2 drogensüchtige Brüder

Liebe pandora!

Dein Beitrag war so dicht und intensiv. Wie ich auch schon Michi gesagt habe,
ich bewundere sie und dich sehr dafür, dass ihr so offen sprechen könnt hier.
:blume:
Du schreibst
"Ich denke manchmal, ich hab zu fein eingestellte Sensoren"

Ich hoffe, das ist nicht deine ehrliche Überzeugung! Um all die Verletzungen,
die du erlitten hast, als solche wahrnehmen zu können, dazu bedarf es keiner
ausgeprägten Sensibilität. Kennst du das Buch "Die Erbsenprinzessin"? Spricht das Thema sehr schön an.

Wenn die Ursprungsfamilie so weit entfernt ist vom Idealbild, dann ist es
naheliegend, dass du dich minderwertig fühlst. Aber du solltest dir vor Augen halten:
Deine eigene, gegenwärtige Familie hat keine Schuld, auch wenn die
Verstrickung da ist. Du leugnest deine Herkunftsfamilie ja nicht, du sprichst
nur nicht gerne darüber. Das ist ein Unterschied. Wenn du dich anderen
gegenüber öffnest und die Menschen reagieren eigenartig, dann nur deshalb,
weil sie nicht damit umgehen können. Dieses Unvermögen kannst du getrost
bei ihnen lassen, es hat nichts mit dir zu tun. Außerdem glaube ich, dass
die Menschen auch daran erinnert werden, dass auch sie (die meisten
wenigstens) ihre "Leichen im Keller" haben. Jeder, der glaubt, mit Entrüstung reagieren zu müssen, macht sich zum Richter und glaubt, dass er mit seiner
Entrüstung automatische die "gute" Seite einnimmt. Vergiß es, der moralisch erhobene Zeigefinger steht niemandem zu.
Und ich denke mir, dass die "Leute" dir (auch unausgesprochene) Bewunderung zukommen ließen dafür, dass du dich aus dem Sumpf rausgezogen hast. Das soll dir mal einer nachmachen, bevor er urteilt!

("Urteile nie über einen Menschen bevor du nicht eine Meile in seinen Schuhen gelaufen bist" ...) Das ist natürlich nicht praktizierbar, jeder lebt
sein eigenes Leben, aber du weißt, was ich damit sagen will.

Das mit der sexuellen Belästigung als Kind erwähnst du fast beiläufig. An solchen Erlebnissen zerbrechen andere, ohne dass noch so viel dazukommt wie bei dir. Du musst eine enorme innere Stärke haben, darauf kannst du
stolz sein!

Die Schuldgefühle deiner Mutter gegenüber sind dann nachvollziehbar, wenn sie sich selbst zum Opfer degradiert hat. Und das hat sie. Schuldgefühle sind ein enormer Katalysator. Es ist einfach zu simpel zu sagen, dass du die
Schuldgefühle auflösen musst. Das musst du unbedingt für dich tun, aber
das ist keine einmalige Entscheidung, sondern ein Prozess.

Was dein Vater dir angetan hat, das ist einfach nur schlimm. Das hat Narben auf deiner Seele hinterlassen. Aber auch Narben kann man behandeln, sodaß sie nicht mehr so hässlich sind. Ich meine damit: dein Vater lebt ja noch.
Vielleicht kannst du ihn ja damit konfrontieren, wie sehr er dich verletzt
hat? Du hast das uneingeschränkte Recht, deine Wut zum Ausdruck zu
bringen.
Du darfst dir nicht zu gut sein, um böse zu sein.
Eventuell wäre das ein Schritt in die Richtung des Vergebens.

Ich finde es beachtlich und wichtig, wie analytisch du die ganze Vergangenheit angehst (Probleme einzeln anschauen). Irgendwann wird
wahrscheinlich aus den einzelnen Mosaiksteinchen ein Bild, mit dem du gut leben kannst.
Du gibst dir so viel Mühe, zu verstehen. Im Grunde genommen verstehst du auch nachträglich deine Mutter, indem du auf Ihre Herkunft aus der Armut "siehst".

Das waren für jetzt meine Gedanken.
Ganz liebe, wenn auch verregnete, Grüße
aus Österreich,
Karin :regen:
 
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Liebe Karin

Danke, dass du dir die Zeit nimmst, mir so ausführlich zu antworten. Deine Antworten kommen mir sehr kompetent rüber. Befasst du dich auch sonst privat oder beruflich mit solchen Themen?
Das, was mein Vater mir angetan hat, habe ich für mich unter "Vergangenheit" abgelegt. Ich hätte nicht die Kraft, alte Wunden aufzureissen und ihn damit zu konfrontieren. Ich habe mir die Beziehung zu ihm so eingerichtet, dass es für mich so stimmt. Ich mache für ihn einmal pro Jahr die Steuererklärung und telefoniere ihm einmal die Woche. Das ist alles. Er wohnt alleine, kocht, wäscht, kauft ein und macht alles alleine. Er ist 77 und solange er das kann, lasse ich ihn gewähren. Wenn er es mal nicht mehr rafft, stecke ich ihn in ein Altersheim. Basta. Dies tönt wahrscheinlich sehr lieblos und brutal, aber es zeigt auch auf, was ich für ihn empfinde. Darum kann ich irgendwie mit dieser Geschichte leben. Ein paar Jahre bevor meine Mutter gestorben ist, hat sie mich aufgefordert, ich solle schauen, dass meine Töchter von meinem Mann nicht missbraucht werden. Ich war immer sensibilisiert von meiner Geschichte her und hatte niemals einen Grund, meinem Mann Misstrauen entgegen zu bringen. Ich habe ihm dies nie erzählt, ich schäme mich fnoch heute für meine Mutter. Sie, die in der eigenen Familie eine solche Geschichte hatte und nichts bemerkt hat! Ich habe dieses Thema (nicht meine Geschichte) mit meinen Töchtern und meinem Mann zusammen oft diskutiert Dies war, unter vielen anderen Themen, auch ein Thema, das bei uns in der Familie diskutiert wurde. Irgendwie ist mein Wunsch, dass ich mit meinem ganzen Rucksack einfach in Frieden leben kann und ihn nicht mehr als so schwer empfinde. Ich habe einfach Mühe mit so vielen Geheimnissen rumlaufen zu müssen. Andere Leute können von ihrer Familie und von ihren Geschwistern erzählen. Ich habe einfach nichts zu erzählen. Ich bin dann einfach ruhig. Wenn ich dann gefragt werde, sage ich jeweils, ich habe keinen Kontakt zu meinen Geschwistern. Ich möchte nicht bei allen die Aufmerksamkeit auf mich lenken und sagen, meine beiden Brüdern leben nicht mehr. Sie waren drogensüchtig. Es gibt Tage, da kann ich befreit durchs Leben schreiten und mir sagen, ok, wenn meine Brüder nicht gewusst haben, wie man richtig lebt, muss es nicht sein, dass ich es auch nicht darf. Aber an anderen Tagen kommen soviel "Warums?" und "Wiesos?" usw.
Liebe Karin, ich wünsche dir einen schönen Abend.
Liebe Grüsse
pandora
 
Liebe pandora,

Ich würde mich auch gerne weiter austauschen.
das mit dem einzeln zurechtlegen kriege ich noch garnicht richtig hin. Kaum wende ich einem meiner Themen zu ´ists als schreien alle anderen ich zuerst nein nimm mich erst drann. Es ist grauenhaft.
mal sehen was in meiner Therapiestunde morgen abläuft.
ich melde mich wieder.
Alles liebe
und weiterhin viel Kraft und Mut
Liebe Grüsse
Michi
 
Hallo zusammen

Endlich ist wieder Wochenende. Ich habe heute den ganzen Tag gearbeitet. Arbeiten ist für mich wie Therapie. Da bin ich auf meine gegebene Arbeit fokussiert und kann meine Probleme ein bisschen ruhen lassen. Manchmal tut es auch gut, die ganze Bagage wegzustellen und von einer anderen Seite zu beobachten. Dann kann man sie wieder hervorholen und wieder daran werkeln. Manchmal gelingt mir dies gut und manchmal habe ich das Gefühl, das ganze Chaos stürze über mich zusammen. Irgendwie muss ich dann zu mir selber "Stopp" sagen. Gerade heute wurde ich über Mittag von einem Mitarbeiter gefragt, wie ich dies mit meinem Vater handhabe, ob wir Geschwister uns abwechseln, wie er es ebenfalls in seiner Familie mache. Ich hatte nicht den Mut am Mittagstisch vor allen zu sagen, meine beiden Geschwister leben nicht mehr, ich kümmere mich alleine um meinen Vater. Ich habe lediglich gesagt, ich hätte keinen engen Kontakt zu meiner Familie und hätte zu meinem Vater auch nur den nötigen Kontakt. Das meine ich jeweils, wenn andere von ihren Familien sprechen. Die haben dann immer so nette und lustige Sachen zu erzählen oder auch interessante. Ich sitze dann einfach da und denke mir, dies habe ich nie erlebt. Dies wurde nie gewünscht, diese Scheissdrogensucht macht eine ganze Familie kaputt. Und dann muss ich mich jeweils zurücknehmen und denken, ich muss akzeptieren wie es bei mir ist und was ich habe und mit dem zufrieden sein.
Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende.
Liebe Grüsse
pandora
 
Liebe pandora,

du schreibst in einem deiner Beiträge so schön dass du dir wünschst mit deinem ganzen Rucksack irgendwie in Frieden zu leben und er leichter wird.

Sofort hatte ich den Gedanken schreib ihr: setz in ab und stell ihn weg.

Und heute schreibst du dass du die Bagage zwischendurch weg stellst und dann wieder hervorholst um daran zu werkeln
Brauch ich dir also meinen Gedanken nicht mehr schreiben.

Zu dem Leichterwerden. Habe eben noch mal alle Beiträge durchgelesen. Und ich möchte dir meine Gedanken dazu mitteilen.
Du schreibst ja, dass Mutter und Brüder tot sind. Also Kontakt nur noch in „Gedanken im Herzen „ möglich.
Zu deinem Vater , für mich absolut nachvollziehbar, nur noch den nötigsten Kontakt.

Wen verletzt du denn eigentlich noch wenn du dich beim nächsten Mal darauf einlässt, wenn du wieder gefragt wirst, „einfach“ sagst: Meine Brüder sind verstorben.
Sollte jemand wirklich wissen wollen woran kannst du ja wählen
- die tatsächliche Todesursache benennen oder
- möchte ich nicht drüber sprechen, zu persönlich oder oder oder
Wer dann noch weitere Fragen stellt hat wahrscheinlich echtes Interesse an dir und möchte dir dein Mitgefühl aussprechen.

Manchmal habe ich es dann erlebt, das sich Menschen dann auch mitteilten, plötzlich war ihre ach so Heile Welt gar nicht mehr so heile, sie waren froh endlich mit jemanden drüber reden zu können. Weil viele durch ihr heile Weltimage gar nicht die Möglichkeit haben sich echt auszutauschen.

Das Ganze hätte aus meiner Sicht mehrere Vorteile für dich. Zum einen wärest du einige der Lasten aus deinem Rucksack los.
Du würdest für dich besser anerkennen können wie die Situation tatsächlich ist.
Du könntest unbefangener mit Kollegen umgehen da du nicht mehr unbewusst befürchten müsstest dass dich jemand auf deine Brüder anspricht.
Es wäre eine enorme Erleichterung für dich.

Eine weitere Möglichkeit sähe ich darin für dich, natürlich nur wenn das für dich vorstellbar ist, dass du dich mit deinen Brüdern aus tauscht. Du könntest dir vorstellen das sie bei dir sind (im Herzen) und du mit ihnen redest. Ihnen alles sagst was dich bewegt und wie es dir damit geht. Und all das was du ihnen zu Lebzeiten nicht sagen konntest.
Und natürlich auch deine Wut und Zorn aber auch deine Liebe und Mitgefühl.

Ebenso könntest du deiner Mutter alles mitteilen was du möchtest, und dass du nicht länger ihren Befehl des Schweigens einhalten wirst.
Nicht nur weil er grausam und unsinnig ist sondern weil er dich über ihren Tod hinaus unnötig belastet.
So wie ich das sehe hält dieser Befehl nur deine Schuldgefühle am leben und du hast eigentlich nicht wirklich die Möglichkeit mit der Vergangenheit abzuschließen.

Wenn du das mit dem Im Herzen sprechen praktizieren kannst kommst du irgendwann an den Punkt des Vergebens und das ist dann richtig befreiend für dich.

Ich dachte mal, das ich an einem besonders schweren Punkt meines Lebens das Vergeben geschafft hätte, habe aber die Wut und den Ärger nie zugelassen und musste dann frustriert feststellen haut nicht so einfach hin mit dem Vergeben.
Versuch es aber wieder, nur diesmal erlaube ich mir, und hoffentlich kneife ich nicht wieder auch die Wut auszuleben.


Ich habe ja nun wie ich schon mitteilte liebe Menschen durch unnatürlichen Tod verloren.
Nicht nur das mir das bis heute sehr zu schaffen macht. Es ist durch das Schweigen nicht möglich eine gesunde Trauerarbeit zu machen.
Zu den Fragen warum wieso, kommt / kam bei mir, das ich mit meiner Trauer völlig isoliert und alleingelassen war.

Ich kann es allerdings völlig verstehen dass du keinen Mut dazu hattest es bei Tisch deinen Kollegen zu erzählen.
Kann auch sein das du nie den Mut dazu hast oder das es für dich nicht in Frage kommt aus deinen persönlichen Gründen.
Dann würde ich mich für dich freuen wenn du dann, auf das nicht Mut haben, so richtig stolz sein könntest und das für dich anerkennen könntest.
Denn dazu gehört auch sehr viel Mut und Kraft das Familiengeheimnis weiter zu bewahren.

Habe auch ein Familiengeheimnis das nicht angesprochen werden darf von mir. Und die Geheimnisse die bekannt sind dürfen natürlich auch nicht angesprochen werden.
Grrr, und am Wochenende ist Familientreffen.
Mach drei Kreuze wenn ich das hinter mir habe.



Liebe pandora ich wünsche dir eine gute Zeit mit deiner Familie.
Liebe Grüsse
Michi
 
Liebe Michi

Ganz, ganz herzlichen Dank für deine mitfühlenden Worte und dass du dich mit meinem Problem auseinandersetzt. Es hat einige ganz interessante Aspekte dabei. Das mit dem Schweigen und dass dies ein zusätzlicher Balast ist, den man herumträgt, das stimmt. Es verhindert tatsächlich eine normale Trauerarbeit. Mit der Trauer bin ich total alleine. Es fällt mir besonders schwer bei Kollegen, die ab und zu schon nach meinen Brüdern gefragt haben und die ich jeweils ja angelogen habe. Wie soll ich ihnen dies erklären. Sonst bin ich nämlich nicht so. Ich bin eher offen und kann auch über meine Probleme sprechen oder über Erziehungsprobleme usw. Ich bin auch überhaupt nicht der Typ, der um meine jetzige Familie eine Scheinharmonie aufstelle. Wir leben ein sehr transparentes Leben und meine Töchter auch. Aber was dieser Punkt mit meinen Brüdern anbelangt, da habe irgendwie den Schritt nicht oder noch nicht gemacht. Ich bin auch sehr ambivalent in dieser Beziehung. Ich könnte wildfremden Leuten eher von meiner Familiegeschichte erzählen als Bekannten. Warum weiss ich nicht. Es ist klar, dass ich mit fremden Menschen emotional natürlich nicht so eng verbunden bin. Aber eben, wenn ich dann mit Kollegen zusammen bin, besteht immer irgendwie eine Spannung meinerseits, da ich immer wieder Angst habe, jetzt kommt dann die berühmte Frage. Wie heute Nachmittag sind wir bei Bekannten eingeladen, die wir schon lange nicht mehr gesehen habe. Die werden bestimmt nach meinen Brüdern fragen und bin mir noch nicht sicher, was ich antworten soll. Es kommt dann auf die Situation draufan.
Liebe Michi, ich wünsche dir trotz allem ein schönes Familienfest und lass wieder etwas von dir hören.
Liebe Grüsse
pandora
 
Hallo liebe pandora, Michi, Rucola, tweety,

nur ganz rasch zwischendurch einen Hyperlink zum lesen:

http://www.pixelmania.at/user/Mentira

auf dieser Seite scrawlen bis "Danksagung"

Ich find's einfach schön.:blume:

Melde mich wieder,
viele liebe sonnige Grüße aus Österreich,
Karin
 
Liebe Karin
Herzlichen Dank für den Link. Ich habe das Gedicht "Danksagung" gelesen und es hat mich sehr berührt und ich fühle mich auch ein wenig getröstet. Ich wünsche dir ebenfalls ein schönes Wochenende.
Liebe Grüsse aus der Schweiz
pandora
 
Liebe pandora,

es freut mich, dass dir die Worte der "Danksagung" ebenso gefallen haben
wie mir. Auf mich hatten sie auch eine tröstliche Wirkung.

Gestern habe ich an dich gedacht in einer konkreten Situation. Es war eine
ungeplante Begegnung, die einfach so "richtig" war. Ich war alleine im Café,
da ergab es sich, dass sich die Lehrerin meiner älteren Tochter (zu der ich
keinen Kontakt habe) zu mir gesetzt hat, später dann eine Bekannte (ich
kenne sie auch über meine Kinder). Letztere ist ein sogenanntes "Mitglied der angesehenen Gesellschaft" in unserer Stadt, Unternehmerin, äußerlich all diesen Kriterien entsprechend, außerdem ist sie ein feiner Mensch, die Lehrerin
ebenso. Im Laufe des Gespräches kamen wir auf meine Kinder zu sprechen,
ich fing an zu weinen, was mir normalerweise nicht passiert, da ich ziemlich
diszipliniert bin. Egal, so nach und nach erzählte sie dann, dass ihr Bruder
Alkoholiker war und sich im Rausch das Leben genommen hat (erst vor kurzem). Und dass ihr Schwager an den Folgen seiner Alkoholkrankheit an
Leberzirrhose gestorben ist.
Nie im Leben wäre ich draufgekommen, dass diese Frau keine "perfekte" Familie haben könnte. Und gerade deshalb hat es mir tiefen Respekt abgerungen, wie offen sie darüber sprach.
Sie hat auch noch etwas wichtiges gesagt (das hat auch Michi oben schon angesprochen): nämlich dass sie die WUT hin und wieder zulassen muß. Aus
diesem Grund geht sie öfters in den abgeschiedenen Wald - und schreit
einfach, schreit was nur geht. Die Lehrerin, ein absolut lebensnaher und
freundlicher Mensch, sagte dann, dass sie das mit dem lauten Schreien
auch oft praktiziere, gegen all den Familien-Frust, der auch hinter ihrer
"perfekten" Fassade steht.
Ich war einfach nur beeindruckt und habe mir vorgenommen, in den nächsten Tagen in den Wald zu gehen, ganz tief hinein, zum Schreien!

Liebe pandora, du hast wirklich NICHTS zu verlieren, wenn du dich "outest",
glaub mir. Ich erwähnte es ja schon mal, ich bin mir sicher, die sogenannten
"Leute" würden innerlich den Hut vor dir ziehen. Ich habe mich hier in
unserer Kleinstadt auch gewissermaßen ge-outet, und bin auf so viel
Verständnis und Mitgefühl gestoßen, dass mir das echte Kraft gegeben hat.

Zum Annehmen eines Menschen, also in diesem Fall deine Brüder und deine
Mutter, gehört das ganze Spektrum der Emotionen, die diese Menschen in
dir wachrufen, also auch Wut.
Ich möchte hier nicht überheblich wirken, denn mir gelingt das auch erst mal
in kleinen Schritten, aber es ist gut, so wie es ist.

Vielleicht gelingt es dir, das Schweigen deiner Mutter einfach als Übernahme
eines Musters zu verstehen - sie konnte nicht anders sein, als sie war.

Habe ich dir schon gesagt, wie sehr ich deine Tätigkeit in einer psychatrischen Ambulanz bewundere? Du hast es täglich mit den Abgründen der Seele, mit Schmerz und Verzweiflung zu tun. Es ist bestimmt kein Zufall,
dass du genau dort "gelandet" bist!

Liebe Grüße für jetzt und
schönen trüben (nicht trübsinnigen) Nachmittag,
Karin
 
Liebe Karin

Danke für deine Worte. Ja, mit dem mich Outen, was meine Brüder betrifft, beschäftige ich mich sehr intensiv. Ich habe mir vorgenommen, beim nächsten Mal, wenn jemand nach meinen Brüdern fragt, einfach zu sagen, dass sie verstorben sind. Punkt, Schluss. Irgendwie habe ich dann Angst, dass ich dann einfach losheule und ich mich nicht mehr im Griff habe. Ich möchte die Leute eben nicht einfach mit meinem ganzen Elend brüskieren. Aber ich habe es mir vorgenommen. Die Situation muss dabei schon stimmen. Ich kann es einfach nicht bei einer ausgelassenen Weinrunde sagen, da stimmt es für mich einfach nicht. Gestern waren wir zu Besuch bei Bekannten, die wir schon länger nicht mehr gesehen haben. Irgendwie war ich total angespannt und wartete dauernd auf die Frage, wie es meinen Brüdern gehe. Sie haben jedoch nicht danach gefragt und einfach so erzähle ich es nicht. Ich habe einige Kolleginnen, die wissen Bescheid, bei denen ist es mir aber auch wichtig, dass sie dies wissen.
Was meine Arbeit in unserem Ambulatorium betrifft, frage ich mich oft, dass ich ausgerechnet hier arbeite. Ich war vorher auf einem Schulsekretariat und habe per Zufall das Stelleninserat in der Zeitung gesehen. Mit mir haben sich noch andere 124 Personen beworben, dass ausgerechnet ich ausgelesen wurde, ist mir heute noch ein Rätsel. Sonst habe ich eigetlich nie Glück, wenn es ums Auslesen geht, ich werde auf jeden Fall nie ausgelesen. Na, ja, einmal im Leben darf auch ich einmal Glück haben. Die Arbeit gefällt mir sehr gut, es macht mich zwar auch ein bisschen abgebrühter. Vielleicht brauch ich dies, um alles zu überstehen. Was mich einfach nach wie vor wütend macht, sind diese Drogensüchtigen, die ihre ganze Umgebung terrorisieren. Da bin ich einfach zu wenig nachsichtig und dies ist vielleicht auch nicht gut.
Ich möchte nicht indiskret sein, aber du schreibst, dass du anlässlich des Gesprächs über deine Kinder zu weinen begonnen hast, habe ich etwas verpasst, das du mir eventuell bezüglich deinen Kindern geschrieben hast und ich weiss es nicht mehr oder hast du Probleme mit deinen Kindern? Du musst mir nicht antworten, wenn du nicht willst. Ich möchte nicht aufdringlich sein.
Mir fällt es jeweils auch leichter, in einer Runde mich zu outen, wo ich merke, dass auch andere ihre Bürden zu tragen haben. Ich habe einfach Mühe, wenn meine Gesprächspartner auf "heile Welt" machen, dann verschliesse ich mich total.
Liebe Karin, ich wünsche dir trotz allem einen schönen Sonntagabend.
Liebe Grüsse
pandora
 
Liebe pandora,
da bin ich wieder:)
das Familienfest habe ich überstanden, es war nicht schön und alles andere als harmonisch.
Mein Mann hat es sehr treffend beschrieben.
Er "sah" die ganze Zeit, über dem Tisch an dem wir versammelt waren, eine große dunkle Wolke.
Und ich hatte das Bild vor mir. Eine gemütliche Runde oberhalb der Tischplatte und unter dem Tisch verdeckt das Große hauen und stechen.
Ich hoffe einfach mal das du verstehst was ich damit ausdrücken will.
Im Grunde wie das Bewahren des guten Scheins ,Heile Famile nach aussen hin und innen alles düster Grauenhaft. Absoluter Krampf.....

Über das allein sein mit der Trauer kann ich sagen dass es mir ebenso ergeht und zu einem späteren Zeitpunkt würde ich mich da gerne noch mit dir austauschen, wenn es dir recht ist.

Was du schreibst wegen deinen Kollegen die du angelogen hast. Und wie sie das wohl aufnehmen, wenn du mit ihnen sprichst.

Ich denke wenn du es schaffst ihnen beim Nächstenmal, wann immer das sein mag für dich, zu erzählen warum du nicht anders konntest, wegen der Versprechen an deine Mutter usw. werden sie es verstehen.

Und dann wird es dir auch besser gehen mit "dem Lügen" deinen Frieden zu finden.
Hättest du denn eine andere Wahl gehabt? Durch die Isolierung und das Schweigen konntest du doch garnicht anders handeln.
Es hätte dich völlig überfordert. Und ich sehe dieses Anlügen, wie du es genannt hast, als reine Schutzmaßnahme für dich und deine Seele.

Was das mit dem über deine Brüder sprechen mit deinen Kollegen, oder anderen Menschen in deiner Umgebung anbelangt kommt mir gerade noch eine Idee.
Du hast in deinem Beitrag gestern geschrieben:

Gestern waren wir zu Besuch bei Bekannten, die wir schon länger nicht mehr gesehen haben. Irgendwie war ich total angespannt und wartete dauernd auf die Frage, wie es meinen Brüdern gehe.

Wenn du magst, mal dir doch in Gedanken aus wie angenehm in Zukunft Treffen mit Bekannten und Kollegen sein können wenn du nicht mehr Angspannt sein brauchtst und auf "Die Frage" warten mußt.Unf fühl dich da mal rein wie schön das sein könnte.
Die unangenehmen Gefühle des Angspannt seins kannst du dir zum Vergleichen wieder in die Erinnerung zurück holen.

Zum Weinen möchte ich dir noch sagen dass es das heilsamste überhaupt ist was du dir erlauben kannst.
Ich habe Jahrzehnte gebraucht mir Tränen zuzulassen. Habe immer noch große Probleme es mir zu erlauben aber ich arbeite daran.Meine Therapeuten fragten mich einmal warum Lachen sie eigentlich immer genau dann wenn es besonders weh tut?

Ich finde es ganz toll von Karin dass sie dir Beispiele mit den beiden Frauen geschildert hat.
Es ist also tatsächlich so, dass oft keine Heile Welt vorhanden ist und der Schein trügt.
Ich könnte mir vorstellen das es den beiden Frauen und Karin richtig gut getan hat sich zu unterhalten.Auch wenn Tränen geflossen sind.
Das mit dem Schreien im Wald oder auch Zuhause haben mir meine Therapeuten auch empfohlen.
Leider kann ich das noch nicht umsetzten.
Alleine in den Wald könnte ich theoretisch, trau mich aber nicht alleine in Wald, wenn jemand mit geht, ginge es um nicht die Angst so zu spüren, aber dann wäre es für mich nicht mehr möglich mit dem Schreien. Naja und zuhause gehts schon wegen der Nachbarschaft nicht.
Ich werde aber bestimmt ein geignetes Mittel finden auch meine Wut "rauszuschreien".
So muß jetzt erst mal enden
Ganz liebe Grüße
Michi
 
Hi ihr Lieben!

Ich komme gerade vom Wald - und ich mußte vor meinem eigenen Ratschlag
kapitulieren. Es ist nicht gegangen, das mit dem Schreien, denn das wollte ich
tun.:escape:

Es war genau so, wie Michi es gesagt hat:
zum tief hineingehen habe ich mich alleine gefürchtet, und wenn ich es an einer exponierteren Stelle getan hätte, wäre wahrscheinlich die Rettung mit der Zwangsjacke aufgetaucht .....

Vielleicht war's aber einfach der falsche Wald.

Für jetzt erstmal liebe Grüße,
Karin
 
Hallo zusammen
Ich komme jetzt auch gerade vom Wald zurück. Zwar nicht vom Schreien, aber vom Joggen. Ich gehe jeweils mit 2 Kolleginnen 2mal die Woche joggen und dort kann ich auch viel Frust und Aggressionen abladen. Zudem gibt mir das Joggen auch ein bisschen mehr Selbstwertgefühl, das mir mit meiner Geschichte sonst schon ziemlich abhanden gekommen ist oder ich gar nie bilden konnte. Ich werde mich später wieder melden, gehe jetzt duschen.
Liebe Grüsse
pandora
 
Liebe pandora,

wie geht es dir inzwischen?
Ist dein Rucksack etwas leichter geworden?

Ich wünsche dir mit deiner Familie ein friedliches und harmonisches Osterfest.
Hoffentlich ohne Rucksack

Meld mich wieder,
liebe Grüsse
Michi
 
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Liebe Michi

Im Moment geht es so-so-la-la. Bei mir kann dieses "Rucksacktragen" stündlich ändern. Manchmal ist der Rucksack schwerer und manchmal fühlt er sich recht leicht an. Manchmal denke ich mir, ich sollte mich nicht einfach hängen lassen, weil ich 2 Brüder hatte, die nicht wussten, wie man das Leben richtig geniesst. Sie haben sich ja auch nicht gefragt, ob es mir angenehm sei, wie sie leben und was sie dauernd anrichten. Also, kann ich auch getrost fröhlich durchs Leben gehen. Dann kommt aber wieder die andere Seite, in der ich einfach nicht begreifen kann, warum es mich doppelt erwischt hat. Manchmal frage ich mich, was habe ich nur angerichtet, dass ich das alles durchleben muss. Ich weiss, so weit darf ich gar nicht fragen. Aber ich bin wirklich soweit, dass ich mich auf gar nichts mehr richtig freuen kann, denn im Hinterkopf denke ich dann immer wieder, es könnte ja schon wieder etwas passieren und dann ist alles wieder vorbei. Ich muss auch sagen, dass ich nie richtig gelernt habe, ein Urvertrauen zu haben. Immer war etwas. Entweder war die Mutter krank oder einer meiner Brüder baute wieder Mist oder einer lag wieder auf einer Intensivstation, weil von irgend etwas zu viel konsumiert wurde usw. Es war dauernd etwas. Und so getraue ich mich gar nicht, mich zurückzulehnen und zu denken, so könnte es weitergehen, so gefällt es mir. Dies ist wahrscheinlich auch naiv zu denken. Ich weiss es. So jetzt wird nicht mehr gejammert. Schliesslich habe ich jetzt 4 Tage frei. Heute hatten wir wunderschönes Wetter und ich machte mit meinem Mann einen Ausflug. Eigentlich war es herrlich, aber eben, im Hinterkopf ist immer diese leidige Familiengeschichte.
Liebe Michi, auch ich wünsche dir und deiner Familie ein schönes Osterfest und dass du trotzdem alles geniessen kannst, was es zu geniessen gibt.
Liebe Grüsse
pandora
 
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