@Jake:
Habe den Mythos des Sysiphus auch mal gelesen. Camus hat in diesem Sinne Unrecht, wenn er behauptet, man müsse sich diesen Menschen als den glücklichen Menschen vorstellen. Der Mensch hat immer ein Bedürfnis, sich zu transzendieren. So lange dieses Bedürfnis nicht gestillt ist, kann der Mensch unmöglich glücklich sein. Camus bestreitet aber im gleichen Buch die Möglichkeit, dass jenseits des Verstandes etwas kommen könnte, was über diesen hinausgibt - und genau darum entsteht im Menschen dieses ungheuere Gefühl des Absurden. Damit ist Camus eigentlich bereits gescheitert. Er schafft es nicht, seinen irrationalen Glauben an die Ratio zu begründen und noch weniger, über seine eigene Ratio hinauszuwachsen. Sinn lässt sich aber nicht mittels des Verstandes finden (auch wenn man es mal probiert haben sollte, weil man es selbst nicht glaubt sonst).
@Reinhold:
Lieber Reinhold, hast du jemals im Leben Kontakt gehabt mit einer suizidal gefährdeten Person? Warst du jemals im Leben selbst in der Situation, dir ernsthaft zu überlegen, ob du deinem Leben nicht ein Ende bereiten willst? Bitte urteile nicht vorschnell.
@all:
Im übrigen scheint mir die allgemeine Meinung, da müsse sowas wie Verzweiflung im Menschen vorherrschen im Moment in welchem er Suizid begeht, falsch zu sein. So viel mir bekannt ist, befinden sich jene Menschen im Moment des tatsächlich ausgeführten Aktes keineswegs in einem verzweifelten Gemütszustand, sondern viel eher in einer Art eisiger, kompletter Leere, die totale Isolation des Menschen von sich selbst und der Welt. In ihnen ist absolut keine Regung mehr, die eigenen Gefühle gehen aussen an einem vorbei und man schaut wie ein Fremder auf sich selbst. In diesem Moment erscheint die Sehnsucht sich Fallenzulassen in das ewige Dunkel, den "heilenden Schlaf" übermächtig. Verzweiflung kann diesem Stadium vorausgehen, aber wie gesagt, die Verzweifung hört irgendwann auf und weicht dem blanken Nichts. Und dieses Nichts ist keineswegs schrecklich oder düster oder dunkel, das erscheint lediglich dem Aussenstehenden so (natürlich ist es auch nicht fröhlich oder heiter), das wird oft ebenfalls falsch verstanden. Dieses Nichts ist eher schützend, es ist ein Schutz gegen die vorangegangenen Gefühle, die vorangegangene Verzweiflung. Wo nichts ist, kann auch nichts verloren werden.
Und das ist auch logisch so: Wäre im Moment des Suizids tatsächlich eine (wie auch immer geartete) starke Gefühlsregung im Menschen vorhanden, so würde diese einem Entschluss eher hinderlich sein.
Ich möchte betonen, dass ich damit lediglich versuche die ablaufenden Vorgänge zu schildern. Ich will hier keineswegs Position FüR den Suizid ergreifen.
@DeadNow:
Leider scheinen viele Menschen nicht sensibel genug zu sein, um einer suizidalen Person für einmal ohne überflüssige Moral oder ohne den Filter persönlicher und romantisch verklärter Vorstellungen zu begegnen. Naja, wem will man's auch verübeln.