Nun, als das alles passiert war.... Was glaubt ihr wohl hat man mir da alles an den Kopf geworfen?
Liebe malermama,
ja, das kann ich mir lebhaft vorstellen, dass
man das tat.
Man ist aber nicht involviert und erhebt sich übergriffigerweise
zum Richter.
Ich habe Respekt für Deine Entscheidung, zu der Du Dich sicher mit
großem Herzschmerz durchgerungen hast. Dass Du Dir anscheinend
dennoch Schuldgefühle einreden lässt, zeigt sich an Deinen Versuchen,
Dich vor Dir selbst zu rechtfertigen. Besonders der eigenen Mutter
gegenüber ist das ein ergebnisloses Unterfangen, wenn die Gespräche
nicht wirklich in die Tiefe gehen und es beim oberflächlichen "Draufhauen"
bleibt.
Denn sowas kann man auch innerhalb der Familie klären.
Was meinst Du damit?
Doch mein Mann und ich, wir gaben immer unser Bestes und die Fehler, die wir mit Sicherheit gemacht haben, waren unabsichtlich und vor allem waren wir ja immer nur auf das "Gute" für unsere Kinder bedacht.
Doch Fehler zu machen ist menschlich.
Das nehme ich Dir auch unbeschaut ab ... wer begeht schon absichtliche Fehler?
Wenn Du wirklich "verstehen" und Ursachenforschung betreiben willst, dann wird
Dir aber diese alleinige Sichtweise und Selbstabsolution nicht wirklich helfen. Das ist, mit
Verlaub, eine Spur zu einfach gedacht, die akribische Familienanalyse gibt meist weit
mehr Erklärungen her.
Was aus Deiner Sicht zu vernachlässigende Fehler gewesen sein mögen, stellt
sich aus Kindersicht (die auch ins Erwachsenenalter quasi mitgenommen wird)
oft ganz anders dar.
Ich will versuchen, es an einem mich betreffenden Beispiel zu erklären:
Mein jüngerer Bruder hat in der Schule von Anfang an Probleme gemacht.
Schule und er - das war ein Widerspruch in sich. Ganz im Gegensatz zu mir,
seiner Schwester. Ich war eine gute, selbständige und ehrgeizige Schülerin.
Meine Mutter ließ keine Gelegenheit aus, mich meinem Bruder als leuchtendes
Vorbild zu präsentieren ... vielleicht in der Hoffnung, er würde mir irgendwann
nacheifern wollen.
Mir hat das geschmeichelt ... und mein Bruder entwickelte über die Jahre
zunehmend einen regelrechten Haß auf mich, der auch Jahre später immer
wieder zum Vorschein kam. Erst als längst Erwachsene konnten wir das
thematisieren und haben die Dynamik verstanden. Meine Mutter hat leider
bis heute noch keine Einsicht, dass sehr wohl ihr Verhalten verursachend war.
Das aber unsere Erziehungsmethoden und unsere Führung der Kinder funktioniert hat, das ist ja auch an den beiden Mädchen zu sehen.
Dieses Argument ist aus meiner heutigen Sichtweise nicht notwendigerweise
richtig. Drei Kinder = drei verschiedene Persönlichkeiten. Was bei einem "richtig"
ist, mag für das andere nicht gelten. Ich habe selbst lange Zeit meine eigenen
Kinder erziehungsmäßig "über einen Kamm geschoren" - was mir heute sehr
Leid tut. Inzwischen gelingt es mir, sehr differenziert mit ihnen umzugehen, und
das bekommt ihnen (und mir) spürbar besser.
Ich wünsche Dir den notwendigen Mut, genau "hinzuschauen", denn ich denke,
dass Erklärungen, die Du im Zuge dieses Prozesses finden wirst, sehr hilfreich
für die Aufarbeitung sind.
LG
Lucille