Anerkennung von Lebens/Leidens Erlebnissen

Ist es wichtig das "leidens-Geschichten" Anerkannt werden?

  • Ja, sehr wichtig

    Stimmen: 12 75,0%
  • Nein, absolut unwichtig

    Stimmen: 3 18,8%
  • weiß nicht / egal

    Stimmen: 1 6,3%

  • Umfrageteilnehmer
    16

Cailly

Well-Known Member
Registriert
21 Februar 2005
Beiträge
67
Hallo Ihrs,

ich merke seit einiger Zeit das es für mich immer wichtiger wird, das von Aussenstehenden meine Kindheitserlebnisse (leidens-Geschichte) auch als das was sie waren anerkannt werden - wenn ich merke wie mir diverse Leute rüberbringen das "alles was ich als Kind erlitten habe" ja unwichtig ist, andere auch so leiden mussten, ich es Jetzt wo ich Erwachsen bin einfach "vegessen soll" - also Ablehnung es an zu erkennen oder absolute Gleichgültigkeit erlebe -
das macht mich unheimlich Wütend und ich fühl mich dabei auch Hilflos und Wertlos - aber nicht nur wegen "mir" sondern weil ich dabei immer denke wie "verroht" muss unsere Gesellschaft sein wenn mit dem "LEID von KINDERN" so gleichgültig, ablehnend oder sogar "abwertend" umgegangen wird?

Ich meine ok - klar es ist "vorbei" und JETZT werde ich nicht mehr mißbraucht, mißhandelt - das mit dem Hungern klammer ich aus, denn DAS ist aufgrund von Erkrankungen immer noch ein großes Problem - aber es IST mir als KIND angetan worden und DAS es mir angetan wurde, hat ja nunmal mein ganzes LEBEN (vergangenheit, das JETZT und auch die Zukunft) beeinflusst und dieser Einfluss wird sich NIE auflösen - klar ich kann daran arbeiten das es weniger starken Einfluss auf mein JETZT und meine Zukunft hat, aber an der Vergangenheit lässt sich nix ändern und auch an vielem was ich DESHALB versäumt, verpaßt, nicht zur rechten Zeit gelernt habe - DARAN kann ich nix mehr ändern und ich möchte einfach das DAS auch so anerkannt wird...

und das nicht nur für mich, sondern für ALLE die sowas Überleben mussten!

Wie seht ihr das und warum?

fragende Grüße,
Cailly
 
Werbung:
Cailly schrieb:
Hallo Ihrs,

ich merke seit einiger Zeit das es für mich immer wichtiger wird, das von Aussenstehenden meine Kindheitserlebnisse (leidens-Geschichte) auch als das was sie waren anerkannt werden - wenn ich merke wie mir diverse Leute rüberbringen das "alles was ich als Kind erlitten habe" ja unwichtig ist, andere auch so leiden mussten, ich es Jetzt wo ich Erwachsen bin einfach "vegessen soll" - also Ablehnung es an zu erkennen oder absolute Gleichgültigkeit erlebe -
das macht mich unheimlich Wütend und ich fühl mich dabei auch Hilflos und Wertlos - aber nicht nur wegen "mir" sondern weil ich dabei immer denke wie "verroht" muss unsere Gesellschaft sein wenn mit dem "LEID von KINDERN" so gleichgültig, ablehnend oder sogar "abwertend" umgegangen wird?

Ich meine ok - klar es ist "vorbei" und JETZT werde ich nicht mehr mißbraucht, mißhandelt - das mit dem Hungern klammer ich aus, denn DAS ist aufgrund von Erkrankungen immer noch ein großes Problem - aber es IST mir als KIND angetan worden und DAS es mir angetan wurde, hat ja nunmal mein ganzes LEBEN (vergangenheit, das JETZT und auch die Zukunft) beeinflusst und dieser Einfluss wird sich NIE auflösen - klar ich kann daran arbeiten das es weniger starken Einfluss auf mein JETZT und meine Zukunft hat, aber an der Vergangenheit lässt sich nix ändern und auch an vielem was ich DESHALB versäumt, verpaßt, nicht zur rechten Zeit gelernt habe - DARAN kann ich nix mehr ändern und ich möchte einfach das DAS auch so anerkannt wird...

und das nicht nur für mich, sondern für ALLE die sowas Überleben mussten!

Wie seht ihr das und warum?

fragende Grüße,
Cailly

Liebe Cailly,
ich kann Deinen Wunsch sehr gut nachvollziehen. Mir ist es ja mal ähnlich ergangen. Als aller erstes ist es aber nötig, dass DU Dein Leiden anerkennst. Menschen, die sowas nicht erlebt haben, werden sich kaum in Dich hinein versetzen können, kann aber auch sein, dass sie ihre eigenen Verletzungen einfach nicht wahrnehmen können oder wollen und deshalb auf Durchzug schalten.
Cailly, es ist normal dass Du jetzt die ganze Wut, Trauer, Angst was weiß ich spüren möchtest und auch mitteilen und ich wette Du wirst auch immer wieder jemanden finden der Dir zuhört. Es würde Dir aber sicher helfen, wenn Du erkennen könntest, dass dazu nicht jeder in der Lage ist und das JEDER das Recht hat sich Deiner Geschichte zu entziehen, auch welche Weise auch immer. Es gehört eine Menge empathisches Gefühlsvermögen dazu, sich einfühlsam aber mit dem nötigen Abstand auf solch schwere Kindheitsgeschichten einzulassen.
Alles Liebe Cailly
Elke
 
hallo elke,

ich weiß nicht, aber anscheinend hab ich absolut kein glück damit - denn ich erlebe überall - zumindest im R(eal) L(ife) nur ablehnung...
Gefühle - nee iss nicht darf man nicht haben, vergessen, verdrängen - das soll man damit machen aber ja nicht drüber reden und die Gefühle dazu, ganz besonders wut und trauer hat man runter zu schlucken, aber bloß nicht zeigen, noch besser " gar nicht erst haben"....
Und wenn einen das "runterschlucken der Gefühle Krank gemacht hat" - tja dann ist man daran ja sowieso "selbst schuld" - wie kann man auch Gefühle haben die man nicht haben darf?....
Funktionieren, emotionslos, nur gute miene zum bösen spiel machen und immer gut gelaunt sein - sonst sollte man sich wohl besser verstecken...
weinen - genauso verboten wie Wut oder Jammern...
lachen soll man - zumindest lächeln, weils ja schon verdammt viel ist wenn sich überhaupt mal jemand mit einem abgibt...

cailly
 
Cailly schrieb:
hallo elke,

ich weiß nicht, aber anscheinend hab ich absolut kein glück damit - denn ich erlebe überall - zumindest im R(eal) L(ife) nur ablehnung...
Gefühle - nee iss nicht darf man nicht haben, vergessen, verdrängen - das soll man damit machen aber ja nicht drüber reden und die Gefühle dazu, ganz besonders wut und trauer hat man runter zu schlucken, aber bloß nicht zeigen, noch besser " gar nicht erst haben"....
Und wenn einen das "runterschlucken der Gefühle Krank gemacht hat" - tja dann ist man daran ja sowieso "selbst schuld" - wie kann man auch Gefühle haben die man nicht haben darf?....
Funktionieren, emotionslos, nur gute miene zum bösen spiel machen und immer gut gelaunt sein - sonst sollte man sich wohl besser verstecken...
weinen - genauso verboten wie Wut oder Jammern...
lachen soll man - zumindest lächeln, weils ja schon verdammt viel ist wenn sich überhaupt mal jemand mit einem abgibt...

cailly

Liebe Cailly,
ich kann Dir leider so garnicht helfen, aber es berührt mich sehr, wie Du leidest. Fühl Dich umarmt. :kiss3: :kiss3:
Schreibst Du Tagebuch? Mir hat das damals sehr geholfen und malen und singen. Ich habe mir Musik über alles was mit Demütigung, Vergewaltigung etc. zu tun hatte besorgt, habe sie gehört mit gesungen, geweint gewütet.
Vielleicht gelingt es Dir auf diesem Weg, wenigstens ein wenig von Deinen Gefühlen loszuwerden. Später habe ich mit meiner Homepage, die sich inhaltlich immer wieder verändert hat, einen Teil meiner Gefühle sortiert. Du könntest auch jemandem dem Du vertraust Deinen ganzen Kummer schreiben, ohne dass der Andere dazu einen Kommentar abgeben soll, einfach Empfänger sein. Sind jetzt alles so Gedanken, ob sie Dir helfen????
Alles Liebe
Elke
 
hallo elke,
sorry das ich heut erst antworte, aber mir gings die letzten tage gar nicht gut, hatte wegen anderem streß ständig bauchschmerzen - laut arzt hab ich nen Reizdarmsyndrom und die starken schmerzmittel hauen mich einfach nur um....

Tagebuch schreib ich nicht, manchmal schreib ich zwar wichtige sachen auf - machen auch andere Anteile von mir, das wird dann mit datum (und manchmal ner überschrift) aus meinem Rechner in nem privaten Ordner abgelegt, aber Tagebuch ist das nicht wirklich *denk*

weinen kann ich irgendwie gar nicht normal... manchmal wenn ich das gefühl habe an den Tränen zu ersticken kommts zum "schneiden" - nur so tief das es blutet aber keine Narben bleiben... sowas wird oft auch als "rote tränen" bezeichnet und ich denke der Begriff ist echt passend - zumindest bei mir paßt es gut.
Und "wut"- oh man das ist schon immer ein Problem gewesen, wütend sein wird einem von allen seiten Verboten, es ist unerwünscht, man darf es einfach nicht sein und das schlimmste ist jedesmal wenn ich versuche die aufgestaute wut auch nur minimal raus zu lassen - dann gibts wieder mit irgendwem streß...

übrigens ne Homepage hab ich auch, aber ich hab mir abgewöhnt den Link in meinem Profil (egal wo) zu führen....aber ich denke die werd ich nächste woche mal wieder neu überarbeiten und wenn es dich interessiert geb ich dir gern den Link per PN - aber nur wenn du magst.

liebe grüße,
Cailly
 
Hallo Cailly,
Du, ich habe Geduld und selbst wenn Du nicht geschrieben hättest, dann wäre das Deine Entscheidung gewesen. Ich finde es nämlich wichtig, nicht immer zu erwarten, dass jemand auf mich antwortet.
Du, so langsam kommt ja die ganze Tragweite Deiner Verletzungen ans Tageslicht.
Wut ist etwas, dass die meisten Menschen sehr erschreckt und oft zurückweichen lässt. Ich habe früher schon Angst und Panikgefühle entwickelt, wenn jemand nur extem laut gesprochen hat. Erst gestern ist mir aufgefallen, dass dieses Gefühl sich wohl sehr verflüchtigt hat. Ich schätze dass das erst möglich wurde, weil ich mir selber auch Agression erlaube. Ich habe vor ein paar Tagen eine solche Wutattacke gehabt, die war nicht von schlechten Eltern und mein Gegenüber steht mehr oder weniger da und grinst, kein Erschrecken, kein Zurückweichen. Cailly es gibt Menschen, die unsere Wut aushalten und selbst wenn nicht, dann müssen die bei sich gucken, sie können sogar von uns lernen, wie ich in den letzten Jahren.
Schneiden ist eine mehr oder weniger weit verbreitete Methode sich selber spüren zu können, es ist schade, dass Du das brauchst. Ich weiß aber auch, dass es wenig Sinn macht, dich davon abhalten zu wollen. Du brauchst das zur Zeit noch.
Klar, ich sehe mir Deine Homepage
gerne an :)
Alles Liebe
Elke
 
Hallo Du!

Ich finds schade, das du schneiden musst... rote Tränen hab ich auch schon mal geweint, aber das ist zum Glück schon lange her und ich kann jetzt normale Tränen weinen wenn ich es brauche. Ich kann dir nachfühlen wie du dich in dem Moment fühlst...
Wenn du ein Darmproblem hast, dann hängt das wohl mit deiner momentanen Situation zusammen... Darm - unterdrückte Gefühle, Wut, Hass, Trauer... kommt das hin?

Ich bin auch schon gespannt auf deine Hompage...

Liebe Grüsse
Elisabetha
 
Hallo Ihr beiden,
also zuerstmal die webseite ist jetzt erstmal wieder überarbeitet und online - leider derzeit noch ohne Gästebuch, da muss ich schauen ob das bisherige wieder fitgemacht werden kann, oder ob ich mir selbst eins programmieren kann - kommt auf den Anbieter an, weils ne Kostenlose Webseite ist...

zu finden ist sie unter: Cailly & Co

so nun zu dem Thema SVV ... naja es ist einfach ein Problem mit dem ich eigentlich immer wieder mal mehr mal weniger zu kämpfen habe, obwohl es durchaus Zeiten gab wo es ganz ohne ging, allerdings war das bevor die ganzen Erinnerungen hoch kamen...
seitdem hab ich es nur 2 mal für ein paar wochen geschafft ohne schneiden zurecht zu kommen...beidemale wo ich wegen einer Beziehung nicht schneiden konnte ohne das es früher oder später aufgefallen wäre...

übrigens ich kann mit der Wut anderer durchaus ganz gut umgehen und bei meinem Sohn kann ich sie sogar in abgeschwächter form selbst zulassen, aber sonst eigentlich bei niemandem.... wobei mein sohn natürlich genauso wut rauslässt wie ich - eben mit lauten worten und türenknallen.... aber da merk ich auch das es uns beiden guttut wenn es mal passiert, weil wir anschließend darüber reden was eigentlich diese Wut ausgelöst hat und auch an strategien arbeiten damit es nicht wieder so aufgestaut wird.

übrigens das mit den Darmproblemen kann durchaus sein - nur wie soll ich daran was ändern? *verzweifelt guck*

liebe Grüße,
Cailly
 
Hallo Ihr Lieben,

so wie ich es erlebe, reicht es aus, wenn ich meine Geschichte annehme und integriere. Wenn das geschehen ist, dann kommen auch kaum blöde Ratschläge von anderen.

Jede Kindheitsgeschichte ist einmalig und hat einmalige Komponenten. Wie kann die eine Geschichte mit der anderen verglichen werden?? Die Vergangenheit jedes Einzelnen und dessen Verarbeitung ist einmalig, so wie die Persönlichkeit. Die Erlebnisse haben Dich oder auch mich geprägt, wie sie es getan haben. Das gilt es anzuerkennen und dann das beste aus dem eigenen Leben zu machen.

Liebe Grüße
Ereschkigal
 
Ereschkigal
mag sein, dass Dir das so gelungen ist.
Wir sind hier alle versammelt um uns gegenseitig zur Seite zu stehen, sonst gäbe es das Forum nicht. Warum bist Du hier, wegen der blöden Ratschläge? Oder einfach nur aus neugierde?
Wenn ich mein Herz für jemanden öffnen kann, dann kann es auch mal sein, dass das was ich sage Müll ist, im Regelfall empfinde ich das allerdings nicht so.
Es sind Vorschläge, keine Ratschläge, die hier unterbreitet werden.
Alles Liebe
Elke
 
Liebe Elke, liebe Cailly

als ich über die Ratschläge schrieb, bezog sich das nicht auf die Beiträge hier im Thread sondern auf den Anfangspost von Cailly, den ich gelesen hatte. (den Rest der Diskussion leider nicht :rolleyes: sorry)

Ich hatte genügend mit Leuten zu tun, die meine Geschichte doch so furchtbar fanden und glaubten ganz genau zu wissen wie ich mich fühle ... Eine zeitlang habe ich mich über meine Vergangenheit definiert. Oder aber mit Menschen, die nicht wußten wie sie mit meinen Verletzungen und heutigen Reaktionen umgehen sollen. Zum Glück gab es wenige, die meinten, ach so schlimm war das doch gar nicht. Doch es gab auch Therapeuten, die meinen Erinnerungen nicht glaubten ...

Aus diesen ganzen Erfahrungen habe ich gelernt, daß es das wichtigste ist mir selbst zu glauben. Mir selbst einzugestehen, was ich dadurch verpaßt habe, wovon ich nichts weiß, welche Zeiten meines Lebens damit ausgefüllt waren zu überleben. Es ist wichtig, daß ich selbst meine Schutzmechanismen sehe und akzeptiere, ja die habe ich früher gebraucht.

Wenn ich das versuche in die Außenwelt zu projizieren, dann folgen oft große Enttäuschungen und es kommen die "blöden Ratschläge" von anderen. Wenn ich aber selbst diese Dinge anerkenne, dann lebe ich viel leichter damit.

Obwohl bei manchen Erinnerungen an meine Kindheit habe ich gedacht, das halte ich nicht aus, das kann nicht so gewesen sein. Aber eine Erinnerung ist nur da, wenn sie so war, wenn ich sie so erlebt habe. Für mich war sie so. Da ist es wichtig sich selbst zu glauben und die eigenen Erinnerungen anzunehmen egal wie schwer es ist.

@ Cailly, wenn es für Dich wichtig ist, daß andere bereit sind, Deine Verletzungen zu akzeptieren und die Ausmaße Deiner Vergangenheit anzunehmen dann lebe danach. Suche Dir Deine Freunde danach aus.

Andere haben Deine Vergangenheit nicht erlebt und haben keinerlei Recht über Tragweite des ganzen zu urteilen. Es ist wie es ist und Du machst das Beste draus. Es gibt Menschen, die dies sehen und anerkennen.

Liebe Grüße
Ereschkigal
 
Hallo Elke, Hallo Ereschkigal,

zuerstmal @ Elke: ja das was du schreibst sind oft Vorschläge und Hinweise auf neue Blickwinkel oder Richtungen etwas mal anders an zu schauen - zumindest kommt das bei mir nachdem ich gelernt hab es an zu nehmen so an und ich muss ganz ehrlich sagen - es hilft, deshalb jetzt mal ein ganz liebes Danke für deine Vorschläge :)

wobei ich denke du meinst bei dem Unterschied zwischen Ratschlag und Vorschlag den, das ein Ratschlag ein ganz konkretes Vorgehen darstellt, während Vorschläge eben eher neue Blickwinkel bzw Sichtweisen aufzeigen mit denen man dann selbst arbeiten muss um weiter zu kommen, wo man eben aus einem anderen Blickwinkel zu sehen anfängt aber doch selbst "tätig" werden muss und selbst denken, sehen und handeln muss...

@ Ereschkigal: Menschen (nicht nur Therpeuten) die einem die eigenen Erinnerungen nicht glauben (wollen weil unvorstellbar für sie ist was man erinnert) kenne ich auch sehr viele damit kann ich noch umgehen weil mir dabei klar ist das dieses Problem daher rührt das diese Menschen sich damit einfach überfordert fühlen... viel schwieriger nein eigentlich "unmöglich" ist es für mich solche Aussagen wie " du bist es selbst Schuld das es dir angetan wurde" oder " du hast dir dieses Leben genau so selbst ausgesucht" an zu nehmen - weil es so nicht Stimmt. Weil solche Verletzungen aus der Interaktion zwischen Menschen heraus entstehen und man KANN eben nur die Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, nicht die für das Handeln anderer....und JEDER entscheidet immer wieder selbst wie er mit einem anderen Menschen umgeht und trägt dafür auch die Verantwortung.
Ich hatte z.B. die Wahl wie ich mit meinem Kind umgehe - ob ich es so wie ich es selbst erlebt habe mißhandele oder ob ich eben versuche ANDERS mit meinem Kind um zu gehen, es liebe und achte und es gut Versorge - ich habe mich z.B. entschieden mein Kind immer so gut wie es mir möglich ist zu versorgen es nie hungern zu lassen - und meine Mutter hatte sich eben anders entschieden und eins ihrer Kinder nahezu ständig hungern lassen - aber die Verantwortung - in ersterem Punkt das ich meine Kind nie hungern lies, lag bei MIR; das meine Mutter mich schon als Säugling und auch später immer wieder hungern lies - die lag bei IHR und nicht bei mir.
Jedoch und da sehe ich den Wiederspruch und lehne auch die Verantwortung ab - die Folgen die durch dieses häufige langfristige hungern müssen bei mir entstanden sind (also Verantwortung dafür) wird immer wieder MIR zugeschoben und dagegen wehre ich mich mitlerweile. Weil ich kann nichts dafür das ich dadurch neben einem gestörten Essverhalten auch massive Magen-Darm Probleme habe - natürlich trage ICH die Verantwortung dafür wie ich JETZT damit umgehe, aber nicht die Verantwortung dafür das es DA ist.
Ähnlich seh ich das in Bezug auf die kommunikationsprobleme die ich habe - dadurch das ich als Kind über Jahre extrem oft und lange Isoliert (eingesperrt) wurde, habe ich viele Kommunikationsbetreffende Dinge nie gelernt - kann oft nicht wirklich in Worte fassen was mich beschäftigt - und die Verantwortung dafür das es so ist gehört zu meiner Mutter die es mit ihrem Handeln verursacht hat und ICH empfinde nur die Verantwortung daran zu lernen damit um zu gehen und zu versuchen Nach zu holen was nachholbar ist als "meine Verantwortung"...
Übrigens was die Schutzmechanismen betrifft - da wird einem oft sehr viel Unglauben entgegengebracht wenn man über die Fähigkeiten die sich dadurch entwickelt haben anspicht... ich weiß nicht wie oft mich andere Menschen schon abgelehnt und/oder Aufgezogen haben wenn ich ihnen auf den kopf zusagen konnte das es Ihnen Mies (sie traurig, wütend, ängstlich, usw sind) geht einfach weil dies zu meinen Schutzmechanismen gehört solche Stimmungen zu erspüren um mich selbst zu Schützen (durch "nicht sichtbar" machen).

übrigens - eins der Hauptprobleme im Umgang mit meinen Erinnerungen und den Wertungen meiner Erinnerungen hab ich immer wieder damit, das ich auf Unverständniss stoße wenn ich behaupte den sexuellen Mißbrauch als "weniger Schlimm" Empfunden zu haben (bis auf das einemal wo ich wirklich kurz vorm ersticken war), als die Isolation die für mich das Schlimmste darstellt, auch noch schlimmer wie die Mißhandlungen - egal ob körperliche oder seelische.

Die Anerkennung meines Leids von damals ist für mich aber vor allem deshalb wichtig weil ich immer wieder merke das ich zwar diese Trennung der Verantwortungszugehörigkeit vom Logischen her hinbekomme, das aber Emotional noch immer nicht schaffe, besonders dann nicht wenn sie mir wieder mal von jemandem aufgepackt wird. Liegt wohl daran das ich im Alter von knapp 11 Jahren anfing die Verantwortung für die Mutter (weil ich ja ihren Suizid verhindert hatte) zu übernehmen ... und ganz ehrlich loslassen konnte ich diese Verantwortung erst nach ihrem Tod....

liebe Grüße,
Cailly
 
Liebe Cailly,

ich kann mir gut vorstellen, daß der sexuelle Mißbrauch für Dich weniger bedrohlich war als die Isolation. Wie du das Erlebte und die damit verbundenen Trauma selbst einordnest, so ist es für Dich richtig. Ich würde mich auch dagegen wehren, wenn mir jemand sagt, Deine Vergangenheit hast Du Dir ausgesucht. Das ist esoterisches Gerede und meines Erachtens eine Abwehr von dem was Du erlebt hast.

Ich sehe es genauso wie Du und finde es sehr schön, daß Du das so trennen kannst. Du bist heute für Dich und Deine Handlungen veräntwortlich. Wie Du mit Deinem Sohn umgehst ...

Wenn Du heute aus Deinem Leben das Beste machst, was Dir möglich ist und Entscheidungen triffst, wie Du mit den Dingen umgehst, das ist wichtig. Es gibt so wie Du beschreibst immer wieder Dinge, die sich Dir entziehen, wie zum Beispiel Dein Eßverhalten oder Deine Darmprobleme. Gesundheit entzieht sich den meisten und wenn Du siehst, wie viele Rauchen und Alkohol trinken oder einfach süßes "fressen" dann merkst Du daß viele dieses Gebiet der Nahrungsaufnahme nicht unter Kontrolle haben.

Die Darmprobleme, die Du beschreibst müssen nicht zwangsläufig mit dem Hungern etwas zu tun haben. Sondern eher mit den emotionalen Verletzungen und der Ängste die Du ausgestanden hast. Der Darm und dessen Funktion ist ganz eng mit dem Schwingen des zwerchfells verbunden. Bei Stress, Ängsten und Anspannung schwingt das Zwerchfell zu wenig um den Darm genügend zu stimulieren. Ich habe auch 2 oder drei Jahre an einer Dickdarmentzündung gelitten.

Durch die Atmung gibt es vielfältige Möglichkeiten Kontrolle über die eigenen Gefühle zu erlangen. Ich wurde als Kind fast überfahren. Meine Eltern erzählten mir dies. Ich konnte mich aber an nichts erinnern. Nach ungefähr 35 Jahren kam dieses Bild bei einer Rosenbehandlung wieder zum Vorschein. Diese Erinnerung an die tödliche Bedrohung steckte all die Jahre in der Zwerchfellgegend und verhinderte das freie Schwingen. Und ähnlich ist es bei Dir auch, die Erinnerungen stecken im Körper und verhindern Atmung und vollkommenes Fallenlassen. Das wirkt sich dann auf die Darmtätigkeit aus.

Essen wird im Leben auch sehr oft für emotionale Nahrung als Ersatz benutzt. Das sind unterschiedliche Stränge die beim Essen zusammen laufen und Du mußt entscheiden welcher Bereich für Dich im Moment am wichtigsten ist und wo Du Deine Kraft reinsteckst.

Zur Zeit kommen einige Berichte im Fernsehen über den Krieg. Wenn Du eine zerbombte Stadt siehst, wurde sie auch nicht von heute auf Morgen wieder aufgebaut sondern Stück für Stück, eines nach dem anderen. So ist es bei Dir mit Deinem Leben auch. Du hast nur die Möglichkeit ein kleines Stückchen nach dem anderen in Angriff zu nehmen. Die Entscheidung was jetzt gerade für Dich am wichtigsten ist, triffst Du selbst und wenn Du Deine Kraft für andere Dinge als Nahrung ... brauchst, dann ist das so. Wenn die Zeit dafür reif ist und Du genügend Kraft hast, wirst Du auch das "Problem des Essens" angehen.

Wenn Du was von dem Suizid Deiner Mutter schreibst und daß Du diesen verhindert hast, muß ich an Familienstellen denken und Deine große Liebe für Deine Mutter. Vielleicht kann Dir der Weg einer Aufstellung auf diesem Gebiet ein Stückchen weiter helfen den besten Platz zu finden.

Ich wünsche Dir viel Kraft und alles Liebe und freue mich, daß Du Dich bewußt entschieden hast wie Du das Leben mit Deinem Sohn gestaltest.

Liebe Grüße
Ereschkigal
 
Hallo Ereschkigal,

danke für deine Antwort :)

also zuerstmal das Thema Familienaufstellung - nee du da trau ich mich absolut nicht ran, weil mir mitlerweile Bewußt ist wie weit die Mißbrauchsgeschichte in meiner Herkunftsfamilie eine Rolle spielt - das es schon bei meiner Großmutter (mütterlicherseits) in deren Kindheit eine Rolle spielte obwohl sie selbst noch das Glück hatte die Jüngste Tochter gewesen zu sein und somit "nicht selbst" Mißbraucht zu werden, das aber ihr verständniss davon dazu geführt hatte das sie weder ihre Tochter noch ihre Enkelin zu schützen versuchte ist dabei nur ein Faktor bei meiner Mutter hat sich das ganze noch schlimmer auf ihr "handeln" ausgewirkt - sie hatte in mir von anfang an das "potentielle Opfer für die Männer der Familie" gesehen und mich eben auch genauso "behandelt"...Trotzdem haben beide Frauen sich lieber in den Alkohol geflüchtet statt daran zu arbeiten etwas zu verändern.
Ich weiß nicht mehr wie oft meine Mutter mir schon als Kind vorwarf "zu stark zu sein"....während sie mir gleichzeitig immer mehr aufgepackt hat.

Übrigens was ich persönlich bei der ganzen Aufarbeitungsgeschichte am schlimmsten empfinde ist dieses "Geduld mit sich selbst haben müssen" - während einem gleichzeitig von Aussen nicht das geringste bißchen an Geduld zugestanden wird...da kommt dann immer: hey nu ists echt Zeit das endlich gut ist und du "normal lebst" obwohl das eben noch gar nicht geht, weil noch viel zuviel zu verarbeiten ist....

liebe Grüße,
Cailly
 
Werbung:
Liebe Cailly,

die Liebe zu sich selbst, mit sich selbst geduldig und liebevoll umgehen und sich nicht ständig zu überfordern, das alles ist nicht leicht. Als Kind wurdest Du ständig überfordert und oft ist es so, daß die eigenen Grenzen dadurch überhaupt zu erkennen sind. Der Körper gibt oft "Warnsignale" wenn man eine Grenze mal wieder überschritten hast.

Da ist es wichtig den Körper immer wieder bewußt wahrzunehmen und zu lernen auf seine Zeichen zu hören. Doch gerade bei Mißbrauch und Mißhandlungen ist die Möglichkeit den Körper zu spüren oft sehr eingeschränkt, da sich in solchen Situationen leicht vergangene Gefühle mit heutigen mischen. Mißbrauch und Mißhandlungen werden auf ihre eigene Art oft abgespalten und da kommt eben dann auch die Schwierigkeit dazu sich nach so einer Vergangenheit sich selbst zu spüren. Nach dem ich nach und nach gelernt habe meinen Körper zu spüren und seine Warnsignale zu sehen, wurde der Weg nach und nach leichter. Doch auf dem Weg dahin, bin ich über viele Gefühle der Vergangenheit gestiegen.

In der Zeit als ich mich ständig selbst überforderte, war der Weg sehr mühsam und bedrohlich. Nachdem ich mehr und mehr gelernt hatte mich zu spüren und mich nicht ständig für mich bedrohlichen Situationen aus zusetzen, wurde es für mich viel leichter. Und heute bin ich oft erstaunt, wie die ganze Vergangenheit, die für mich lange so bedrohlich war und an die ich ständig in tausend Situationen erinnert wurde, Vergangenheit bleiben kann und sich nicht ständig in die Gegenwart drängt. Für mich war es sehr wichtig, meine eigenen Grenzen zu erkennen und mir selbst keine Gewalt mehr anzutun, mich selbst nicht mehr zu überfordern, sondern einzugestehen, da habe ich Angst vor oder das schaffe ich im Moment nicht. Nicht mehr über meine eigenen Ängse hinaus zugehen, sondern sie als Grenze zu sehen, war für mich ein riesiger Schritt. Danach wurde die Arbeit an dem Vergangenen viel leichter und ich konnte wählen, wann ich mich damit beschäftige.

Ich kann mir vorstellen, daß Du Aufstellungsarbeit nachdem was Du weißt als bedrohlich ansiehst. Ich selbst habe bisher auch keine Aufstellung in einer Gruppe gemacht. Sondern habe mit inneren Bildern ähnlich wie bei den Aufstellungen gearbeitet und mal mit Steinen als Stellvertretern. Meine Seele führt mich so weit, wie es für mich richtig ist. Gute Aufsteller spüren dies in ihren Aufstellungen.

Mir hat der Hintergrund des Familienstellens enorm weiter geholfen. Die Sicht, daß das Kind alles aus Liebe zu den Eltern tut. Die Achtung vor dem Schicksal der eigenen Eltern und damit das Ende des Veruteilens oder Vergebens. Jeder trägt sein eigenes Schicksal und ich habe nicht das Recht noch die Aufgabe, das Schicksal des anderen zu tragen. Ich habe mein eigenes Schicksal und da die Möglichkeit das beste daraus zu machen. Die Verantwortung für Taten, die ich als Kind erlebt habe, beim Erwachsenen zu lassen.

Ein Punkt, der mir erst vor kurzen klargeworden ist, daß jemand der schwierige Aufgaben meistert, Kraft gewinnt, den finde ich auch sehr bedeutend. Denn die allgemeine Sicht der Psychologie ist, daß es einem am besten geht, wenn man eine schöne glückliche Kindheit hatte... Das kann niemand nachholen und dafür kann ich heute nichts mehr tun. Und oft steckt in der Ansicht die Forderung, Du hast das alles nur verarbeitet, wenn Du so lebst, als wäre nie was gewesen. Aber genau das geht überhaupt gar nicht. Diese Forderung ist eigentlich hauptsächlich eine Forderung der Umwelt, die uns möglichst angepaßt und normal haben will und sich nicht mit Verletzungen ... rumschlagen möchte.

Cailly Du hast erlebt, was Du erlebt hast und niemand kann das rückgängig machen. Wenn Du jetzt so lebst, als wäre das alles nicht geschehen, würdest Du Dich selbst verleugnen. Wichtig ist mit der Vergangenheit so leben, daß Du heute glücklich und zufrieden sein kannst. Das ist möglich, auch wenn dies glücklich und zufrieden anders aussieht als bei Menschen, die nichts schwerwiegendes erfahren haben.

Mein Sohn zum Beispiel sieht Freiheit als etwas selbstverständliches an. Für mich ist Freiheit ein wertvolles Gut, daß ich immer wieder bereit bin zu verteidigen, dessen ich mir bewußt bin ... Oder Zufriedenheit und Glück das alles ist nichts normales für mich. Ich schätze diese Momente. Nähe und Vertrautheit genieße ich sehr intensiv. Wenn ich all das als selbstverständlich ansehe, gehe ich leichtfertiger damit um. Oft ist es so, daß die Schwierigkeiten im Leben später zu einem anderen inneren Verhältnis führen.

Trotzdem fände ich es absurd, die Freiheit meines Sohnes einzuschränken, damit er weiß, wie das ist. Im Leben entstehen durch das Schicksal oft ganz alleine Situationen, die dies auslösen. Als mein Sohn durch gesundheitliche Schwierigkeiten in solch einer Situation war, habe ich erlebt, wie wenig er da wirklich er selbst sein konnte. Und jetzt bin ich dankbar und froh, daß er wieder er ist und freue mich an ihm, an unseren Kontakt, seiner Leichtigkeit ... Doch durch diese Einschränkungen hat auch er an Tiefe und Kraft gewonnen. Vieles was er heute tut, wäre ohne diese Krankheit mit der verbundenen Einschränkung nicht möglich.

Lebe Grüße
Ereschkigal
 
Zurück
Oben