten gepachtet.

Als mein Mann seinen 30. Geburtstag feierte, luden wir auch den Kollegen und seinen Lebensgefährten ein. Es war eine recht schöne Grillfeier mit vielen Freunden, Verwandten und Kollegen. Irgendwann saßen mein Mann und ich mit besagtem Paar zusammen und unterhielten uns über alles Mögliche. Plötzlich nahm mich der Kollege beiseite und flüsterte mir ins Ohr: "Du, ich mag dich sehr gerne, aber du siehst mit deinem Kurzhaarschnitt nicht wie eine Heterofrau aus. Ein anderer Haarschnitt würde dich etwas weicher wirken lassen." Ich bedankte mich sehr für den Typ und trage immer noch meinen Pixie Cut, ganz ohne lesbisch zu sein.

Damals fand ich das sehr übergriffig. Ich war perplex. Heute würde ich weder einem Mann noch einer Frau so eine Bemerkung durchgehen lassen ohne passende Antwort. Damals lernte ich, dass es eben viele Spießer gibt, und dass sie in jeder Szene zu finden sind, ganz egal in welcher.
 
Danke Hortensie, jetzt kann ich mir darunter etwas mehr vorstellen. Was ich aber immer noch nicht ganz verstanden habe, wann u/o wodurch du dich ausgegrenzt gefühlt hast? Wenn ich es richtig verstanden hab, ist das z.B. auf diesen Parties, wo sonst niemand hetero ist, nicht der Fall, oder? Weil in der einen Gruppe sonst niemand hetero war, es aber ausdrücklich hieß, dass niemand ausgegrenzt würde? Vielleicht hat es bis dahin noch niemand versucht, dazu zu gehören, also zur Gruppe selbst. Vielleicht auch, weil mensch nicht plötzlich Teil dieses Lauten und Bunten und negativ Angefeindeten sein wollte. Oder warum auch immer. Sind nur so Gedanken.

Als der Film "Systemsprenger" hier in einem kleinen urigen Kino lief, saßen meine Frau und ich danach noch mit einem guten Freund im angeschlossenen Cafe. 18:30 wurde er von der Servicekraft angesprochen, dass ab 19:00 nur noch Frauen anwesend sein dürfen und alle Cismänner(ich mag den Ausdruck nicht, beschreibt einen "biologischen"/nichttrans Mann) dann gegangen sein müssen. Der fühlte sich in dem Moment auch ausgegrenzt, auch wenn er Verständnis dafür hatte.



Clara, dein Erlebnis von früher finde ich echt auch heftig. Das ist äußerst übergriffig und wie du sagst, sowas ist in keiner Gruppe wirklich auszuschließen. Obwohl auch ich gestehen muss, dass ich es da zunächst so nicht erwarten würde. Auch geht dieses Verhalten aus meiner Sicht schon ein gutes Stück über Spießigkeit hinaus, vielleicht tarnt es sich ja so. Mich hinterlässt es immernoch teils sprachlos, wenn ich erlebe, wie z.B. Lesben (vor allem online) teilweise untereinander sind. Was da schon an offener und subtiler Frauenabwertung geäußert, die teils als solche aber nicht empfunden wurde.

In einem Onlineprofil einer jungen, farbigen*, lesbischen* Frau* (die also 3 diskriminierten Gruppen angehört) las ich mal, dass sie Ossis s****** findet und sich für den Soli bedankt. Das empfinde ich auch als diskriminierend dieser Gruppe gegenüber. Manchmal genügt es, nur mal "das Subjekt" austauschen (und setzt z.B. PoC, Frauen, diverse Nationalitäten, Homosexuelle usw. usf.) dann zeigt sich sowas immer nochmal deutlicher, wie ich finde. Also gerade, wenn mensch sich unsicher ist, IST das jetzt diskriminierend/sexistisch usw., funktioniert diese "Gegenprobe" recht gut.

Das war es nun wieder von meiner Seite, bin hoffentlich nicht zu sehr abgeschweift.

Ich wünsche allen eine gute Woche.

Viele Grüße

Renee
 
Leider kann ich meinen Text nicht mehr bearbeiten, daher muss ich nochmal schreiben. "Das Subjekt" ist nicht im grammatikalischen Sinne gemeint, dann wäre es auch falsch. Ich meine eigentlich das Objekt (grammatikalisch) - Menschen, bestimme Gruppen von Menschen und nannte sie daher "das Subjekt". Ist hoffentlich nicht allzu missverständlich und hiermit gar nicht mehr :rolleyes::whistle:
 
Hallo Renee,

das, was du geschrieben hast, habe ich mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Am Wochenende saßen mein Mann und ich in der Küche und haben uns einen Podcast im Radio angehört. Es ging um 'toxische Komplimente'. Wir haben uns dann noch über denn früheren Kollegen meines Mannes unterhalten. Mein Mann meinte, der Kollege habe gerne diese Art 'Komplimente' gemacht.

Ja, du hast recht, wenn du von "Tarnung" schreibst. Es war sehr übergriffig. Später habe ich gemerkt, dass der Kollege (und auch sein Mann) unglaublich viele Vorurteile gegenüber Frauen hatten. Woher das kam? Keine Ahnung.

Ich fand es schade, dass er sich bemüßigt fühlte so einen Mist von sich zu geben. Aber so what?! Überall gibt es Leute mit sonderbaren Ansichten.

Aber die Beiden waren auch sehr lieb. Wir hatten jahrelang im Sommer Kinder aus der Nähe von Tschernobyl bei uns zu Gast. In einem Sommer luden der Kollege und sein jetziger Mann uns alle ein mit ihnen zur Kirmes zu gehen. Sie bereiteten den Kids einen wunderbaren Abend und sorgten auch dafür, dass unsere Tochter nicht zu kurz kam. Das war unendlich großzügig von den Beiden. Wir hätten uns das damals nicht leisten können.

Liebe Grüße
Clara
 
Werbung:
Hallo Clara,

das, was die beiden mit und für eure Kinder gemacht haben, klingt sehr schön und ist klasse.:)(y)

Ich finde, schlussendlich sind es ja auch bestimmte Weisen, die unschön sind - und nicht der Mensch in seiner Gesamtheit. Und sich übergriffig verhalten schließt natürlich nicht aus, dass man an anderer Stelle Wunderwerke vollbringen kann. Das eine macht das andere nicht besser oder schlechter und wie oder ob man mit den betreffenden Personen in ihrer Gesamtheit kann oder will, darf ja jede selbst entscheiden;)

Ich hab mich über deine Gedanken gefreut.

Renee
 
Zurück
Oben