Unzufrieden mit Biologie des Menschen

PsySci

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26 August 2008
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Ich habe ein extrem negatives Bild von der Welt. Es ist ein vollkommen naturwissenschaftlich determiniertes Bild. Ich muss dazu sagen, dass ich Psychologe bin und mit naturwissenschaftlichen Mitteln Gehirn und Verhalten erforsche. Mein ganzes Wissen und meine eigenen Forschungen münden für mich immer stärker in der Erkenntnis, dass das Leben ungerecht ist. Diese Ungerechtigkeit kann und will ich einfach nicht ertragen. Ich möchte sie am liebsten boykottieren, d. h. im Prinzip, das Leben boykottieren, also aus dem Leben scheiden.

Die Ungerechtigkeit drückt sich in allerlei Faktoren aus, auf die man keinen Einfluss hat. Das fängt schon vor der Geburt an: wenn sich die Mutter z. B. nicht gesund ernährt (Alkohol), hat das Kind später mit höherer Wahrscheinlichkeit eine niedrigere Intelligenz. Zusätzlich hängt die Intelligenz stark von Erbfaktoren ab. Welche Gene ein Individuum erbt hängt jedoch wiederum von den Eltern (die man sich nicht aussuchen kann) und einem zufälligem Prozess ab. Die Gene sind außerdem für eine Menge Krankheiten verantwortlich; das soziale Milieu der Eltern bestimmt in großem Maße die Entwicklungslaufbahn des Kindes; usw. ich erzähle bestimmt nichts Neues.

Mich persönlich ärgern die biologischen Prinzipien der Partnerwahl, sicher auch deshalb, weil ich dort bisher kein Glück hatte. Der sexuelle Trieb ist natürlich für die Menschheit überlebenswichtig. Was mich stört ist, dass Attraktivität (die übrigens kaum subjektiv, sondern messbar ist – z. B. Symmetrie) so eine große Rolle spielt. Und es stört mich an mir selbst, dass ich attraktive Frauen so sehr anziehen finde, selbst wenn ich mir sage, innere Werte seien vor allem wichtig. Letztendlich ist Attraktivität nur ein Zeichen für Fruchtbarkeit (und einer kleinen kulturellen Komponente). Aber das ist nur auf der Verstandsebene, nicht auf der Gefühlsebene. Ich kann die Anziehung, die eine attraktive Frau auf mich ausübt, nicht wegdenken. Ich kann auch meinen sexuellen Trieb nicht wegdenken, auch wenn ich es schrecklich finde, dass Menschen, was die Sexualität betrifft, doch nicht anders als Tiere sind.

Die Ungerechtigkeit findet sich natürlich bei der Partnerwahl wieder: Attraktive Menschen haben viel mehr Auswahlmöglichkeiten (ja, reiche auch – hängt aber wieder stark vom IQ und sozialem Entwicklungsmilieu ab) und ihr Sexualtrieb wird daher auch viel seltener frustriert. Zwar hat mir bisher niemand eine geringe Attraktivität bestätigt, doch sind meine Chancen beim anderen Geschlecht sicher nicht grenzenlos und ich bin wohl stark auf für mich unerreichbare Frauen fixiert. Warum das so ist, darüber laboriere ich schon seit zwei Jahren in einer Psychotherapie herum (der Psychologe der zur Psychotherapie geht :) Es ist jedenfalls ein Punkt, an dem ich die Ungerechtigkeit der Welt am eigenen Leibe stark spüre, z. B. in Situationen, wenn ich eine attraktive Frau mit einem anderen Mann weggehen sehe. Solche Situationen frustrieren mich sehr. Klar, eigentlich müsste ich mich einfach damit abfinden, dass das Leben ungerecht ist. Es ist einfach Fakt. Das kann ich einfach nicht hinnehmen, ich will es boykottieren.
 
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AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Klar, eigentlich müsste ich mich einfach damit abfinden, dass das Leben ungerecht ist. Es ist einfach Fakt. Das kann ich einfach nicht hinnehmen, ich will es boykottieren.

...und was bringt das dann?

Du hast es boykottiert, hast Du es dann geändert, irgendetwas bewirkt?

Nein.

Abgesehen davon, ist es ja ziemlich logisch, dass wir bei einem Suizid die Problematik "mitnehmen" - d.h. ungelöste Probleme sind "nachher" genauso aktuell - nur fehlen uns dann erst recht die Lösungsmöglichkeiten. DU bleibst ja immer bei Dir, Du bleibst Du und DU hast das Problem, so oder so.

Also im Hier und im Jetzt lösen bietet ungleich größere Chancen.;)

Es gibt - und da werde ich Dir sicher nichts neues erzählen - etliche Ansätze, das Problem anzugehen. Was sagt denn Dein Berater dazu?

Habt Ihr schon erforscht, woher Deine Unzufriedenheit in Wahrheit kommt?

Du hast ja viele Möglichkeiten - angefangen vom "Jetzt-erst-recht" über Ursachenforschung bis hin zur einfachen Akzeptanz mit vielen Nuancierungen, auf dieses Problem zu reagieren.

Was mir ein wenig zu denken gibt, ist die Tatsache, dass Du - weil das Leben nicht so läuft, wie Du es Dir vorstellst ("es ist nicht fair"), mit Boykott reagierst.

Wenn ich das nicht kriege, dann schmolle ich...(nicht böse sein, ist lieb gemeint!).

Ich denk mir mal, es gibt so viele schwierige Situationen im Leben, die gemeistert werden müssen - wäre es nicht ganz einfach eine Möglichkeit, das als Herausforderung zu sehen?

Das Leben ist nicht fair, da hast Du recht. Und Intelligenz heißt für mich, das Beste draus zu machen.

Ich hoffe, Du empfindest meinen Beitrag nicht als ruppig, aber Du wolltest Meinungen dazu hören...

Liebe Grüße
Reinfriede
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Hallo PsySci,

was du geschrieben hast kommt mir sehr bekannt vor.

Ich falle auch immer wieder in so ein negatives Bild des "Menschseins" hinein, und muss mich dann wirklich ganz bewusst auf schöne Dinge konzentrieren, die das Leben dann trotzdem lebenswert machen!!!

Auch ist es eine Grundsatzfrage: Wenn man "nur" diese Dinge anschaut, die du beschrieben hast, hört die Frage nach dem Sinn des Ganzen bei der Antwort "Sicherung des Überlebens der Art" auf.

Da es im Tierreich so ist, sind wir davon nicht abkekoppelt (finde ich auch schwierig damit umzugehen...)

WIR SIND ABER KEINE TIERE!

Also haben wir die CHANCE, etwas anderes daraus zu machen.

Wir haben die MÖGLICHKEITEN, MEHR zu sehen !!!

Das müssen wir aber SUCHEN, und dem Ganzen, das ohne unser Suchen vielleicht etwas Idiotisches, oder zwanghaft animalisches hat, einen NEUEN SINN geben!

NEUE ZUSAMMENHÄNGE !!

Etwas GRÖßERES finden, das das alles zusammenhält, sonst ist es genau so, wie du es empfindest.

Ich weiß nicht, ob ich offene Türen eingerannt habe, ich weiß nur aus eigener Erfahrung, dass sich wirklich vieles ändert, wenn man die Sichtweise ändert.

Habe mal in einem Buch ein Bild gesehen - ich versuche es mal zu beschreiben.

Es ging um die Zahl 3, und das 3 die Synthese von 1 und 2 ist.

Bildlich dargestellt:
Eine Röhre schwebt in der Luft.
Strahlt man sie von oben an, entsteht unten ein Schatten. Für den Betracher unten sieht der Schatten aus wie ein Strich.
Strahlt man die Röhre von der Seite an, sieht ein Betrachter, der auf der Seitenebene steht, einen Punkt.
Beide haben recht!
Nur der, der sich auf eine dritte Ebene begibt, nämlich in der Luft, kann erkennen, dass es in Wahrheit eine dreidimensionale Röhre ist!

Mich hat dieses Bild umgehauen, weil sich sovieles damit erklären lässt...

Liebe Grüße,
Ypsilon
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Die Ungerechtigkeit drückt sich in allerlei Faktoren aus, auf die man keinen Einfluss hat. Das fängt schon vor der Geburt an: wenn sich die Mutter z. B. nicht gesund ernährt (Alkohol), hat das Kind später mit höherer Wahrscheinlichkeit eine niedrigere Intelligenz. Zusätzlich hängt die Intelligenz stark von Erbfaktoren ab.

Intelligenz != glückliches Leben. Das meine ich keineswegs ironisch. Nur weil jemand intelligent ist (oder es zumindest meint) heisst das noch lange nicht, dass er mit seinem Leben zurecht kommt oder gar glücklich und zufrieden ist.
Du kommst mir z.B. auch eher wie jemand vor der zuviel nachdenkt und unter seiner Intelligenz eher leidet.

Und es stört mich an mir selbst, dass ich attraktive Frauen so sehr anziehen finde, selbst wenn ich mir sage, innere Werte seien vor allem wichtig.

Warum stört Dich das? Wenn Du eine intelligente, nette Frau triffst die dann zufällig auch noch hübsch ist - perfekt! Und verlieben tut man sich als intelligenter Mensch in der Regel nicht nur wegen des Aussehens, also sollte man aber einer gewissen Erfahrung auch keine allzu grossen Reinfälle mehr verbuchen (gutes Aussehen, aber kein Charakter).
Du musst einer Frau halt auch die Chance geben, Dich kennen zu lernen und umgekehrt - nur aus der Ferne hübschen Frauen nachzusehen gilt nicht! Ansprechen, lockerer werden,....

Ich kann auch meinen sexuellen Trieb nicht wegdenken

Wer will das schon?

auch wenn ich es schrecklich finde, dass Menschen, was die Sexualität betrifft, doch nicht anders als Tiere sind.

Das Tierische in mir (wobei man über diese Bezeichnung diskutieren könnte) gehört zu mir. Was uns von den Tieren eben gerade unterscheidet ist unsere Intelligenz, wir haben da also eine tolle Gabe mitbekommen.

eigentlich müsste ich mich einfach damit abfinden, dass das Leben ungerecht ist. Es ist einfach Fakt.

Jeder Mensch schafft sich seine Fakten, seine Welt selbst. Ich empfehle Dir einmal von Viktor Frankl das Buch "...trotzdem Ja zum Leben sagen", es handelt von seiner Zeit im Konzentrationslager. Wir können beide davon ausgehen dass seine Probleme damals um Grössenordnungen schwieriger waren - mit der richtigen Einstellung zum Leben ändert sich aber einiges zum positiven...
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

lieber psycsi,
ja, das leben ist ungerecht- wir als psychologen erleben dies tagtäglich. ich denke an traumatisierte kinder, die ich behandle, die keine echte chance bekommen, weil die familiären oder gesellschaftlichen bedingungen dies nicht erlauben, erwachsene, die durch ihre entwicklung so geprägt wurden, das sie immer wieder die gleichen destruktiven muster leben- und trotzdem- gerade dies gibt mir als "altgediente" psychologin schon seit mehr als 20 jahre immer wieder mut es aufs neue zu versuchen- es immer wieder zu wagen die menschen ein stück des weges zu begleiten, einzutauchen in ihre lebensgeschichte und vielleicht etwas gerade zu rücken, was vorher so unüberbrückbar erschien.
ja, wir sind trieben unterworfen, die uns nicht wesentlich vom tier unterscheiden, wir sind durch unsere gehirnentwicklung zum großteil determiniert- aber ist dieses wissen ein grund, das leben aufzugeben? ist das ein boykott? gegen wen?
im grunde wär dies für mich nur ein weg, sich aus dem leben zu stehlen, ohne die verantwortung zu übernehmen, das beste daraus zu machen, oder es zumindest zu versuchen.
diese möglichkeit haben die tiere nicht und ich bin dankbar (trotz vieler narben und wunden, die ich mir durch mein ego zugezogen habe), dass ich dieses "schrecklich, schöne" leben immer wieder neu erleben kann!
lieber psysci, dies sind nur meine gedanken- deine gedanken sind mir aus jüngeren jahren durchaus vertraut- deshalb möchte ich dir nur sagen, gerade weil du diese gedanken nicht scheust und auch bereit bist sie zu ende zu denken- wir brauchen leute wie dich, die nicht im oberflächlichen gebrabbel stecken bleiben und sich an lehrbücher halten, wir (bzw. unsere klienten) brauchen leute, die auch an sich die verzweiflung spüren- also bitte mach was draus und schmeiß deine erfahrung nicht weg
wünsch dir kraft und stärke
bettymas
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Sehr interessanter Beitrag.

Erstens ist es vollkommen richtig, dass es Lebenssituationen gibt, in denen man auf das Leben gerne verzichten möchte. Du schreibst ja auf diese Weise von Deinem "inneren" Boykott.

Du bist Psychologe und trotzdem möchte ich zum Thema Therapie etwas sagen, wenn gleich ich Dir nicht zusätzlich provozieren möchte: Welcher Therapeut ist daran interessiert, seinen Klienten wirklich GESUND zu sehen? Es entgeht ihm ja viel Geld wenn dieser nicht mehr kommt.

Wie Du richtig schreibst besteht der Mensch nicht nur aus Verstand, sondern eben auch aus Gefühlen. Werden diese zu Emotionen sind sie sehr schwer hand zu haben, Triebe sind noch intensiver und unterliegen nicht mehr unserer Kontrolle.

Es gibt meditative, religiöse Methoden die angeblich in dieser Tiefe etwas bewirken. Allerdings muss der Mensch in diesem Fall bereit sein ein derart meditatives Leben zu führen; eine gewisse Gläubigkeit gehört wohl auch dazu.

So wie Du schreibst hilft es Dir bestimmt nichts wenn ich Dir sage, dass in meinem Leben alles OK ist, bis auf diese Partnersache. Die verfolgt mich ebenso seit ich existiere; auf meine (und damit andere) Weise.

Eine "Übung" kann allerdings jeder Mensch umsetzen; diese lautet - schau auf das was Du hast und nicht auf das Du nicht hast. Der ständige Blick auf das was anscheinend fehlt tut der Seele nicht gut.

Du schreibst sinngemäß, dass der Mensch die Sexualität zum Überleben seiner Rasse braucht. Wir Menschen gehören aber auch zu der Spezies, Sex haben zu können - lediglich der Freude wegen. Was das mit einem tierischen Verhalten gemein hat, sehe ich nicht.

In diesem letzten Punkt fehlt mir das Verständnis für Deine Schilderung.

Ja, das Leben ist ungerecht, ja das Leben ist schön.
Ja, das Leben ist beschissen, ja das Leben ist einfach klasse.
Das Leben ist ALLES.

LG Elladana
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Hallo Zusammen :tuscheln:

Ich denke mal - dass wir uns weitere Antworten sparen können...

Das Thema wurde geschrieben und seit dem nicht mehr gelesen...:confused4
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Liebe Forummitglieder,

ich möchte mich erst einmal bedanken für die Antworten.

Hallo Zusammen :tuscheln:

Ich denke mal - dass wir uns weitere Antworten sparen können...

Das Thema wurde geschrieben und seit dem nicht mehr gelesen...:confused4

Gnadenhof hat Recht, ich hätte mich längst melden sollen. Die Reaktionen habe ich von Anfang an verfolgt. Allerdings fiel es mir schwer, auf Anhieb etwas dazu zu schreiben und ich habe mir erst einmal nur Gedanken dazu gemacht (Walters Einschätzung über mich stimmt).

Ich bin sehr positiv überrascht, keinerlei banale Antworten bekommen zu haben, sondern ernsthaft Überlegungen, auch wenn ich nicht mit allen Meinungen übereinstimme. Meine Sichtweise ist eben sehr eng. Ich sehe z. B. den Unterschied Mensch - Tier, der mehrfach zur Sprache kam, nicht so sehr. Und wenn es dann doch um die höhere Intelligenz des Menschen geht, der dadurch z. B. zur Selbstreflexion fähig ist, dann sehe ich das (in übertriebender Weise) so wie Walter, dass zu viele Gedanken problematisch sein können. Insofern könnte der Mensch (oder jedenfalls einige von ihnen) eine evolutionäre Fehlentwicklung sein, wenn er sich nämlich die Frage nach dem Lebenssinn stellt, zu keiner Antwort kommt und darum seinen Überlebenswillen in Frage stellt.

Ich glaube nicht, dass es für mich je eine Antwort auf die Frage des Lebenssinns geben kann, da diese, meiner Meinung nach, nur mit religiösen Motiven beantwortet werden kann. Ich bin ein zutiefst NICHT religiöser Mensch. Zwar gibt es religiöse Motive, die ich sehr erstrebenswert finde, wie z. B. anderen Menschen zu helfen (das Motiv der Nächstenliebe), aber leider habe ich nicht die Kraft, meine gesamte Lebensexistenz darauf aufzubauen. Es gäbe mir einfach nicht genug (das ist natürlich egoistisch von mir).

Mehrfach wurde angesprochen, dass mir das Leben offen steht, um etwas daraus zu machen. Das stimmt. Hier liegt aber möglicherweise eines der Hauptprobleme: Ich weiß nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll.

[Noch eine kleine Anmerkung @ Elladana: Ich muss hier meine Kollegen aus dem Bereich klinische Psychologie etwas in Schutz nehmen. Ersten glaube ich nicht, dass sie auf ewig krank bleibende Patienten angewiesen sind, da es fast überall Wartelisten auf Therapieplätze gibt. Zweitens freuen sich auch die Therapeuten über beruflichen Erfolg, also wenn sie tatsächlich einem Patienten helfen können.]

Lieber Gruß, PsySci
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Mehrfach wurde angesprochen, dass mir das Leben offen steht, um etwas daraus zu machen. Das stimmt. Hier liegt aber möglicherweise eines der Hauptprobleme: Ich weiß nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll.

Es sieht so aus, als wäre das tatsächlich die Hauptsache. Denn die Frage nach dem Sinn im Leben stellt sich dann, wenn man Zeit dazu hat, diese Frage zu stellen. Das mein ich jetzt nicht negativ, aber ein Mensch, dessen Existenz hauptsächlich davon bestimmt wird, von einem Ereignis zu nächsten zu hetzen (egal ob das jetzt beruflich oder privat wäre), hat gar keine Zeit, sich diese Fragen zu stellen.

Walter hat schon Viktor Frankl erwähnt. Da Du vom Fach bist, wirst Du seine Bücher sicher gut kennen. Wie stehst Du zu seinen Ansichten?

Hier gehts ja darum, nicht den Sinn zu "suchen", sondern es läuft eher umgekehrt: Das Leben stellt Dir Fragen und Du antwortest.

Jedes Problem ist eine Aufgabe, eine Frage des Lebens an Dich. Und durch die erfolgreiche Lösung beantwortest Du diese Frage.

Und das Leben ist eine Aneinanderreihung von Fragen, die Dir gestellt werden. Und wenn Du alle Fragen bestmöglich beantwortet hattest (=Aufgaben/Problem gelöst hast), dann bist Du möglicherweise am Ende Deines Lebens in der Situation, dass Du von Dir selbst behaupten kannst, Dein Leben sei SINNHAFT gewesen.

Frankl meint - zumindest interpretiere ich das so - dass der Sinn des Lebens darin besteht, lauter kleine oder auch große Aufaben zu lösen. Und genau diese Trivialitäten, die sie sein können (oder auch nicht), machen letztendlich das aus, wonach der Mensch sucht: den Sinn.

Es ist jetzt vielleicht oberflächlich betrachtet, aber ich denke, die Generationen vor uns hatten vielleicht nicht diese Probleme, die wir heute haben. Wenn Deine Existenz nur gesichert ist, wenn Du von morgens bis abends schuftest, um Dein Überleben und das Deiner Angehörigen zu sichern, so stellte sich diese Frage nicht. Denn Dein Leben war "ausgefüllt" - womit auch immer.

Du hast in Deinem Beitrag die Möglichkeit angesprochen, Menschen zu helfen. Ich denke, dass die Aktion, anderen Menschen zu helfen, auch (vielleicht sogar in erster Linie) einem selbst hilft. Ich war jahrelang Sanitäter bei der Rettung und hab mich in den vielen Nachtdiensten auch mit den Motiven von mir und meinen Kollegen auseinandergesetzt.

Da gabs die unterschiedlichsten Gründe, warum die Menschen freiwillig und unbezahlt (in Österreich) die Nächte bei Verkehrsunfällen oder Herzinfarkten verbringen. Ich möchte sie jetzt gar nicht alle aufzählen, darum gehts vordergründig nicht. Aber hintergründig stand bei jedem einzelnen Motiv das "Gebrauchtwerdenwollen" oder "Gesehenwerdenwollen" im Raum.

Den Platz in der Gesellschaft zu finden, Gebraucht zu werden, wichtig für irgendwen zu sein, das bietet Sinn.

Menschen, die nicht (mehr) gebraucht werden, sterben viel früher, als Menschen, die im Alter innerhalb einer Familie einen wichtigen Job innehaben. Fazit: Wer gebraucht wird, lebt länger.

Viktor Frankl beschreibt das in einem seiner Bücher (ich weiß nur leider nicht mehr in welchem) mit dem Beispiel des krebskranken Großvaters, zu dem er gerufen wird, weil dieser aufgrund seiner Erkrankung schwerste Depressionen hat und die Familie das Schlimmste befürchtet.

Er bringt im Gespräch mit dem Großvater ihn wieder auf seine Rolle - die des Familienoberhauptes. Und er Großvater erkennt ihn, den Sinn, den letzten Sinn, den er in diesem Leben noch finden kann: Den Angehörigen, seinen Kindern und Enkelkindern zu zeigen, wie man mit dieser Erkrankung als Familienoberhaupt in Würde und mit Stolz sterben kann.

Und ab da ist er wieder er selbst, gut gelaunt und meistert seine Zeit.

Es geht immer darum, den Sinn einer Situation zu erkennen, das meint Frankl. In jeder Situation steckt eine Aufgabe, eine Frage eben, die uns das Leben gerade stellt.

Ich kenne viele Menschen, die nicht glücklich werden können, weil ihnen das, was das Leben zu bieten hat, zu trivial erscheint.

Ich war z.B. nach den Nachtdiensten manchmal, wenn viele Einsätze waren, die "gut" verlaufen sind, wie auf Drogen. Sinnerfüllt, weil ich eine Blutung stillen oder auch nur, weil ich Schlimmeres verhindern konnte. Ich hatte etwas GETAN. Das war für mich Sinn.

Aus der Distanz heraus gesehen ist dieser Job trivial. Man ist eine Nacht auf Achse, kümmert sich um ungustiöse Sachen und kann im Grunde genommen nicht viel bewirken - denn man ist nicht Gott (soferne es einen geben sollte). Es kommt eh so, wies kommen muss....

Unser Team hatte es einmal geschafft, einen Menschen mit Herzstillstand "zurückzuholen", er lebte wieder. Das war wie Kokain, für alle. Er starb vier Tage später am nächsten Herzinfarkt. Macht es überhaupt Sinn?

Von der Ferne aus betrachet, nein. Wenn Du in der Situation bist, ja.

Und so ist es mit vielen Dingen - betrachtet man sie "übergeordnet", ohne Kontakt zu der eigentlichen Situation, erscheint sie sinnlos.

Geht man direkt in so eine Situation hinein, AGIERT, so erschließt sich der Sinn.

Möglicherweise beschränkst Du Dich in Deinem Leben auf die Rolle des übergeordneten Betrachters, der von der Ferne aus denkt. Ist jetzt nur eine Vermutung, muss nicht stimmen.

Diese Rolle birgt die Gefahr, dass eben alles in der Sinnlosigkeit enden muss, was man "zerdenkt". Weil man denkt, statt zu leben.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Hallo!

Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich wohl jeder (mal).
Wenn ich down bin kommt die Frage immer verstärkt hoch.

Ich denke dann immer der Tag hat 24 Stunden,8 Stunden arbeiten,8 Stunden schlafen,8 Stunden bleiben für privates bzw. Haushalt schmeißen,für sich sein oder auch mit Familie und Freunden,wobei diese Zeit sehr knapp ist.

Oder man muß halt andere Probleme bewältigen,heutzutage belastet mich auch sehr wie soll es weitergehen wenn immer weiter alles teurer wird und der Lohn steigt nicht!

Oder eben private Dinge in Bezug auf den Partner,Konflikte mit anderen Personen,jeder vertritt seinen Standpunkt und wenn ich das mal tue bin ich gleich die Böse...das beschäftigt einen dann auch noch in der knappen Freizeit die man doch eigentlich genießen und Spaß haben sollte.

Oder Erledigungen für die man keine Zeit hat,und wenn man Zeit hat aber keine Lust,weil man ja auch einfach mal die Seele baumeln lassen will,in dieser schnell lebigen Zeit echt schwierig.

Das "Gebraucht werden" spielt eine sehr große Rolle.Am Arbeitsplatz versucht man auch menschlich zu bleiben,über privates erzählen,auch Spässken zu machen.
Andererseits bin ich am Arbeitsplatz ersetzbar,als Arbeitskraft aber nicht als Mensch,deshalb möchte man als Mensch wenigstens "unersetzbar" sein und steckt da auch Energie rein.

Wenn ich von Freunden um Rat gefragt werde,wenn es dann heißt "mit Dir kann ich am Besten darüber reden",da freut man sich auch drüber,man wird gebraucht in dem Moment.

Ich bin auch nicht besonders religiös,als Kinder wurden wir gleich mit in die Kirche genommen und es gab Jugendgruppen,Zeltlager,Ausflüge usw...das gute Gefühl dabei war einfach die Gemeinschaft und gut behütet zu sein.

Ja und mittlerweile versuch ich einfach das beste draus zu machen,gesellige Momente zu genießen,sich später noch daran erinnern,den Menschen die mir etwas bedeuten das auch ab und zu zu sagen daß sie mir wichtig sind,das geht nämlich im Alltag auch oft unter.

Lieben und geliebt zu werden ist eigentlich für mich der Sinn des Lebens,aber die Zeit dafür und die Menschen sind leider auch begrenzt,
früher wollt ich es immer allen anderen recht machen,heute will ich es auch MIR recht machen,denn es ist MEIN Leben.
Freue mich über die die mich begleiten möchten und umgekehrt.
Man kann nunmal nicht jeden leiden und umgekehrt,es gibt wenige mit denen man wirklich harmoniert,aber das weiß ich dann auch zu schätzen.

Ja vielleicht auch etwas wirr gerade aber das sind meine Gedanken dazu.
 
AW: Unzufrieden mit Biologie des Menschen

Ach ja,und wenn ich sehe was auf der Welt alles passiert,wieviele "kranke" grausame Menschen,Ungerechtigkeit es gibt usw...
dann sag ich meistens:
Ich glaub ich bin falsch auf diesem Planeten!
 
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Hallo!

Ja, dass man auf seinem Gebiet erfolgreich sein möchte das kann ich nachvollziehen. Es war etwas provokant - das weiß ich ...

Ich glaube nicht, dass es für mich je eine Antwort auf die Frage des Lebenssinns geben kann, da diese, meiner Meinung nach, nur mit religiösen Motiven beantwortet werden kann. Ich bin ein zutiefst NICHT religiöser Mensch.

Diese Antwort wird kein Mensch ausserhalb, in Büchern, Religionsschriften oder so finden. Das Leben an sich hat keinen bestimmten Sinn. Wir leben, wir sind hier und damit pasta. So wie eben es eben Tiere, einen Baum und andere Lebensformen und Lebenewesen gibt ...

Ein Baum ist ein Baum - ein Tier ist ein Tier - diese Lebensformen leben sich so wie sie sind. Ein Mensch ist ein Mensch - dieser hat allerdings die Möglichkeit seinem Leben einen Sinn zu geben! Darin liegt der entscheinde Unterschied. Der Wunsch nach einem Lebensinhalt, nach einem Sinn im Leben zeigt ja bereits deutlich auf dass es erfüllend und damit erstrebenswert ist dies zu tun.

Zwar gibt es religiöse Motive, die ich sehr erstrebenswert finde, wie z. B. anderen Menschen zu helfen (das Motiv der Nächstenliebe), aber leider habe ich nicht die Kraft, meine gesamte Lebensexistenz darauf aufzubauen. Es gäbe mir einfach nicht genug (das ist natürlich egoistisch von mir).

Selbstverständlich kann ich vollens nachvollziehen, dass Du keine andere Menschen im obigen Sinne helfen kannst wenn Du selbst Probleme hast; woher solltest Du die Kraft nehmen?

Das ist aber auch nicht notwendig. Und es ist auch nicht notwendig an eine bestimmte Religion zu glauben ...
Es geht eher darum sich als GANZES Wesen wahr zu nehmen. Wir sind nicht nur unsere Gedanken, wir sind nicht nur unsere Triebe, wir sind nicht nur unsere Gefühle. Wir sind all das - und es kann sehr bereichernd sein diese Bereiche bei sich selbst zu beobachten, zu erforschen, diese Bereiche in Einklang zu bringen kann sehr spannend sein.

Probleme sind dazu da, damit sich der Mensch mal mit sich selbst auseinander setzt.

Es ist eine überaus schöne Erfahrung in seiner Mitte zu sein - es ist regelrecht lebensverändernd aus dieser Mitte heraus auf andere zu zu gehen - Menschen reagieren anders, selbst steht man anders zu sich - die Einstellung (und damit die Gendanken) ändert sich, die innere Haltung wird offener, toleranter ist nicht mehr so geprägt von Vorurteilen und Bewertungen (also nicht mehr so kopflastig). Die Existenz eines seelischen Herzens wird erfahrbarer weil der eigene Wesenskern mehr zu tage treten kann.

Die Probleme die Dich (und auch mich) zeitweise balsten treten in den Hintergrund. Diese werden in einer angemessenen Relation betrachtet; denn wir sitzen nicht in einem Rollstuhl, wir müssen nicht verhungern, leben nicht auf der Straße; der Mensch kann sein Leben wieder schätzen, sich daran erfreuen.

Lieber PsySci, wir sind gesegnet! Ob Du nun an Gott glaubst oder nicht - nehmen wir aber nur mal kurz an es gibt ihn - WAS um Himmels Willen sollte er noch für Dich / Mich tun? Nur weil wir keine entsprechenden Partner fürs Leben finden; das kann ja wohl kein Grund sein das Leben weg werfen zu wollen.

Zu dem hast Du die Möglichkeit aus Deinem Leben etwas zu machen - anders wie ein Tier hast Du die Möglichkeit Menschen kennen zu lernen, Dich weiter zu bilden, Deinen Horizont zu erweitern, an Deinen Mängeln zu arbeiten. Du bist als mensch damit nicht Gefangener Deiner Situation, nicht Gefangender Deiner Muster, nicht Gefangender Deiner Herkunft etc.

Du weißt selbst am besten (hast Du doch in diesem Bereich zu tun), dass es möglich ist all dies (Glaubenssätze, Muster, Herkunftsstrukturen etc.) abzustreifen. Stellen denn Probleme und leidvolle Gedanken in Deinem Leben einen Lebensinhalt dar? Wenn ja solltest Du Dich fragen - möchte ich diesen Lebensinhalt bei behalten oder nicht. Du bist der jenige der Deinem Leben den Inhalt gibt. Man kann sich seinen Lebensinhalt selbst wählen - man kann seinem Leben einen selbst gewählten Sinn geben - Du bist ein kreatives Wesen, kein Tier. Du hast schöpferische Möglichkeiten. Bekommst Du auf Grund Deiner Probleme viel Zuwendung? Wenn ja solltest Du Dich fragen ob Du die aus Deinen Problemen reultierenden Vorteile bereit bist aufzugeben.

Wenn Du wirklich willst, kannst Du auch glücklich sein.
Du wirst nicht immer glücklich sein - wie jeder Mensch - aber Deinen Grundpegel kannst Du anheben und das weißt Du.

Auch wenn ich eine andere Sprache verwende (Wörter wie schöpferische Kraft etc.) bin ich mir sicher, dass Du verstehen kannst was ich meine.

Ich wünsch Dir von Herzem - Kraft und Mut ES zu tun!
Daniele
 
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PS.: Sich selbst als Mensch einem Tier gleich zu stellen kann auch sehr praktisch sein - weil man dann alle Verantwortung die über ein Tier-Sein hinaus geht ablegen kann. Du wirst ja wohl nicht wirklich erfolgreich verleugnen können, dass wir als Menschen die Gabe zur Selbstreflektion haben.

Mach was aus dieser Natugegebenheit!

:)
 
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Und weil Du meinst - Du weißt nicht welchen Lebenssinn, welchen Inhalt zu wählen sollst ...

Es gibt Wissenschaftsgebiete noch und nöcher ...
So viele überaus interessante Forschungen -
Quantenphysik, neueste Erkenntnisse in der Medizin, Astronomie und und und

Es gibt kulturell vielleicht etwas was Dich anspricht ...
auch hier gibt es so viele Gebiete ...
Musikrichtungen, Theater, Schauspiel, Malerei und und und

Bist Du politisch interessiert ... was auch immer ...

Es gibt beinahe zu allen Interessensgebieten Foren - es ist lebendiger dort zu lesen als nur mit einem Buch zu Hause zu sitzen. Man kann sich an den dortigen Gesprächsrunfen zu beteiligen.

Dir machen Sprachen Spaß - gut! - dann lern eine und fahr in dieses Land ...

Möchtest Du Dich körperlich betätigen? Es gibt bestimmt wenigstens EINE Sportart die Dich anspricht.

Es ist hundert und tausend mal gescheiter ein SUCHENDER zu sein als ein Leidender zu bleiben.

Es iist auch durchaus legitim und erlaubt sich ein ganzes Jahr mit einem Thema und den dazugehörigen Menschen zu beschäftigen, die einem dann letztlich doch liegen ... Dann war es ein spannendes und interessantes Jahr !!!!

Weil eben viele Menschen nach dem Sinn in ihrem suchen studieren sie religiöse Schriften, philosophische Werke usw. Auch das kann interessant sein. Es ist ja keiner verpflichtet das anzunehmen was da geschrieben steht ... das nachzumachen was ein anderer tut - aber es ist lässig sich die vielen verschiedenen Leuts und Inhalte anzuschauen.

Ich kann Dir versichern, ich wünsche Dir dass Du letztlich auch für Dich fündig wirst; wenngleich das erst mal gar nicht so im Vordergrund steht - für den Anfang.

Der Zeitpunkt kommt dann schon wo einem die Sucherei auf den Wecker geht - und dann entscheidet man sich eh.

GlG !
 
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Hallo PsySci,

Ich glaube nicht, dass es für mich je eine Antwort auf die Frage des Lebenssinns geben kann, da diese, meiner Meinung nach, nur mit religiösen Motiven beantwortet werden kann. Ich bin ein zutiefst NICHT religiöser Mensch. Zwar gibt es religiöse Motive, die ich sehr erstrebenswert finde, wie z. B. anderen Menschen zu helfen (das Motiv der Nächstenliebe), aber leider habe ich nicht die Kraft, meine gesamte Lebensexistenz darauf aufzubauen. Es gäbe mir einfach nicht genug (das ist natürlich egoistisch von mir).

Ist für dich Spiritualität = Religiösität?

Vielleicht lehnst du die Religiösität so sehr ab, dass du nicht in Betracht ziehst, dass es auch noch etwas anderes geben könnte...

Grüßle,
Ypsilon
 
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