Lucille
Well-Known Member
- Registriert
- 6 Februar 2006
- Beiträge
- 3.036
Liebe pandora!
Dein Beitrag war so dicht und intensiv. Wie ich auch schon Michi gesagt habe,
ich bewundere sie und dich sehr dafür, dass ihr so offen sprechen könnt hier.
:blume:
Du schreibst
"Ich denke manchmal, ich hab zu fein eingestellte Sensoren"
Ich hoffe, das ist nicht deine ehrliche Überzeugung! Um all die Verletzungen,
die du erlitten hast, als solche wahrnehmen zu können, dazu bedarf es keiner
ausgeprägten Sensibilität. Kennst du das Buch "Die Erbsenprinzessin"? Spricht das Thema sehr schön an.
Wenn die Ursprungsfamilie so weit entfernt ist vom Idealbild, dann ist es
naheliegend, dass du dich minderwertig fühlst. Aber du solltest dir vor Augen halten:
Deine eigene, gegenwärtige Familie hat keine Schuld, auch wenn die
Verstrickung da ist. Du leugnest deine Herkunftsfamilie ja nicht, du sprichst
nur nicht gerne darüber. Das ist ein Unterschied. Wenn du dich anderen
gegenüber öffnest und die Menschen reagieren eigenartig, dann nur deshalb,
weil sie nicht damit umgehen können. Dieses Unvermögen kannst du getrost
bei ihnen lassen, es hat nichts mit dir zu tun. Außerdem glaube ich, dass
die Menschen auch daran erinnert werden, dass auch sie (die meisten
wenigstens) ihre "Leichen im Keller" haben. Jeder, der glaubt, mit Entrüstung reagieren zu müssen, macht sich zum Richter und glaubt, dass er mit seiner
Entrüstung automatische die "gute" Seite einnimmt. Vergiß es, der moralisch erhobene Zeigefinger steht niemandem zu.
Und ich denke mir, dass die "Leute" dir (auch unausgesprochene) Bewunderung zukommen ließen dafür, dass du dich aus dem Sumpf rausgezogen hast. Das soll dir mal einer nachmachen, bevor er urteilt!
("Urteile nie über einen Menschen bevor du nicht eine Meile in seinen Schuhen gelaufen bist" ...) Das ist natürlich nicht praktizierbar, jeder lebt
sein eigenes Leben, aber du weißt, was ich damit sagen will.
Das mit der sexuellen Belästigung als Kind erwähnst du fast beiläufig. An solchen Erlebnissen zerbrechen andere, ohne dass noch so viel dazukommt wie bei dir. Du musst eine enorme innere Stärke haben, darauf kannst du
stolz sein!
Die Schuldgefühle deiner Mutter gegenüber sind dann nachvollziehbar, wenn sie sich selbst zum Opfer degradiert hat. Und das hat sie. Schuldgefühle sind ein enormer Katalysator. Es ist einfach zu simpel zu sagen, dass du die
Schuldgefühle auflösen musst. Das musst du unbedingt für dich tun, aber
das ist keine einmalige Entscheidung, sondern ein Prozess.
Was dein Vater dir angetan hat, das ist einfach nur schlimm. Das hat Narben auf deiner Seele hinterlassen. Aber auch Narben kann man behandeln, sodaß sie nicht mehr so hässlich sind. Ich meine damit: dein Vater lebt ja noch.
Vielleicht kannst du ihn ja damit konfrontieren, wie sehr er dich verletzt
hat? Du hast das uneingeschränkte Recht, deine Wut zum Ausdruck zu
bringen.
Du darfst dir nicht zu gut sein, um böse zu sein.
Eventuell wäre das ein Schritt in die Richtung des Vergebens.
Ich finde es beachtlich und wichtig, wie analytisch du die ganze Vergangenheit angehst (Probleme einzeln anschauen). Irgendwann wird
wahrscheinlich aus den einzelnen Mosaiksteinchen ein Bild, mit dem du gut leben kannst.
Du gibst dir so viel Mühe, zu verstehen. Im Grunde genommen verstehst du auch nachträglich deine Mutter, indem du auf Ihre Herkunft aus der Armut "siehst".
Das waren für jetzt meine Gedanken.
Ganz liebe, wenn auch verregnete, Grüße
aus Österreich,
Karin :regen:
Dein Beitrag war so dicht und intensiv. Wie ich auch schon Michi gesagt habe,
ich bewundere sie und dich sehr dafür, dass ihr so offen sprechen könnt hier.
:blume:
Du schreibst
"Ich denke manchmal, ich hab zu fein eingestellte Sensoren"
Ich hoffe, das ist nicht deine ehrliche Überzeugung! Um all die Verletzungen,
die du erlitten hast, als solche wahrnehmen zu können, dazu bedarf es keiner
ausgeprägten Sensibilität. Kennst du das Buch "Die Erbsenprinzessin"? Spricht das Thema sehr schön an.
Wenn die Ursprungsfamilie so weit entfernt ist vom Idealbild, dann ist es
naheliegend, dass du dich minderwertig fühlst. Aber du solltest dir vor Augen halten:
Deine eigene, gegenwärtige Familie hat keine Schuld, auch wenn die
Verstrickung da ist. Du leugnest deine Herkunftsfamilie ja nicht, du sprichst
nur nicht gerne darüber. Das ist ein Unterschied. Wenn du dich anderen
gegenüber öffnest und die Menschen reagieren eigenartig, dann nur deshalb,
weil sie nicht damit umgehen können. Dieses Unvermögen kannst du getrost
bei ihnen lassen, es hat nichts mit dir zu tun. Außerdem glaube ich, dass
die Menschen auch daran erinnert werden, dass auch sie (die meisten
wenigstens) ihre "Leichen im Keller" haben. Jeder, der glaubt, mit Entrüstung reagieren zu müssen, macht sich zum Richter und glaubt, dass er mit seiner
Entrüstung automatische die "gute" Seite einnimmt. Vergiß es, der moralisch erhobene Zeigefinger steht niemandem zu.
Und ich denke mir, dass die "Leute" dir (auch unausgesprochene) Bewunderung zukommen ließen dafür, dass du dich aus dem Sumpf rausgezogen hast. Das soll dir mal einer nachmachen, bevor er urteilt!
("Urteile nie über einen Menschen bevor du nicht eine Meile in seinen Schuhen gelaufen bist" ...) Das ist natürlich nicht praktizierbar, jeder lebt
sein eigenes Leben, aber du weißt, was ich damit sagen will.
Das mit der sexuellen Belästigung als Kind erwähnst du fast beiläufig. An solchen Erlebnissen zerbrechen andere, ohne dass noch so viel dazukommt wie bei dir. Du musst eine enorme innere Stärke haben, darauf kannst du
stolz sein!
Die Schuldgefühle deiner Mutter gegenüber sind dann nachvollziehbar, wenn sie sich selbst zum Opfer degradiert hat. Und das hat sie. Schuldgefühle sind ein enormer Katalysator. Es ist einfach zu simpel zu sagen, dass du die
Schuldgefühle auflösen musst. Das musst du unbedingt für dich tun, aber
das ist keine einmalige Entscheidung, sondern ein Prozess.
Was dein Vater dir angetan hat, das ist einfach nur schlimm. Das hat Narben auf deiner Seele hinterlassen. Aber auch Narben kann man behandeln, sodaß sie nicht mehr so hässlich sind. Ich meine damit: dein Vater lebt ja noch.
Vielleicht kannst du ihn ja damit konfrontieren, wie sehr er dich verletzt
hat? Du hast das uneingeschränkte Recht, deine Wut zum Ausdruck zu
bringen.
Du darfst dir nicht zu gut sein, um böse zu sein.
Eventuell wäre das ein Schritt in die Richtung des Vergebens.
Ich finde es beachtlich und wichtig, wie analytisch du die ganze Vergangenheit angehst (Probleme einzeln anschauen). Irgendwann wird
wahrscheinlich aus den einzelnen Mosaiksteinchen ein Bild, mit dem du gut leben kannst.
Du gibst dir so viel Mühe, zu verstehen. Im Grunde genommen verstehst du auch nachträglich deine Mutter, indem du auf Ihre Herkunft aus der Armut "siehst".
Das waren für jetzt meine Gedanken.
Ganz liebe, wenn auch verregnete, Grüße
aus Österreich,
Karin :regen: