2 drogensüchtige Brüder

pandora

Well-Known Member
Registriert
23 März 2006
Beiträge
49
Hallo zusammen
Eigentlich ist es eine sehr lange Geschichte, aber ich versuche, mich kurz zu halten. Ich bin 48 und hatte einen drogensüchtigen Bruder, der verheiratet war und 1 dreijähriges Kind hatte. Ich hatte nicht einen sehr engen Kontakt zu ihm, da ich mit seiner Drogensucht nicht umgehen konnte. Er rauchte schon seit er 14 war Haschisch, später kam dann alles andere dazu (Koks, LSD, Ectasy, Methadon, Schlafmittel usw.). Er hatte einen Velounfall und war lange im Spital. Somit konnte er den ganzen Scheissdreck nicht konsumieren. Als er wieder zu Hause war, begann er schon wieder alles in sich hineinzustopfen. Seine Frau war verzweifelt, ich riet ihr zu gehen, aber sie traute sich wahrscheinlich den Schritt nicht zu oder weiss was. Irgendwie wollte ich mich komplett aus dieser Geschichte raushalten, denn je nach dem was mein Bruder geschluckt hatte, konnte er auch sehr unanständig und beleidigend werden. Aus diesem Grund habe ich ihn auch an Weihnachten rausgeworfen. Ich wollte mit meiner Familie zusammen und mit ihm Weihnachten feiern. Er kam aber so verladen und beleidigte uns alle so, dass ich ihn rauswarf. Nachher hörte ich nichts mehr von ihm bis zu diesem Velounfall, wo ich ihn dann auch im Spital besuchte. Ich sagte ihm schon, er soll sich Hilfe holen, aber eben, er fand immer, ich sei nicht normal usw. usw. Immer die gleiche Leier. Ich hatte noch einen Bruder, welcher mit 36 an seiner Drogensucht gestorben ist (Hepatitis). Diese Drogen haben unser ganzes Familienleben zerstört. Meine Mutter ist vor 4 Jahren gestorben und mein Vater (77) lebt noch. Und sonst bin nur noch ich. Eigentlich hätte er ja gewusst, was zu machen ist. Ich hatte Hoffnung, dass jetzt dieser Velounfall ihn vielleicht zur Vernunft gebracht hätte, aber weit gefehlt, er verstarb am 22. November 2005 an einer Ueberdosis Kokain. Am Anfang war ich einfach nur wütend und jetzt bin ich unendlich traurig. Traurig, dass er nicht mehr aus seinem Leben machen konnte, als sich einfach zuzudrönen. Jetzt habe ich gar keine Brüder mehr. Irgendwie kann ich dies auch nicht jedem und jeder so erzählen. Denn, wenn man nicht in der eigenen Familie mit Drogensüchtigen zu tun hatte, kann man gar nicht nachvollziehen, was da alles kaputt gegangen ist. Ich würde mich so gerne mit anderen Leuten austauschen, die auch drogensüchtige Geschwister haben oder hatten und das Gleiche durchgemacht haben wie ich.
Ich wünsche euch allen alles Gute.
Liebe Grüsse
pandora
 
Werbung:
Hallo Pandora,

erst mal willkommen hier im Forum.

Ja, du hast Recht, wer nicht so etwas oder Ähnliches durchgemacht hat,
kann nicht alles nachvollziehen.
In meiner Familie gab/gibt es auch Drogenprobleme.
Mein Vater war Alkoholabhängig und hat sich regelrecht "totgetrunken",
ist vor 12 Jahren an den Folgen des Alkohols gestorben.
Ich konnte damit auch nicht umgehen und wir hatten wenig bis gar keinen Kontakt. Die ersten Jahre nach seinem Tod habe ich mir deshalb Vorwürfe gemacht, geglaubt, ich hätte mehr Kontakt haben sollen.
Aber welcher Kontakt ist schon möglich mit jemandem, der ständig mehr oder weniger betrunken ist? Mittlerweile ist es in Ordnung so wie es war. Alles!
Mein Bruder, zu dem ich nach langer Pause nun wieder Kontakt habe, ist in die "Fussstapfen" unseres Vaters getreten und trinkt auch.
Wir können kein Gespräch führen ohne das es zu Konflliten kommt, da er meist sehr aggressiv ist und auch keine Einsicht darin zeigt, dass niemand "Schuld" ist an seiner Krankheit.
Und da ich mir zu schade bin mir meine Energien rauben zu lassen durch seine Vorwürfe und Ansprüche, beschränke ich den Kontakt auf das Nötigste.
Wenn er etwas möchte ruft er an, wenn ich spüre das ist etwas was ich für ihn tun kann ohne das es mir schadet oder mich überfordert, bekommt er es.
Spüre ich, er möchte Energien abzapfen, mich als Mülleimer benutzen oder ist betrunken, beende ich die Gespräche.
Du kennst die "Spiele" die Süchtige treiben, auch um zu manipulieren.
Das machen sie nur mit demjenigen, der es zulässt.
Du brauchst dir keine Vorwürfe machen, dass du den Kontakt reduziert hattest, nicht immer helfen konntest und auch mal "egoistisch" warst.
Ja, ich weiss, das ist leichter gesagt als getan und nichts was man von Heute auf Morgen kann - das ist ein Prozess.
Und das mit den wechselhaften Gefühlen kenne ich auch.
Ich habe in der Zeit als mein Vater extrem trank, dadurch krank wurde und oft sterben wollte (Suizidversuche) oft gedacht: "könnte er nur sterben, dann wäre Ruhe, auch für mich". Ich habe das natürlich nicht wirklich gewünscht, sonderen einfach ein Ende dieses Leids für alle erhofft.
Als er dann wirklich tot war, bin ich in ein totales Loch gefallen.
Meine Trauer war riesig und in diesem Moment habe ich erstmals nach vielen Jahren wieder gespürt wie sehr ich ihn geliebt hatte.
Bei meinem Bruder ist es das Gleiche. Ich liebe ihn sehr, aber ich kann ihm nicht helfen, solange er selbst das nicht möchte.
Vor allem ist man als Angehöriger auch meist emotional viel zu sehr verstrickt, als das man objektiv sehen und helfen könnte.
Da sich bei dir ja nun vieles "erledigt" hat durch den Tod deiner Brüder (entschuldige, hört sich etwas herzlos an, ich weiss)
kannst du ja nur noch schauen, wie du jetzt mit allem und auch mit dir umgehst.
Nach meiner Erfahrung ist es am hilfreichsten, wenn du ALLE Gefühle zulässt!
Die Wut, die Enttäuschung, aber auch den Schmerz, die Trauer und die Liebe, die trotz allem IMMER da ist.
Wir glauben oft, manche Gefühle schliessen sich gegenseitig aus,
aber das stimmt nicht. Gefühle sind wie sie sind, du hast ja keinen Einfluss darauf.
Was mir im Endeffekt auch sehr geholfen hat waren Familienaufstellungen.
Sie haben bewirkt, dass ich die Tatsachen anschauen und akzeptieren konnte und Vater (übrigens auch Mutter - Tablettenabhängig) und Bruder in Liebe annehmen kann und sie und ihr Schicksal akzeptieren kann ohne mich verantwortlich oder schuldig zu fühlen.

Da du ja keine direkten Fragen hattest, ist das alles was ich dir im Moment schreiben kann.
Kannst mich aber gerne "Löchern".:)

Alles Liebe für dich

Rucola
 
Meine Geschwister sind zwar nicht abhängig aber dafür mein Vater! Er ist Alkoholiker! Früher hat er dadurch unsere Familie zerstört!! Er hat uns Kinder nur aus Langeweile verprügelt, meine Mutte mehrfach Krankenhausreif geprügelt und mehr! Meine Mutter war durch ihn Suizid gefährdet! Sie hat drei missglückte Versuche hinter sich! Doch nach sechs Jahren gelang ihr der Austritt aus der Hölle! Sie ließ sich scheiden und rettete damit uns allen das Leben! Dafür werde ich ihr nie genug danken können!
Trotzdem haben wir seit dem alle nen Knacks weg! Alkoholiker oder auch nur Betrukene laßen mich zum Kleinkind werden! Meine Mutter ist nochmal auf so ein Typ reingefallen und hat wieder Jahrelang alles mit sich machen lassen! Doch nun ist sie allein! Den Kontakt zu meinem Vater hat sie mir nie verboten und ich pflege ihn heute auch wieder! Aber es gab eine Zeit, da habe ich meinen Vater gehaßt und verachtet! Er hat meine Mutter schlecht gemacht und ich habe zugehört! Doch irgendwann hat es mir gereicht und ich hab ihm die Meinung gegeigt! Da scheint was in ihm wach gerüttelt zu haben! Er hörte auf zu trinken! Und wir kammen wieder zueinander! Heute trinkt er wieder aber "normal"! Wenn er in meiner Gegenwart zu Alkohol greift bin ich weg! Ich hasse es ihn so zu sehen!
Er macht sich zwar lustig darüber, aber ich reagiere darauf nicht!
Ich rede viel mit ihm aber ich sage ihm nichts, was meine Gefühle angeht!

Einmal ging es mir total beschissen! Ich war am Ende und wollte das Ende! Da dachte ich, was mein Vater kann, kann ich auch! Ich nahm mir den Alk (sonst trinke ich so gut wie nie) und trank zwei Flaschen auf mehr oder weniger ex!
Während desen rief ich meinen Vater an und dankte ihm dafür, das er mir gezeigt hat, "wie schnell Probleme duch Alkohol verschwinden"! Sarkastisch gemeint natürlich! Er war schockiert! Und ich noch viel mehr!

Abhängige in der Familie zerstören alles! Entweder man weiß irgendwie damit umzugehen oder man trennt den Kontak, egal wie schwer es fällt!

Ich habe Angst, in die gleiche Sucht zu verfallen wie mein Vater! Ich habe Angst meine Kinder (wenn ich dann welche habe) zu schlagen! Ich muß mit der Angst leben! Und es kostet unendlich viel Kraft! Ich schaffe es nur, weil ich Wut raus lasse, wenn ich sie empfinde und weil ich gehe, wenn mein Vater trinkt!
 
blue tweety schrieb:
Ich habe Angst, in die gleiche Sucht zu verfallen wie mein Vater! Ich habe Angst meine Kinder (wenn ich dann welche habe) zu schlagen! Ich muß mit der Angst leben! Und es kostet unendlich viel Kraft! Ich schaffe es nur, weil ich Wut raus lasse, wenn ich sie empfinde und weil ich gehe, wenn mein Vater trinkt!

Hallo blue tweety,

kann ich total verstehen.
Genauso war's bei mir auch.
Und genau deshalb - nämlich aus der Ablehnung heraus - bin ich genauso geworden (für eine gewisse Zeit und in abgemilderter Form).
Denn das was wir ablehnen, dem werden wir immer ähnlicher!
Erst als ich anfing ALLES zu nehmen, was ich von meinen Eltern bekommen hatte - auch das was ich als "Schlimm" empfunden hatte - kam die Wende,
der Frieden, sprich dieser innere Kampf, der mich so viel Kraft kostete nahm ein Ende.

LG Rucola
 
Hallo Rucola!

Nur auf deinen letzten Beitrag bezogen (alle anderen habe ich auch gelesen) -
WIE hast du das gemacht, das "alles von den Eltern nehmen"?

So wie du sagst, genau so ist es: was man ablehnt, dem wird man immer
ähnlicher.

Ich habe mich viel auseinandergesetzt mit diesem Lösungsansatz und es
klingt alles sehr einleuchtend.
Aber es ist mit einer symbolischen Handlung (zB bei einer Familienaufstellung) nicht damit getan, ein Ritual zu vollziehen. Das muss
mit tiefer innerer Überzeugung geschehen.
Daran scheitert es bei mir.

Deshalb nochmal meine Frage nach dem "Wie"???

Danke für eine Antwort,

LG,
Karin
 
Liebe Rucola und blue tweety
Herzlichen Dank für eure Antworten. Ich dachte schon, ich sei mutterseelenallein auf der Welt mit meinen Problemen. Was mich noch belastet ist dies, dass wir schon von Jung auf nicht nach aussen kommunizieren konnten, dass wir ein Drogenproblem haben. Es wurde immer alles hinter geschlossener Türe gehalten. Als mein erster Bruder 1998 infolge seiner Drogensucht verstarb, wollte meine Mutter, dass man dies geheim hielt. Sie hat es nicht einmal mir gesagt, sondern ich habe es 4 Wochen später von einem Onkel (ihrem Bruder) erfahren. Als ich sie darauf angesprochen habe, hat sie mir gesagt, ich hätte ja sowieso nichts mehr von meinem Bruder wissen wollen und somit fand sie es auch nicht für nötig, mich über dessen Tod zu benachrichtigen. Für mich war dieser Zustand nur furchtbar. Es war ja nicht so, dass ich nichts mehr von ihm wissen wollte, ich kam einfach nicht klar mit seiner Drogensucht. Und wie Rucola schreibt ist es schon so, dass Süchtige sehr gut manipulieren und agieren können und die ganze Umwelt in Atem halten. Ich habe mir oft Gedanken gemacht, dass all die Süchtigen auch nur existieren und so leben können, solange die Umgebung mitspielt, also solange es diese Co-Abhängigen gibt. Wenn diese wegfallen, sähe das Ganze wahrscheinlich anders aus. Mein 2. Bruder, der jetzt an einer Kokain-Ueberdosis verstarb war ebenfalls sehr belastend, da man mit ihm ebenfalls nicht entspannt umgehen konnte. Es war immer eine Daueranspannung wenn er anwesend war, nur er hat gesprochen, nur er hat die Themen bestimmt und alle anderen waren blöd, wussten nicht wie man lebt usw. Es war natürlich auch immer so, dass meine Mutter ihre beiden Söhne schon sehr nahe bei sich wollte, diese beiden waren aber auch die, die am unanständigsten mit der Mutter umgingen. Ich bin mit 19 ausgezogen und habe mein eigenes Leben eingerichtet. Heute bin ich verheiratet und habe 2 Töchter und möchte einfach irgendwie mit Anstand leben können. Aber wenn man solche Drogenprobleme zu Hause hat, hat man immer das Gefühl, man habe gar kein Anrecht auf ein ausgelassenes, fröhliches Leben. Es gibt immer einen Schatten, der einem das Leben nicht ganz so lebenswert macht. Ich würde es schön finden, wieder etwas von euch zu hören.
Ein schönes Wochenende
Liebe Grüsse
pandora
 
Rucola schrieb:
Hallo blue tweety,

Erst als ich anfing ALLES zu nehmen, was ich von meinen Eltern bekommen hatte - auch das was ich als "Schlimm" empfunden hatte - kam die Wende,
der Frieden, sprich dieser innere Kampf, der mich so viel Kraft kostete nahm ein Ende.

LG Rucola


Hi Rucola! Ich muß mich Katrin da anschließen, das ich nicht ganz verstehe, wie ich deinen Tip umsetzen soll!????
Also, vieleicht kannst du uns das nochmal nähr bringen??? :)
 
Hallo Pandora!
Das deine Mutter es nicht für nötig gehalten hat, dich über den Tod deines Bruder zu informieren ist Hart und unverantwortlich!!!
Dafür find ich einfach keine Worte!!!

Bei uns wird es auch nicht offen angesprochen! Immer wenn ich das Thema anschneide, wird schnellst möglich ein neues auf den Tisch gebracht! Und wenn ich mit meinem Vater drüber reden will, beherrscht er es in Perfetion, alte Feheler von meiner Mutter oder mir raus zu kramen und die dann in den Mitelpunkt zu stellen! Egal wie oft ich ihm sage, das ich es hasse wenn er trink, tut er es trotzdem! Nicht mehr so viel wie früher! Aber allein der Anblick (er und die Flasche) lassen mich innerlich schreien! Meine beiden Brüder ( haben anderen Vater) sagen immer: ich soll über den Dingen stehen! Ja klar, als ob das so einfach währe! Das ich nicht lache!!!
Ich habe zwar den Größteil meiner Kinheit erfolgreich verdrängt, aber in meinen Träumen holt es mich regelmässig ein! Das schaffe ich nämlich nicht abzuschalten!

Noch ne kleine Geschichte: Als ich (und meine Brüder) noch klein waren, sind wir mit meiner Mutter und ihrem Bruder im Wald spazieren gewesen. Meine Mutter geriet rutschte auf einem Stapel Baumstämmen aus, und diese rollten über sie! Als mein Onkel sie befreien wollte, wollten wir Kinder ihn davon abhalten! Ganz eifach aus dem Grund: Mutti schreit und hat Schmerzen und ein Mann will an sie ran! Meinem Onkel haben wir es fast Unmöglich gemacht meine Mutter zu befreien! Das ist doch hart oder!

Ich hab auch bis zu meinem 12 Lebenjahr nichts anderes gekannt, als mich mit Fäusten zu verteidigen! Egal wer mir oder meinen Brüdern dumm kam, hatte ordentlich eine zu sitzen!

Heute habe ich diese Gewalt in schlagfertigkeit umgewandelt! Aber ich weiß halt nicht, ob ich irgemdwann "rückfällig" werde?! Danke Vater!
 
pandora schrieb:
....... Ich dachte schon, ich sei mutterseelenallein auf der Welt mit meinen Problemen......

Hallo pandora,

ich möchte mich entschuldigen bei dir. Ich bin heute so einfach in dein
Thema geplatzt, habe dich und dein Anliegen quasi ignoriert, um an
Rucola eine Frage zu stellen, deren Antwort mich interessiert.

Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, aber es tut mir Leid.:hamster:

Deine Geschichte geht mir unter die Haut, und ich bewundere dich dafür,
wie klar und trotzdem nicht abgeklärt du darüber sprechen kannst.

Ich melde mich morgen wieder.

Gute Nacht und liebe Grüße,
Karin
 
Hallo Karin, hallo blue tweety

So ein Mist, jetzt hatte ich so eine lange Antwort geschrieben
und als ich fast fertig war, hat sich doch dieser PC aufgehängt
- nix ging mehr und der Text ist weg.
Sollte wohl nicht sein.
Jetzt habe ich aber weder Zeit noch Nerv das alles noch mal zu schreiben, weil ich gleich aus dem Haus muss.
Ich vergesse euch aber nicht und tipp's bei Gelegenheit noch mal.

Schönene Sonntag
Rucola
 
@ Rucola

Das ist momentaner FRUST PUR, das mit dem "Text weg", besonders wenn dieser lang war und gedanklich gut aufgebaut.
Ist mir auch schon mehr als einmal passiert.
Ich bin sehr gespannt auf deinen nochmaligen Anlauf - danke dafür!

Auch einen schönen Sonntag,
Karin
 
Liebe pandora!

Deine beiden Beiträge habe ich zweimal gelesen. Da kommt so viel Traurigkeit
rüber. Ich denke, jeder Mensch mit deinen Lebenserfahrungen wäre traurig und hätte einen Rucksack voller Fragezeichen. Deshalb meine ehrliche Bewunderung dafür, dass du dir ein anständiges Leben aufbauen konntest.
Selbstverständlich hast du Recht darauf, glücklich zu sein! Aus deiner
Formulierung, auch wenn du es bewusst vielleicht nicht so gemeint hast, ist
ersichtlich (meine Interpretation), dass du dich auf einer unbewussten Ebene
mit-schuldig fühlst (" .... dass wir ein Drogenproblem hatten..."). Du
hattest keines, und bei klarem Verstand musstest du alles, was passiert ist,
einfach hinnehmen. Du hättest gerne helfend eingegriffen, warst aber machtlos.

Dass diese Altlasten dich be-lasten, das ist nur allzu gut nachvollziehbar. Dass
deine Mutter dir den Tod deines ersten Bruders verschwiegen hat, das ist eine
ganz schlimme Sache, ich denke mir, das macht zusätzlich wütend. Meine
Mutter hat so etwas auch gemacht, in einer anderen Situation, jedoch mit den gleichen Beweggründen: sie hatte meiner Schwester, die damals mit 12 Jahren noch ein Kind war, lange verheimlicht, dass ich ein Baby bekommen hatte. Ich war noch nicht verheiratet, und das hätte der perfekten Fassade einen Riss zugefügt.
Gerächt habe ich mich damit, dass ich vor meiner Mutter meine nächsten
beiden Schwangerschaften verheimlicht habe. So stand sie nun wirklich
dumm da, genau das wollte ich. Das war eine sehr unreife Reaktion, ich stellte mich außerdem auf eine Stufe mit ihr. Und hier bewahrheitet es sich,
was auch Rucola angesprochen hat: wir werden dem, was wir ablehnen,
immer ähnlicher. Das nur am Rande.

Dass bei dir gleich beide Brüder betroffen waren, das ist schon sehr hart.
Und dass deine Mutter die nicht-intakte Familie nicht nach außen präsentieren wollte, ist auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. In
erster Linie hätte sie wohl darunter gelitten, dass sie, als Mutter, in den
Augen der Umwelt versagt hatte. Kinder sind ja das Produkt einer Erziehungsarbeit, deswegen auch die negativen Reflektionen, wenn das
Ergebnis nicht "ausfällt" wie gewünscht.

Deine Geschichte wirft dennoch Fragen auf, die du bitte nicht als Neugier
verstehen sollst.
Jeder Sucht liegt ein Problem zugrunde. Und, nachdem es ja gleich zwei
Geschwister betroffen hat, ist wahrscheinlich auch der Grund ein gemeinsamer. Kennst du ihn? Hat er mit deinen Eltern zu tun? Oder mit
Vorfahren?
Hat deine Mutter später jemals versucht, alles mit dir aufzuarbeiten?
Welche Rolle spielte dein Vater in der Familie? Was ist heute mit ihm? Ich
könnte mir vorstellen, dass auch er leidet und sich viele Vorwürfe macht.
Hast du Kontakt zu ihm?
Deine Töchter - ich weiß ja nicht, wie alt sie sind - aber kannst du (was
bestimmt sehr schwer fällt) mit ihnen offen sprechen? Oder übernimmst
du das Muster deiner Herkunftsfamilie und schweigst?

Dass deine Mutter ausgerechnet die Söhne, die sich ihr gegenüber nicht so
anständig verhalten haben, so gerne bei sich hatte, das ist ein Phänomen,
das man oft antrifft. Auch im umgekehrten Fall kann man oft beobachten,
dass Kinder, die von ihren Eltern schlecht behandelt wurden, trotzdem alles
für diese Eltern tun und ihre Nähe suchen. Ich glaube, das hat etwas mit
Übernahme von Schuld zu tun.

Wie geht dein Mann mit all dem um?

Ich könnte mir denken, dass man so eine Vergangenheit nicht wirklich
alleine verarbeiten kann. Hast du dir schon mal professionelle Unterstützung
geholt?

So viele Fragen, die du hier natürlich nicht beantworten musst, aber sie
haben sich mir aufgedrängt.

Ich wünsche dir einen schönen, trotzdem unbeschwerten Sonntag,
liebe Grüße,
Karin
 
Liebe Karin

Jetzt habe ich dir ganz viel geschrieben und nichts davon ist erschienen. Irgendetwas hat nicht geklappt. :nudelwalk
Ich möchte dir ganz herzlich danken, dass du dich so ausführlich auf meine Beiträge eingelassen und geantwortet hast. Ich war zum Teil so gerührt, dass ich weinen musste. Weisst du, ich kann praktisch mit niemandem darüber sprechen. Die meisten Leute um mich herum wissen gar nichts davon. Ich habe 2 bis 3 Kolleginnen, denen ich dies erzählt habe und meine eigene Familie. Meine Mutter hat mir ausdrücklich befohlen, als ich vom Tod meines ersten Bruders erfahren habe, dass ich niemandem davon erzählen darf. Ich musste es ihr schwören. Und erst jetzt, als mein 2. Bruder starb, habe ich es meinen engsten Kolleginnen erzählt. Es gibt noch viele Leute, die immer wieder nach meinen Brüdern fragen, weil sie irgendwie etwas spannen, aber denen mag ich nichts erzählen. Viele machen so auf Superfamilie, alles im Griff haben und heile Welt, dass ich mich daneben dann richtig schäbig vorkäme, wenn ich ihr heiles Weltbild zerstören würde. Aber irgendwie regt mich das ganze auf und am liebsten würde ich rausschreien, meine beiden Brüder leben nicht mehr und sind an den Drogen krepiert. Es gibt Phasen, da könnte ich dies sofort machen und dann wieder habe ich Angst, dass diese Heile-Welt-Leute mich fragen, wie es meinen Brüdern gehe. Verrückte Sache. Zu Hause bei meinen Töchtern (14 und bald 18) kann ich offen darüber sprechen, aber irgendwie geben sie mir zu merken, dass sie damit nichts zu tun haben wollen. Mit meinem Mann habe ich schon Stunden verbracht mit Darüberreden. Mein Mann hat natürlich auch die beiden Werdegänge von beiden Brüdern mitgemacht und da war auch sehr viel passiert, mit Beklautwerden, Belogenwerden, Schlägereien usw. Alles unschöne Szenen. Ich muss auch sagen, dass ich jahrzehntelang ein Leben geführt habe mit dauernder Angst, und zwar hatte ich jedes Mal Angst, wenn das Telefon klingelte. Jedes Mal bin ich in Schweiss ausgebrochen und ich hatte Angst, dass etwas passiert ist. Ich habe immer damit gerechnet, dass es irgendwann soweit ist. Ehrlich gesagt war ich jeweils am ruhigsten, wenn meine Brüder im Knast waren. Da waren sie versorgt. Ich habe mir auch schon Hilfe geholt bei einer Psychologin. Eigentlich weiss ich genau um was es geht. Ich arbeite in einem psychiatrischen Ambulatorium und habe tagtäglich mit Drogensüchtigen zu tun. Mir tun nicht die Drogensüchtigen leid, sondern ihre Angehörigen, ihre Eltern und Geschwistern. Nicht nur die "armen Drogensüchtigen" führen ein Scheissleben, ebenso ihre Angehörigen. Aber dies sind sie sich nicht bewusst, denn sie sind ja die Opfer. Das macht mich jeweils so wütend. Du fragst dich, warum ausgerechnet aus derselben Familie gerade 2 Personen von der Drogensucht befallen wurden. Ich kann es nicht genau erörtern. Wir sind sicher nicht in der superidealen Familie aufgewachen. Aber wer ist das schon? Meine Mutter war Ausländerin und fühlte sich nie recht wohl hier in der Schweiz. Mein Vater hatte die strikte Rolle als Ernährer und war eigentlich noch streng. Meine Mutter war eher lasch. Somit hatten sie oft Streit wegen dem Erziehungsstil. Ich wurde nocht recht taff erzogen als älteste Tochter. Meine Brüder wurden eher lasch und verwöhnt erzogen. Mein Vater fand dies nicht gut, meine Mutter wollte dass es ihnen gut geht. Sie versuchte damit auch, die beiden Söhne auf ihre Seite zu ziehen. So wurde der Vater ziemlich ausgespielt. Ich wurde auch ausgespielt, da ich den falschen Mann geheiratet habe, der die Folgen der Drogensucht ihrer beiden Söhne auch nicht vollumfänglich akzeptierte. Irgendwie ist alles sehr verwirrend. Aber es tut wirklich gut, hier schreiben zu können. Ich habe jetzt einfach so von der Seele geschrieben. Ich danke dir fürs Lesen und fürs Anteilnehmen.
Liebe Karin, ich wünsche dir einen schönen Montagabend.
Liebe Grüsse
pandora
 
Liebe pandora,
zuerst einmal mein ehrliches und aufrichtiges Mitgefühl!! Und mein Beileid zum Verlust deiner Brüder. Und ich finde es mutig dass du darüber geschrieben hast.

Heute bin ich verheiratet und habe 2 Töchter und möchte einfach irgendwie mit Anstand leben können. Aber wenn man solche Drogenprobleme zu Hause hat, hat man immer das Gefühl, man habe gar kein Anrecht auf ein ausgelassenes, fröhliches Leben. Es gibt immer einen Schatten, der einem das Leben nicht ganz so lebenswert macht.

da möchte ich mich Karin anschließen doch du hast ein Anrecht auf ein ausgelassenes und fröhliches Leben.
Nach alledem was du durchgemacht hast sogar erst Recht!!! Sag dir das bitte immer wieder du hast ein gutes Leben verdient!!

Die Art und Weise wie unsere Gesellschaft mit diesen Themen und den Betroffenen umgeht macht es allerdings sehr schwer.
So jedenfalls meine Erfahrungen.
Zu dem Schweigen und Verheimlichen kommen ja die Schuldgefühle und Scham und je weniger darüber gesprochen wird um so mehr verselbstständigt sich das Ganze. Und der Schatten von dem du schriebst wird immer größer.

Ich würde mich so gerne mit anderen Leuten austauschen, die auch drogensüchtige Geschwister haben oder hatten und das Gleiche durchgemacht haben wie ich.
Auch ich versuche es möglich kurz zu halten .Seht es mir bitte nach wenn es doch etwas länger wird.

Als ich deinen Beitrag las dachte ich sofort an meinen verstorbenen Schwager( Heroin Tod goldener Schuss und das auf´m Dorf wo jeder jeden kennt). Und an meine Schwiegermutter die diesen Sohn besonders liebte und ihrem noch lebenden Sohn( mein Mann) ins Gesicht sagte meine guten Kinder sind alle schon tot.
Während ich deinen Beitrag weiter las der mich sehr betroffen gemacht hat und unendlich traurig, viel es mir nach und nach ein, da ist doch noch mehr Drogenproblematik in deinem Leben.
Ich erlaube mal zu berichten.
Von meinem ersten Mann wurde ich unter Alkoholeinfluss geschlagen und Vergewaltigt. Und habe "natürlich" geschwiegen. Das hatte ich früh gelernt wurde 14 Jahre Sex.mißbraucht in meiner Kindheit. Wurde auch drüber geschwiegen. Die Drohungen falls ich sprechen würde waren zu massiv.
Das mit dem Alkohlproblem setzte dann an einem bestimmten Punkt in meiner zweiten Ehe auch wieder ein. Wieder Gewalt (Schläge) wenigstens keine Vergew. mehr.
Irgendwann nach meinen Fehlgeburten. Nachdem mehrere Suizidversuchen fehlschlugen und sich meine Oma das leben genommen hatte Sie war meine einzige wirkliche Bezugspersohn. Fing ich selbst zu trinken an.
Nüchtern war mein Leben nicht mehr zu ertragen und Trennung war nicht zu denken.
Dieser Zustand zog sich über Jahre hin. Es schlich sich so ein. Das soll keine Entschuldigung für mich sein.
Ach und ein Bruder der dem Alkohol verfallen ist, jedenfalls solange Kontakt zu ihm bestand. Er hat vor 18 Jahren entschieden dass er uns nicht mehr als Familie haben will. Wir sind für ihn gestorben.
Wir haben es dann geschafft den Alkohol aus unserem Leben zu verbannen.
Aber das schweigen und nicht drüber reden können ist geblieben.
Es hat über 30 Jahre gedauert bis ich ein wenig Gehör fand für meine Problematik.
Aber immer wieder stehe ich vor Menschen die mir sagen stell dich nicht so an, anderen geht’s viel schlechter und ein gesunder Austausch ist kaum möglich.
Ich erlebe es auch immer wieder wenn ich über das Drogenproblem meines Schwagers sprechen möchte die Leute wollen es nicht hören.
Ist doch schon so lange her.

Warum schreibe ich es dir, weil ich am eigenen Leib erfahren habe welche verheerende Folgen das Schweigen und die falsche Scham mit einem Anrichten.
Und ich wünsche dir dass du den Mut und die Kraft aufbringst das Schweigen zu brechen und dich davon befreien kannst. Du hast keine Schuld an dem was geschehen ist!
Ich habe jetzt nach 38 Jahren das erste Mal einen Therapieplatz bekommen. Aber ehrlich gesagt ich weiß manchmal gar nicht wo ich zuerst anfangen soll.
Es ist alles so sehr miteinander verwoben.
Und hoffe dass ich es irgendwann schaffe die Scham und Schuldgefühle loszuwerden. Und all die verheerenden Spätfolgen die sich aus meiner Kindheit her aufgebaut haben zu bearbeiten.

Selbst hier anonym zu schreiben fällt mir sehr schwer. Aber was soll’s schlimmer kann es echt nicht mehr kommen.

Zu deinen Kindern ich weiß nicht wie alt sie sind aber ich weiß aus eigener Erfahrung dass es wichtig und gut ist mit seinen Kindern zu sprechen.
Damit die alten Familienmuster durchbrochen werden.
Seit ich mit meinem Sohn, fast erwachsen, über einiges sprechen konnte ging es einwenig besser. Auch für ihn denn er hat schlimmes durchmachen müssen früher.

Liebe Pandora ich denk an dich und wünsche dir von ganzem Herzen dass du es schaffst mit dem Kummer und all dem Leid besser umzugehen.


@Karin
Liebe Karin
na nun weißt du wenn du das gelesen hat einwenig von meinen Abgründen.
Ich finde deine Art wie du anderen schreibst so was von Mitfühlend und passend gewählt. Es tut gut deine Beiträge zu lesen!
Das musste ich dir einfach schnell noch mitteilen.

Liebe Grüsse
Michi
 
Werbung:
Liebe Michi

Ganz herzlichen Dank für deine Antwort und für deine Anteilnahme. Ja, du hast recht, indem dass alle über ihre innerfamiliären Probleme schweigen und alle nur auf Sonnenschein machen, ist es für die Menschen, die nur am Rande zuschauen können, viel schwieriger, sich zu öffnen und über ihre Probleme zu sprechen. Ich habe oft das Gefühl, dass ich minderwertiger bin als andere, da ich aus einer zerrütteten Suchtfamilie komme. In meiner ganzen Umgebung gibt es nur alles sogenannt intakte Familien. Die feiern zusammen Geburtstage, Weihnachten, gehen zusammen in die Ferien, hüten einander die Kinder usw. usw. Dies kenne ich alles nicht. Meine Kontankte mit meiner Familie, insbesondere Brüder, waren immer sehr belastend, da ich von ihnen dauernd angepöbelt, angefeindet, ausgelacht und nicht ernst genommen wurde. Meine Mutter hat mir die Kinder machmanl gehütet, aber dies auch oft mit einem Nebengeräusch und da hatte ich immer ein schlechtes Gewissen und brauchte jeweils viel Ueberwindung, um sie darum zu bitten. Im grossen und ganzen war mein Kontakt zur Ursprungsfamilie sehr belastend. Dazu kommt noch, dass ich von meinem Vater von ca. 7 bis 14 Jahren sexuell belästigt wurde (ich wurde zu keinem Geschlechtsverkehr gezwungen), aber ich wurde von ihm begrabscht. Ich durfte dies aber der Mutter nicht erzählen, sonst wäre er ins Gefängnis gekommen, so hat er mich zum Schweigen gezwungen. Meine Mutter hatte nichts bemerkt oder wollte nichts merken. Und so haben wir weiter auf gute Familie gespielt. Meine Mutter war die ewige Leidende. Sie kam aus dem Ausland, war als Kind arm, hatte nicht den richtigen Mann geheiratet, hatte eine arme kranke Mutter, die sie dann auch in die Schweiz nachreisen liess, hatte einen armen Bruder, der dann aber ziemlich reich wurde und dann den Kontakt zu meiner Mutter nicht mehr allzu oft suchte. Wenn ich das alles schreibe und darüber nachdenke, muss ich fast kotzen. Ich denke manchmal, ich habe zu fein eingestellte Sensoren. Meine Brüder haben sich keinen Deut um das Befinden der Mutter gekümmert. Die sind schon sehr früh gegangen und haben gemacht, was sie wollten. Wenn sie dann wieder abgebrannt waren, kamen sie wieder zurück. Ich bin mit 19 ausgezogen und habe seither mein Leben selber im Griff. Ich hatte immer Kontakt zu meiner Mutter und habe ihn auch immer gesucht. Sonst hatte ich Schuldgefühle. Das ganze ist so verwirrend. Ich muss mir jeweils jedes Problem einzeln zurechtlegen und anschauen, dann geht es. Was mir Mut macht, ist, dass ich sehe, dass es hier im Forum noch mehr Menschen gibt, die Aehnliches durchmachen wie ich und auch versuchen, das Leben trotz allen Schikanen zu meistern. Ich würde gerne mit euch in Kontakt bleiben, damit wir uns austauschen können. Ich fühle mich dann nicht so isoliert.
Ich wünsche euch allen einen sonnigen Diensttagnachmittag.
Liebe Grüsse aus der Schweiz
pandora
 
Zurück
Oben