Wie die Beziehung zu den Eltern gestalten?

Hallo Timmi!
Du sollst dich auf keinen Fall von deinen Eltern abwenden. Obwohl vielleicht deine Eltern unbewusst dir zu deinen Verhaltensmustern verholfen haben, soll das nicht bedeuten, dass die Eltern sich ändern müssen. Sie sollten es auch tun, müssen jedoch ihren eigenen Weg erkennen. Das wäre doch viel zu einfach es ganz einfach ab zu schieben und nicht an sich selbst arbeiten zu müssen. So wird das nicht auf Dauer gehen. DU mußt an dir arbeiten. Das Verhältnis zu deinen Eltern möchte dir doch etwas mitteilen. Erkenne es.

Du schreibst du bist 40. OK ich bin 38 und lerne täglich. Stell dir vor es gibt Menschen die lernen noch mit 80 (sehr weise) und andere fangen nie an. Es bleibt einen jeden selbst überlassen. Doch warum nicht heute anfangen. Warum erst morgen. Was soll sich ändern?
Lynx
 
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Hallo Lynx,
ich bin wirklich dabei mich zu ändern. Ich spüre es ganz deutlich. Aber den Anstoß für meine Eltern wollte ich auch geben. Es nützt nicht wirklich, wenn ich mich und mein Verhalten auch ihnen gegenüber verändere und sie wissen nicht, was ich denke und fühle. Damit ist letztlich nicht die Vergangenheit gemeint sondern die Gegenwart. Was brauche ich, um mit mir und der Umwelt klarzukommen, um glücklich zu sein. Und das müsste auch ihnen für mich Recht sein, weil Eltern doch ihre Kinder glücklich sehn wollen. Und da genau liegt das Problem meiner Eltern.

Das Verhältnis zu meinen Eltern, so wie es bisher bestanden hat, sagt mir, dass ich von Ihrem Wohlwollen und von ihrer Meinung über mich und mein Tun abhängig war. Davon habe ich mich gelöst. Diese Abhängigkeit vom Anderen, auch vom Partner, die will ich - loslassen -. Du hast mich da auf einen ganz klaren Gedanken gebracht mit Deiner Frage.

Ich bin sogar schon 42, für mich selbst bin ich ganz einfach über 40. Es ist einfach spät, so grundsätzliche Dinge wie Selbstwertgefühl und sich selbst zu lieben und anzunehmen und sich nicht abhängig zu machen von der Meinung anderer in diesem Alter zu lernen. Sicher nicht zu spät, aber ich glaube, dass ich schon viel Zeit verschenkt habe, weil ich mich immer unglücklich gefühlt habe.

Liebe Grüße
Andrea
 
Hallo timmi,

leider kenne ich die ganzen Beiträge nicht. Drum kann meine Antwort schon mal dastehen.

Es gibt nur eine Chance, mit den Eltern klar zu kommen: sie zu nehmen, wie sie sind und waren. Du kannst sie eh nicht verändern. Für mir war das ein schwerer Wandlungsprozess in meiner Einstellung und ich sage dir: es hat sich gelohnt. Heute bin ich ihnen dafür dankbar, dass sie das ihnen möglichste getan haben und auch heute noch versuchen.

Und dann habe ich festgestellt, dass meine Eltern mir zum Beispiel schon was beibringen wollten, nur ich war es, der sie abgelehnt hat. (Die Erziehung meiner beiden Kinder gibt mir genügend Stoff zum Nachdenken und überlegen.)

Liebe Grüße pluto
 
Hallo Pluto,
ich nehme meine Eltern schon so wie sie sind. Das bedeuted für mich, dass ich ihnen in ihre Angelegenheiten nicht reinrede und mir kein Urteil über ihren Geschmack etc. und ihre Lebensgestaltung anmaße. Das Gleiche erwarte ich jedoch auch von ihnen.
Meine Toleranzgrenze ist da erreicht wo andere meine Lebensstrategie, meine Auffassung, meine Philosophie, missachten und mir ihre diesbezüglichen Einstellungen überzustülpen versuchen. Die Toleranzgrenze ist da erreicht, wo es beginnt mir wegen des anderen schlechter zu gehen, und das war leider in der Beziehung zu meinen Eltern immer wieder der Fall. Ich bin nicht mehr bereit, mich von ihnen verletzen zu lassen.
Ich werde mein Verhalten ändern, indem ich Grenzen setze

Und dann habe ich festgestellt, dass meine Eltern mir zum Beispiel schon was beibringen wollten, nur ich war es, der sie abgelehnt hat.

Meine Eltern wollten mir beibringen, dass was sie gut und richtig finden auch für mich gut und richtig zu finden. Sie haben überhaupt nicht daran gedacht, dass ich ein Recht auf eine eigene Persönlichkeit hatte, auch als Kind. Dass ich andere Bedürfnisse und Gefühle hatte als sie. Meine Gefühle und Bedürfnisse musste ich also als falsch ansehen, weil ja die Eltern, die mich ja lieben es anders sehen. Ich habe schon vieles trotzdem anders gemacht, aber eben mit ständigen Schuldgefühlen ihnen gegenüber, weil ich mir meine Freiheit mit Lügen genommen habe. Es ging mir also trotzdem schlecht. Ich konnte mir ihrer Gefühle und Anerkennung für mich nur sicher sein, wenn ich ihre Erwartungen erfüllte. Später haben sie dann eben gezeigt, dass sie an ihren enttäuschten Erwartungen leiden und mich damit wieder in Situation gebracht, daran Schuld zu sein. Diese Gefühle haben mich über vierzig Jahre beherrscht.
Ich mache einen Wandlungsprozess durch, aber nicht dahingehend, ihr Spiel weiter bewusst mitzuspielen, sondern Grenzen zu setzen. Dass sie es gut meinten, will ich mal hoffen. Ich weiß aber nicht, wie ich es damit halten soll, dass ich als Kind von ihnen geschlagen wurde - von den Eltern, die Dich lieben und Gutes für Dich wollen, die Du achten und denen Du vertrauen sollst. Meine Eltern sind beide Lehrer, Pädagogen! Sie wollten lediglich ihre Meinung mit Nachdruck durchsetzen. Das ist ihnen immer schwerer geworden, weil sich erwachsene Kinder nicht mehr bevormunden lassen.

Ich glaube, es ist in Ordnung, dass ich an ihrem Heiligenschein gekratzt habe. Da müssen sie mit leben, wenn sie weiter mit mir Kontakt haben wollen. Ansonsten hätte ich keinen Wert mehr darauf gelegt. Mir liegt nichts an einer erlogenen heilen Welt.

Liebe Grüße
Andrea
 
timmi schrieb:
Ich glaube, es ist in Ordnung, dass ich an ihrem Heiligenschein gekratzt habe. Da müssen sie mit leben, wenn sie weiter mit mir Kontakt haben wollen. Ansonsten hätte ich keinen Wert mehr darauf gelegt. Mir liegt nichts an einer erlogenen heilen Welt.

Hallo Andrea,

freut mich, wieder von Dir zu lesen. Und freut mich, dass, wie ich Deinen Zeilen entnehmen kann, Dein Lebenswille stärker und stärker wird. Und freut mich, dass Du ein Entweder-Oder in den Raum stellst.

Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass es nichts bringt, "doch noch brav" sein zu wollen, das ist ja genau das Muster, das ihre Spielregeln bestätigt. Ich habe meine Eltern auch vor ein Entweder-Oder gestellt, und ab dem Moment haben sie mich ernst genommen. Sie müssen spüren, dass Du ihnen eine reife Beziehung anbietest: Du bist nicht mehr abhängig von ihnen, Du hast sie einfach nur gern. Der Rest liegt bei ihnen.

Alles Gute

Michael
 
Ja Michael,

wir hatten eine Weile Funkstille und ich verändere mein Denken schon fast so schnell, dass mir schwindlig wird.
Ich bin neugierig, wie es werden wird, mit meinen Eltern, aber nicht getragen von Bedenken.

Liebe Grüße
und ein schönes WE
Andrea
 
Hallo Andrea,

dann würde euch wahrscheinlich einmal ein großer Abstand ganz gut tun, indem du sie eine Zeit lang nicht mehr besuchst und dich auch sonst rar machst. Anders komme ich auch nicht mit meinen Eltern klar. Ihre Vorstellungen vom Leben insgesamt sind völlig anders als meine. Und warum sollte ich weiterhin für unnötigen Stress sorgen, indem ich regelmäßig in kurzen Abständen den Kontakt aufrecht erhalte? Das tu ich mir nicht mehr an.

Liebe Grüße pluto
 
Hi Andrea,

ehrlich gesagt, weiß ich noch gar nicht so genau, was ich dir schreiben will, nur, so wie du deine Eltern beschreibst, könnten es meine sein! Sie haben in meinen Augen auch viel Mist gebaut und ich traue ihnen auch zu, dass sie das selber so sehen, nur würden sie das nie zugeben, weil sie der Ansicht sind, dass Kinder ihren Eltern nichts vormachen können, da sie allwissend sind und die Kinder die Hilfe brauchen, bzw. nur ihre Eltern ganz genau wissen was gut für sie ist. Ich bin erst 23 also schon fast eine andere Generation und doch gleichen sich die Geschichten so sehr. Krass, oder? Ich hab meine Familie beinahe aufgegeben, weil so viel schief gegangen ist. Als ich endlich ausziehen konnte, hab ich den Kontakt auch erstmal total abgebrochen. Ich wollte auch gar nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Weihnachten hab ich vor drei oder vier Jahren das letzte Mal mit ihnen gefeiert. Aber ich will dir Mut machen. Denn in meiner Familie ändert sich da grad was, was ich nieeeee für möglich gehalten hätte. Mein Vater vertritt innerlich immer noch die Ansicht, dass besonders Frauen unfähig sind, alleine zu überleben. Es ging bei mir gerade darum, mir eine neue Wohnung zu suchen und ein Auto zu kaufen. Und wiedermal hatte mein Vater völlg andere Vorstellungen von MEINER Wohnung als ich (er wollte, dass ich von Ferienwohnung zu Ferienwohnung ziehe, als ich betonte, dass ich ein richtiges Zuhause möchte, nannte er mich sentimental). Mich hat das schier verrückt gemacht, bis mir klar geworden ist, dass er sich auf den Kopf stellen kann, ohne meine Unterschrift kann er keine Wohnung auf meinen Namen mieten. Das hat mich sehr ruhig gemacht. Und ich konnte endlich seine Hilfe annehmen, ohne mir dabei völlig deppert vorzukommen, weil er denkt, dass ichs ohne ihn eh nicht schaffen würde. Nur hab ich schon eine Woche vorher angefangen zu suchen, einfach um zu sehen, wieviel ich mit meinen Mitteln erreichen kann und wer weiß, vielleicht find ich dabei schon DIE Wohnung... Und das hab ich auch. Bevor mein Vater sie sah, hielt er mir vor, dass ich den größten Fehler gemacht hätte, ohne ihn zu suchen, als er sie dann sah, kam davon nichts mehr. Er hat sogar zugegeben, dass sie fast perfekt ist ; ) Die Vermieterin wollte ihn in der Wohnung herumführen, doch er lehnte dankend ab, "da diese Entscheidung seine Tochter fällen würde" ; )
Ich habe mir vorher überlegt, was ich ihm das nächste mal sagen würde: dass ich es schön finde, dass er sich soviel Gedanken um mein Leben macht, und dass ich froh bin, dass ich ihn um Hilfe bitten kann, wenn ich welche brauche. Trotzdem ist es mein Leben, dass ICH leben möchte.
Ich hab ihm das bis jetzt nicht so gesagt, aber vor der Wohnungsbesichtigung, sagte ich ihm, dass er sich da raushalten solle, wenn ich mit den Vermietern spreche. Und das hat er wirklich gemacht!!! Es scheint, als hätte er ein bisschen begriffen.
Es verändert sich langsam was : )

Sprich offen mit deinen Eltern! Wirklich ehrlich. Was kannst du verlieren? Und glaube, dass deine Eltern das Beste für dich wollen! Sie kennen nur ihre Sichtweise und aus ihrer Sicht raten sie dir zum Besten. Sie begründen dass dann natürlich noch mit ihrer Lebenerfahrung doch trotz dieser scheinen sie sich leider nicht vorstellen zu können, dass man andere Dinge schön und lebenswert finden kann. So ist das auch bei meinen Eltern. Wir scheinen in verschiedenen Welten zu leben. Und doch sind wir eine Familie. Irgendwie ists auch gut so. Da hat man nicht so eine beschränkte Sichtweise.

Ich wünsch dir alles Gute!

Liebe Grüße,

vind
 
Hey vind,
ein schöner Beitrag von dir.
vind schrieb:
... Das hat mich sehr ruhig gemacht. Und ich konnte endlich seine Hilfe annehmen, ohne mir dabei völlig deppert vorzukommen, .... Trotzdem ist es mein Leben, dass ICH leben möchte.
Ich hab ihm das bis jetzt nicht so gesagt, aber vor der Wohnungsbesichtigung, sagte ich ihm, dass er sich da raushalten solle, wenn ich mit den Vermietern spreche. Und das hat er wirklich gemacht!!! Es scheint, als hätte er ein bisschen begriffen.
Es verändert sich langsam was : )
Du hast dich verändert. Du bist jetzt gefestigter. Das spürt dein Vater und reagiert nur darauf.
Ich glaube durch die innere Haltung erübrigt sich das Reden sogar manchmal. Es ist oft nicht so einfach mit seinen Eltern zu reden. Doch wenn du innerlich stimmig bist spüren sie das. Sie nehmen dich dann ernst.
LG Tarot
 
@Tarot, ja, wahrscheinlich hast du Recht. In mir verändert sich echt grad viel : )

liebe Grüße,

vind
 
Hallo vind,
ich denke, dass Ihr jedenfalls noch etwas bessere Karten habt als wir, falls Du jetzt das erste Mal eine Wohnung gesucht hast, ist es ja ein Riesenschritt ins Leben als Erwachsener. Wenn nicht das erste Mal, so ist das Loslassen auch noch verständlicher. Klingt gut, was Du schreibst. Fakt ist, dass Du Grenzen gesetzt hast und Dein Vater hat sie akzeptiert. Genauso funktioniert das. Wenn er dann trotzdem Hilfe anbietet und nicht "einschnappt", wird Euer Verhältnis ein gleichberechtigtes und sicher auch liebevolles sein. Es macht einfach keinen Sinn , die Menschen, die man liebt, mit Erwartungen zu überfrachten, in beide Richtungen.
Ich denke, dass es für meine Eltern auch leichter gewesen wäre, wenn ich früher klare Ansagen gemacht hätte. Dazu war ich aber offensichtlich nicht in der Lage.

Viel Freude mit der neuen Wohnung!
Liebe Grüße
Andrea
 
Hi Timmi,

meinst du mit den besseren Karten, dass ihr, du und deine Familie, keine Chance mehr habt? Das glaube ich nicht! Wir hatten wirklich "schlechte Karten". Meine Eltern haben uns Kinder verprügelt, sobald man eine Minute zu spät heimgekommen ist. Das letzte Mal wurde ich mit 14 von meinem Vater und meinem Bruder (!) in die Badewanne geprügelt und getreten, so, dass ich danach nicht mehr sitzen oder liegen konnte. Danach sind wir 5 Stunden zu meinen Großeltern gefahren! Ich wurde innerhalb der Familie sexuell missbraucht. Als ich es irgendwann meiner Mutter erzählte, meinte sie, das habe er nicht so gemeint.
Als ich ein Paket nicht zur Post fahren wollte, haben meine Eltern beschlossen, drei Monate nicht mehr mit mir zu reden (obwohl wir in der gleichen Wohnung lebten!). Irgendwann durfte ich nicht mehr in ihr Schlafzimmer, Büro, oder die Küche. Das Studieren wollten sie mir nicht erlauben (nichts bezahlen, weil ein Fabrikjob für eine Frau reicht, sie sowieso total arm sind (sind sie nicht), ihr Gehalt für den BaföGantrag weigerten sie sich anzugeben) , erst, als ich ihnen mit einem Anwalt drohte, gaben sie nach.

Es ist wichtig, ihnen zu vergeben. Nur dann kann man nochmal ganz von vorne beginnen! Ich sage nicht, dass es leicht ist. Bei mir hat es Jahre gedauert. Aber stell dir mal vor, wie schön es wäre, Eltern zu haben, bei denen man merkt, wie lieb sie ein haben! Mit Fragen zu ihnen kommen zu können. Wenn man merkt, dass sie sich freuen, wenn man ihnen was aus seinem Leben erzählt, wenn sie daran teilhaben wollen!

Ich wünsch dir und deiner Familie alles Gute!

Liebe Grüße,

vind
 
Hallo Vind,
das mit der besseren Chance habe ich wirklich auf Dein Alter bezogen und darauf, dass Deine Eltern ihre Bevormundungen nicht schon so lange ins Erwachsenenalter ausdehnen konnten.
Was Du ansonsten über Deine Kindheit/Jugend geschrieben hast, ist wirklich schlimm. Das Du von Verzeihen sprichst, zeigt mir deutlich, dass ich die Dinge vielleicht wirklich zu eng sehe. Bei Deinen Eltern war deutlich mehr Vorsatz in ihren Handlungen. Daran, dass sie das Beste wollten, kann ich angesichts dieser körperlichen und seelischen Grausamkeiten nur schwer glauben.
Bist Du von allein dazu gekommen zu verzeihen und ein neues Verhältnis zu ihnen zu finden, oder hattest Du Hilfe?

Es ist wichtig, ihnen zu vergeben. Nur dann kann man nochmal ganz von vorne beginnen! Ich sage nicht, dass es leicht ist. Bei mir hat es Jahre gedauert. Aber stell dir mal vor, wie schön es wäre, Eltern zu haben, bei denen man merkt, wie lieb sie ein haben! Mit Fragen zu ihnen kommen zu können. Wenn man merkt, dass sie sich freuen, wenn man ihnen was aus seinem Leben erzählt, wenn sie daran teilhaben wollen!

Interessiert waren meine Eltern immer und gefreut haben sie sich auch, wenn die Dinge ihren Vorstellungen entsprachen. Ihr Interesse äußerte sich für mich aber in Einmischung und Bevormundung und darin, dass sie immer alles auf sich bezogen und mit irgendwelchen Idealfiguren und Idealzuständen verglichen. Sie haben sich immer überall das herausgepickt, was ihrer Meinung entsprach und mir als Spiegel und Maßstab vorgehalten. Und deshalb ist mir ihr Interesse dann nur noch gegen den Strich gegangen. Heute könnte ich wahrscheinlich ganz anders damit umgehen, aber dazu müsste erst einmal wieder ein Kontakt bestehen. Dann setze ich Grenzen und sehe, ob sie es annehmen.
Wir haben sicher eine Chance, aber durch diesen Brief, ist doch erst einmal eine Menge auf dem Tisch, was sie erst verdauen müssen.

Ist es nun Deine erste Wohnung oder wann bist Du aus dem Elternhaus raus, zum Studium? Ach ja, das mit dem Geld kommt mir auch bekannt vor. Meine Eltern haben auch immer geklagt, sie hätten zu wenig. Dabei hatten sie ein gutes Einkommen, so wie sie heute eine gute Rente haben und immer noch jammern. Sie haben es fertig gekriegt, ihre "finanziellen Sorgen" in einem Kreis auszubreiten, wo jeder dritte arbeitslos war oder mit geringem Einkommen auskommen musste (bei meiner Schwester auf dem Land). Hochnotpeinlich und total ohne Sensibilität. Sie haben immer nur sich gesehen, so wie auch im Verhältnis zu uns.

Ich bewundere Dich, wenn ich das obige lese, habe ich noch einen weiten Weg und Deine Erlebnisse sind bestimmt größere Verletzungen gewesen als meine.
Ich wünsche Dir ganz viel Glück und Liebe!

Andrea
 
Hi Andrea,

meine Freundin hat festgestellt, dass Charaktereigenschaften sich mit dem Alter immer mehr ausprägen - die guten, wie die schlechten. Sie wohnt noch bei ihren Eltern, ihrer über 60 jährigen Tante und ihrer Großmutter und ich muss sagen, dass ich glaube, dass sie Recht hat. Mit der Zeit hat man sich viel zu sehr an "seine" Rolle gewöhnt und davon kommt man nicht so leicht weg.
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass man Dinge, die man an anderen hasst, oft selber macht. Und gerade Verhaltensweisen, die man nieee von seinen Eltern übernehmen wollte, plötzlich bei einem selber auftauchen. Je mehr man sich anstrengt, etwas nicht zu tun, desto mehr übernimmt man von ihnen. Deswegen bin ich vorsichtiger geworden, von anderen zu erwarten, dass sie sich doch "einfach" ändern können. Ich erwarte es gar nicht mehr.

Nein, ich hab das alles nicht alleine geschafft. Ich hatte Hilfe von "oben". Ich habe lange versucht, es alleine zu schaffen. Ein Buch von Bert Hellinger hat mir scheinbar geholfen. Nach ihm soll man den "Schuldigen" die Verantwortung für alles übergeben, man selber hat nichts damit zu tun. Aber man soll nicht vergeben, da man damit die Verantwortung übernähme. Es hat gut getan, die Bestätgung zu haben, dass ich nicht verantwortlich bin für das, was geschehen ist. Aber ich wollte keine Familie mehr haben. Den, der mich missbraucht hat, wollte ich nie wieder sehen und so ging ich auf kein Familienfest, an dem er war. (Auf der Beerdigung meiner Oma vor 3 Jahren hatte ich ihn zuletzt gesehen - das war der Horror) Es tauchten auch so immer wieder die Erinnerungen auf, die so sehr schmerzten.
Eine Freundin von mir ist Christin. Sie meinte, ich müsse meiner Familie vergeben, da das zwischen mir und Gott stünde. Das Vergeben-müssen war einer der Hauptgründe, mich nicht für das Christentum zu entscheiden. Aber dann hatte ich Träume, die nicht "normal" waren. Sie waren so voller Liebe, dass es mich schier umgehauen hat. Ich hab danach alles angezweifelt: die Liebe zu meinem Freund, mein Leben. "Zufällig" las ich ein Buch über Jesus (ich wusste nicht, dass es um ihn geht, als ich es kaufte - ein Roman) das mich ganz tief berührte. Da fing ich an zu beten. Dass ich ja gerne vergeben würde, es aber nicht kann! In der Zeit darauf entstand ein Bild in mir von einer heilen Familie. Und ich hatte immer mehr das Gefühl, dass ich vergeben könnte. Und dann kam die "Probe". Der Geburtstag von meiner Mutter, an dem alle da sein würden. Ich war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee wäre, dort hinzugehen, da ein Treffen mit meiner Familie in mir immer das totale Chaos auslöste (für mindestens eine Woche). Also ging ich mit bangem Herzen hin - und doch fühlte ich mich getragen, in mir breitete sich jeden Tag neu so eine wahnsinnige Liebe aus, einfach unbeschreiblich. Der Tag war sooo schön! Ich konnte mit meiner Familie total ehrlich umgehen. Mein Opa bemerkte die ganze Zeit, dass ich ja nur strahlen würde. So als ob es ihn fast ärgern würde.
In einem Traum war ich in einem Schwimmbad. Ich war verletzt, doch plötzlich mussten alle ganz dringend weg. Nur einer kam zu mir und versorgte meine Wunden. Er versprach mir, dass er alle Wunden heilen würde. Das steht auch in der Bibel ; ) Und es stimmt!

Ich wünsche mir, dass ich mich besser in andere Menschen hineinversetzen kann. Es fällt mir schwer, mich mit anderen über etwas zu freuen, zu dem ich gar keinen Bezug habe, etwas, dass ich nie erlebt habe. Deswegen finde ich es auch nicht mehr schlimm, wenn meine Eltern sich nicht mit mir freuen, wenn ich zum Beispiel in einer Ferienwohnung in Dänemark Urlaub mache. Sie verbringen ihre Urlaube immer in Hotels im Süden und finden es toll, wenn sie am Strand neben hundert anderen liegen, denn "die Stühle stehen ja gar nicht so dicht nebeneinander, wie das jetzt auf dem Photo aussieht" ; ) Oder wenn sie meinen "Schwiegereltern" für ihren Urlaub wenig begeistert "die Erholung" wünschen, "die sie sich erhoffen" weil sie mit einem Radurlaub auf Island mit zelten nichts anfangen können - dann ist das schon ein ganz großer Schritt : ) Mir ist klarer geworden, dass unsere Leben sich sehr unterscheiden. Geld scheint in ihrem Leben das Wichtigste zu sein. Inzwischen glaube ich zu verstehen, warum. Mein Vater ist mit seiner Familie aus der DDR geflohen. Sie mussten in Westdeutschland nochmal ganz von vorne anfangen. Meine Mutter ist ein "Scheidungskind". Ich weiß nicht viel über das Leben meiner Eltern, aber sie wurde glaub ich auch geschlagen und viel Geld hatten sie nie. Und so versteh ich immer mal wieder ein Stückchen mehr, warum meine Eltern wohl so sind, wie sie sind. Vielleicht wär ich bei den gleichen Erfahrungen sehr ähnlich geworden?
Seitdem ich mehr Verständnis für sie habe, haben sie mehr Verständnis für mich. So scheint es mir. Und das, obwohl ich scheinbar total aus der Reihe tanze (gegenüber meinen Brüdern, meinen Verwandten - sie haben viel mehr ähnliche Ansichten wie meine Eltern).

Als meine Eltern mir vorhielten, dass ich sie in den Ruin treiben würde mit meinem Studium (beim letzten Weihnachtsfest, dass ich bei ihnen feierte, bestärkt durch meine Brüder ; ) hat mich das total aufgeregt, weil sie es sich trotz meines Studiums leisten konnten, viermal im Jahr in den Urlaub zu fliegen, jedes halbe Jahr ein neues Auto zu kaufen und sogar ihre gerade erst vor 5 Jahren neu gebaute Wohnung zu renovieren. Also lebten sie nicht wirklich kurz vor dem Ruin! Weißt du, was sie jetzt gemacht haben? Sie haben mir ein Laptop zum Examen geschenkt ; )

Ach so, es ist meine zweite Wohnung, die ich im Februar beziehen werde. Zum Studium konnte ich endlich von "Zuhause" ausziehen. Hab mich also schon ein bisschen dran gewöhnt : ) Allerdings ist das die erste Wohnung, die ich allein beziehe. Bis jetzt hab ich mit meinem Freund zusammen gewohnt, aber das geht jetzt nicht mehr.

Ich kann dich verstehen, dass du deinen Eltern lieber einen Brief schreiben wolltest, als mit ihnen persönlich zu reden. Und ich weiß nicht, was ich jetzt an deiner Stelle machen würde. Vielleicht kannst du versuchen, ihnen zu vergeben. Und ihnen nicht absichtlich aus dem Weg zu gehen. Ich denke, du magst jetzt grad nicht unbedingt Kontakt mit ihnen haben. Sie sollen den nächsten Schritt machen. Ich hoffe, dass sie das machen. Wenn deine Tochter das nächste Mal zu deinen Eltern mag, könntest du sie hinfahren und bei deinen Eltern klarstellen, dass du ihnen kein Kontaktverbot erteilen wolltest, sondern nur, dass du es in Ordnung fändest, wenn sie nach deinem Brief erstmal über alles nachdenken wollen.
Ich hatte mit meinem Vater vor kurzem noch eine Situation, die dir bekannt vorkommen dürfte. Ich wollte ein neues Konto eröffnen. Zusammen mit meinem Freund haben wir vor der Bank geparkt. Ich bat meinen Freund, mir kurz einen Kontoauszug aus meiner alten Bank zu holen, die direkt gegenüber lag. Mein Vater wollte (natürlich) ;) bei mir mit. Zu meinem Freund sagte er, er solle im Auto sitzen bleiben. Immer wieder. Wir verstanden nicht den Sinn dahinter, also ging mein Freund doch den Kontoauszug holen. Auf dem Weg in meine "neue" Bank meinte mein Vater: Dann kriegen wir jetzt vielleicht einen Strafzettel. Ich fragte ihn, warum er das nicht gleich gesagt habe. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir auf ihn gehört. Da meinte er nur "man muss nicht immer alles erklären". Ich weiß nicht, ob er es einleuchtend fand, als ich ihm erklärte, dass wir keine Gedanken lesen können ; )

Warum hast du eine Therapie angefangen? Weil du die Beziehung zu deinen Eltern verbessern möchtest?

Liebe Grüße,

vind
 
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Hallo vind,
ich versuche mal meine Gedanken irgendwie abzuarbeiten.

Sich aus den alten Mustern zu lösen, ist ein schwerer Prozess. Am Ende ging es ganz schnell und sieht einfach aus. Aber der Weg dauerte länger. Und das mit den übernommenen Verhaltensweisen habe ich an mir (leider) auch schon festgestellt, aber dadurch kann ich es abstellen - ich merke es jetzt bewusst. Es betraf z.B. meine Erwartungshaltung an meine Tochter. Ich bin doch mit ihr allein und habe ihr vor ca. 1 Jahr ernsthaft angedroht, dass ich unser Haus aufgeben würde (was glaub' ich auch garnicht geht, wegen der Schulden) wenn sie ohne triftigen Grund - über welchen habe ich M I R offengelassen - ausziehen würde. So ein kompletter Wahnsinn. Habe ich letztens schon mal geschrieben, im Talk über Depressionen. Ich habe doch kein Kind in die Welt gesetz, um es auf immer an mich zu binden und lebensunfähig zu halten. Ich habe ganz viele Erwartungen losgelassen und auf einmal ist alles ganz übersichtlich und klar. Alles was kommt, kann ich ohne Vorurteile oder enttäuschte Erwartungen so nehmen, wie es kommt. Ist eine irre Erkenntnis für mich.

Ich habe den Weg zum Therapeuten gewählt, weil ich alle Kennzeichen einer Depression an mir festgestellt hatte. Sind Sie so und so und so etc. und überall kam bei mir "ja" hin, außer bei Selbstmordabsichten. Ich sah nur noch Probleme und keine Lösungsmöglichkeiten, in allen Lebensbereichen. Dabei habe ich nicht mal vordergründig ein Problem mit meinen Eltern gesehen. An die ständigen Unannehmlichkeiten mit ihnen hatte ich mich viel zu sehr gewöhnt.
Ich hatte (habe) eine Beziehungsproblem und bin dabei es zu lösen (mein Talk, "beinahe so wie vorher"), Probleme mit meinem "Kind", fast 18, keine Lust mehr auf meine Arbeit, Geldschwierigkeiten, habe mich mit Haus und Garten überfordert gefühlt, und war einfach rundherum unzufrieden und unglücklich. Ach ja, und ich war noch nie in der Lage Freundschaften zu pflegen oder zu halten. Es war alles oberflächlich, insbesondere darunter leide ich, aber da muss ich an mir selbst arbeiten, dass ich lerne zuzuhören und nicht nur selbst meinen Dampf abzulassen, ohne Rücksicht auf Adressaten und Situation. Ich habe mich selbst als Belastung für meine Umwelt gesehen.
Daher die Therapie und Bücher habe ich gelesen.

Ich bin nicht kirchlich und glaube auch nicht an eine höhere Macht. Es gibt Zufälle, aber was wir daraus machen, liegt an uns selbst. Jeder würde u.U. aus einer zufälligen Begegnung etwas anderes machen. Es liegt in uns, auch im Unterbewußtsein. Ich weiß aber, dass ein fester Glaube eine große Hilfe sein kann, wenn schwere Zeiten zu überstehen sind. Es ist schön, dass bei Dir dadurch Hilfe möglich war.

Bei meinen Eltern kann ich mir auch erklären, warum ihnen Geld so wichtig ist. Mein Vater kommt aus einer armen Arbeiterfamilie in Berlin, 7 Kinder, Kriegsgeneration. Meine Mutter ist ohne Vater aufgewachsen - sie hat eine grundsätzlich negative Einstellung zu Männern, weil ihr Vater die Mutter wegen einer anderen verlassen hat. Die hat ihr das immer wieder unter die Nase gerieben, dass die Männer schlecht sind. Meine Mutter musste aus Ostgebieten nach Deutschlan fliehen, sie mussten alles zurücklassen und hatten nichts mehr.
Ich kann mir vieles erklären, aber ich muss deshalb nicht alles verzeihen. Sie sind beide sehr kluge Menschen, Lehrer, die mit der Seele eines Kindes umgehen können sollten. Sie haben wirklich diktiert und eben auch geschlagen und gestraft, dass ich mich frage, ob sich so die Liebe der Eltern zeigt. Sie hätten vieles besser wissen müssen. Ich trage es nicht nach, fand es aber wichtig, dass sie wissen, was ich denke.

Noch ein letzter Punkt zum "Gedankenlesen". Meine Eltern haben auch immer erwartet, dass wir uns das, was sie meinen könnten selbst heraussuchen. WEnn wir es nicht konnten, dann war es eben noch schlimmer. So ähnliche Anforderungen habe ich auch bei mir und meiner Tochter bemerkt. Also sage ich jetzt immer möglichst konkret, was ich wirklich will. Direkt und konkret, das können meine Eltern garnicht. Aber ich werde auch zu ihnen so sein. Denn das konnte ich bisher auch schlecht.

Das war aber jetzt wirklich ein Roman. Es wird Zeit brauchen nach dem Brief. Ich bin eigentlich froh, dass ich noch nichts von ihnen gehört habe, da besteht Hoffnung, dass sie sich wirklich damit auseinandersetzen. Auf sich beruhen lassen werden sie es nicht, da kenne ich sie zu gut. Eine Antwort wird irgendwann kommen.

Liebe Grüße
und bis morgen
Andrea
 
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