Hallo Ihr Lieben,
vielen Dank für Eure Antworten.
Ich hatte jetzt Urlaub und computerfreie Zone. Ich hatte mir meinen Antwortentwurf mitgenommen, aber bei über 30 Grad war das dann doch nicht die richtige Lektüre.
Ich versuche mal, auf Eure Antworten einzugehen.
@ Alex,
meine Mutter ist zerrissen, depressiv und ihr eigenes Selbstwertgefühl reicht nicht aus, um diesen "Schlag" zu verkraften. Das läuft auf Verdrängung hinaus. Ich denke, sie will einfach nichts davon hören.
Sie zitiert einzelne Bsp. aus der Kindheit, um ihre Toleranz und Gutwilligkeit, ihre Mühe mit mir usw. zu belegen. Das macht überhaupt keinen Sinn, weil ich in meiner Erkenntnis viel theoretischer und allgemeiner rangegangen bin. Sie will es jetzt konkret haben und behauptet eben, dass sie überhaupt nicht weiß, was ich z.B. damit meine, wenn ich von überzogenen Ansprüchen der Eltern an erwachsene Kinder, vom Erzeugen von Schuldgefühlen spreche, davon, dass ich eben das Gefühl hatte, dass für meine Eltern alles selbstverständlich sei, aus Dankbarkeit.
Ich denke, es ist ihr Schutz, sich aus den positiven Details eine Mauer zu bauen.
In meinem Brief habe ich nie die positiven Dinge negiert - aber auch nicht dargestellt. Meine Mutter fühlt sich total verletzt, ich hätte alles in den Dreck gezogen, alles Positive verkehrt, ich hätte sie verurteilt, nicht kritisiert. Damit könne sie nicht leben und deshalb will sie auch keinen Kontakt mit mir. Sie meint, ich habe ihnen unterstellt, dass sie das alles bewusst getan hätten. Und genau das ist eben nicht der Fall. Das ist das Ergebnis meiner Überlegungen und auch der Gespräche mit dem Psychologen. Und genau da bricht die Überlegung meiner Eltern ab. Sie lassen sich auf diese Ebene nicht ein.
Im Prinzip habe ich meine Eltern mit dem Brief total überfordert. Sie sind, wie sie sind. Wenn ich meine heutige Einstellung damals schon gehabt hätte, wäre ich in der Lage gewesen, die Situation auch so in den Griff zu bekommen. Es ist ja wirklich nichts in böser Absicht geschehen. Genau das halten sie mir ja jetzt vor und dabei lese ich zwischen den Zeilen auch immer mal das Eingeständnis, dass sie als Leher viel diktiert haben, weil sie genervt waren...
Ich werde in meiner Antwort - die eine werde ich noch schreiben - mehr über mich selbst schreiben, dass ich das Problem hatte und nicht abgeschätzt habe, wie sehr ich sie damit verletzen würde.
@ Penelope
Ich kann meine Schwester gut verstehen, aber andererseits war es wirklich sehr blauäugig zu glauben, meine Eltern könnten sich bei den Signalen, die sie bisher gesetzt haben, auf so eine zwanglose Sache einlassen. Nach diesem Brief ist mir das viel klarer.
Ich finde allerdings, dass meine Schwester es auch akzeptieren muss, dass wir uns nicht unter Zeugen das erste Mal wiedersehen wollen. Mir schien das von vornherein ziemlich unklug. Ihre Tochter geht bei ihrer anstehenden Hochzeit im Oktober auch davon aus, dass sie alle einlädt und hat schon signalisiert, dass sie beleidigt ist, wenn einer wegen diesem Zwist absagt. Aber im Grunde, kann sie doch niemanden zwingen, sich diesem Gefühlsstress auszusetzen, da leidet doch auch die Feier drunter.
Dass sich meine Schwester nicht reinhängt ist richtig, aber die Entscheidung liegt letztlich bei mir und meinen Eltern.
@Spätzin
Ich habe zwar keine Verantwortung für ihr Leben, aber die Verantwortung für den Brief, mit dem ich so vieles ausgelöst habe, habe ich schon. Leider war ich damals nicht in der Lage den Brief nur zu schreiben, und nicht abzusenden. Das hilft ja auch oft. Ich war einfach noch nicht so weit. Ich brauchte ja selber noch Hilfe, auch das haben meine Eltern überhaupt nicht herausgelesen. Mit dem Brief habe ich ihnen erst gesagt, dass ich eine Therapie mache, weil ich Probleme habe/hatte. Dazu kam nur ein bitterböser Satz.
Es wird auch ohne Versöhnung gehen, aber die Antwort auf ihren neuen Brief, der wirklich viel ausgereifter ist als der Schnellschuss von damals, die kann ich mir selbst nicht ersparen. Sie haben sich ja auch keine Antwort mehr verbeten.
@ Elke,
ich glaube, meine Mutter sieht nicht die Frucht in mir, sondern ich bin doch das böse Mädchen, dass den Baum fällt, weil die schönen Frücht durch mangelnde Sorgfalt und Zuwendung schlecht geworden sind. Das ist doch der Knackpunkt.
Der arme schuldlose Baum, die vielen schönen Früchte, die er gegeben hat, die paar die ein paar faule Stellen hatten. Und dann das böse, leichtlebige, sorglose Mädchen, dass es nicht schafft die paar faulen Früchte rechtzeitig auszulesen und alles verkommen lässt und anschließend dem Baum die Schuld gibt. Auf Einflüsterungen Anderer fällt sie dann den Baum. Totaler Irrsinn!
@ Chira
ich weiß wirklich nicht, ob es viel Sinn hat zu antworten. Sie verstehen mich nicht falsch, sondern sie können nicht anders. So viel ist mir inzwischen klar. Mir tut es auch leid, dass ich ihnen ihren Lebensabend so verbittert habe. Vielleicht hätte ich es wissen müssen, es sind ja schließlich meine Eltern. So wichtig sie sich nehmen, genauso intensiv hat es sie zerstört, dass ich bestimmte Prinzipien ihrer Erziehung ans Licht gezogen haben und hier den aktuellen Bezug zu meinen heutigen Problemen gesehen habe. Sie waren keine bewussten, bösen Täter oder so. Sie haben vieles gemacht, was andere Eltern auch machen, nur hat es eben bei jedem Kind eine andere Wirkung.
z.B. hält meine Mutter mir in dem neuen Brief wieder vor, wie groß ihre Probleme damit waren, dass ich so viel gelogen habe. Und sie hätten natürlich dann immer wissen wollen warum, mich zur Rede gestellt und schon diese Situation sei sicher für mich nicht schön gewesen. Sie sind beide Lehrer, warum Kinder lügen,weiß doch jeder. Da gibt es massenhaft Literatur. Genau in diesem Punkt würden sie bestätigt finden, was ich in meinem Schreiben verdeutlichen wollte. Dass ihr Druck zu groß war, dass meine Meinung nur mit Kampf was gegolten hat, dass ich mir mit Lügen meine Freiheiten erkauft habe, Freiheiten,die dann nicht mal Spaß machen, wenn man auf verbotenen Wegen geht. Dazu schreibe ich ganz kurz was, weil sie haben es ja angesprochen. Mein Psychologe hatte herausgearbeitet, mit Fragen, dass es zu diesen Lügen kam, immer differenzierter und klüger, weil ich keine reale Chance hatte, meine eigenen Interessen gegen die meiner Eltern durchzusetzen, und weil die Auseinandersetzung mit ihnen so unangenehm und eben oft erfolglos war. Wenn sie sich dieses Thema mal durchleuchtet hätten, hätten sie viele Antworten gefunden. Aber wie gesagt, ich habe sie überfordert.
Vielleicht ist nach meiner Antwort endgültig Schluss, aber unbeantwortet will ich den Brief nicht lassen.
Mein Freund liest sich momentan den ganzen Schriftwechsel mal durch und hat mir schon signalisiert, dass er meinen Einstieg in den Brief schon wieder zu hart findet. Ich wollte damit anfangen, dass den Vorwurf, dass ich jeztt 1 1/2 Jahre Zeit hatte etwas zu klären, sehr unfair finde, weil sie sich ja auf den anderen Brief eine Antwort verbeten hatten und mein Vater gesagt hat, er würde mich rausschmeißen, wenn ich vor der Tür stehen würde. Mein Freund sagt, das würde sofort alles verderben. Ich wüsste garnicht, was ich sonst als Aufhänger nehmen sollte. Das ist doch ihr Grundtenor, weil ich jetzt so lange Funkstille gehalten habe - stimmt auch nicht, weil Muttertagsgeschenk - sei es jetzt für alles zu spät. Also müsste ich doch genau damit anfangen.
Oder ich mache einen Dreizeiler, akzeptiere, dass sie mit mir nach dem Brief nichts mehr zu tun haben wollen und sage ihnen, dass es mir leid tut,dass ich sie nicht verletzen wollte, und eben keinen anderen Weg gesehen hatte, die ganzen angestauten Probleme - scheinbar allein meine Probleme, weil sie dachten ja es war alles chick - zu verarbeiten. Das ist mir gerade so beim Tippen eingefallen. Jedenfalls steckt da kein Zündstoff mehr drin.
So, ich muss jetzt erstmal Luftholen. Heute Abend mache ich mit meinem Herzblatt eine schöne Runde Motorrad und lasse mir den ganzen Kleister aus dem Hirn pusten.
Ich danke Euch allen sehr.
L.G.
Timmi