Liebe Hortensie,
Die Eigenverantwortung mutiert hier mehr oder weniger zur Allmachtsfantasie ... der Mensch hat so viel Macht über sich selbst, sein Leben,
dass er sein Schicksal in der Hand hat. Ja, ich denke größtenteils, dass es so ist.
"Sein Schicksal in der Hand haben" ist für mich eine sehr umfassende Aussage.
Ich neige dazu, ganz explizit zu differenzieren.
Meine bewusst getroffenen Entscheidungen habe ich (für den Moment) in der Hand - dennoch bin ich nicht mit so viel Weitsicht und vorausschauender
Intelligenz ausgestattet, dass ich sämtliche Folgen langfristig abschätzen kann. Ich kann lediglich Kurskorrekturen vornehmen, soferne ich nicht in Passivität erstarre.
Vielleicht definiere ich auch nur den Begriff "Schicksal" anders als Du.
Für mich ist Schicksal der Freiraum einer höheren Macht, auf die ich keinen Einfluss habe.
Wenn jemand (als Beispiel) ein schwerst behindertes Kind bekommt, dann glaube ich nicht, dass er das in der Hand hatte.
Das Kind erst recht nicht.
Genetisch schlechte Dispositionen fallen bei mir auch unter "Schicksal".
Ich hab's nicht in der Hand, was meine Eltern mir vererbt haben.
Und das Mädel aus meinem Bekanntenkreis, das an Mukoviszidose litt, durfte nur 13 Jahre alt werden.
Sie hätte so gerne gelebt, aber weder sie noch ihre Eltern hatten es in der Hand.
Für mich ist das Eso-Terror. Warum?
Weil das Verursacher-Prinzip gemäß der Esoterik immer auf einen selbst zurückgreift.
Wenn jemand an Krebs erkrankt, werde ich den Teufel tun und ihm auch noch suggerieren, dass er ja eigentlich selbst dafür
verantwortlich ist. Er ist es auch nicht, in meinen Augen.
psychischen Leiden ..... Ich denke die Erziehung, spielt eine große Rolle.
Ja, das stimmt.
Wobei der Betroffene für seine Erziehung aber nichts kann.
Er selbst ist nicht der Verursacher.
Dinge passieren, so wie wir sie brauchen, uns quasi bestellen.
Für mich macht es einen Unterschied, ob ich gewisse Vorkommnisse richtungsweisend deute oder sie ignoriere.
Du hast recht - wenn ich ein Erschöpfungssyndrom bekomme, dann ist es naheliegend, dass mir aufgezeigt werden soll, dass ich
kürzertreten muss. Das ist geradezu schon plakativ.
Vor vielen Jahren ist es einer Bekannten "passiert", dass ihre Tochter mit 3 Jahren an Leukämie verstorben ist.
Ich glaube kaum, dass sie das "gebraucht" hat, geschweige denn "bestellt", das Kind selbst gewiss auch nicht.
Sie hat gelernt, den Tod ihrer Tochter als Schicksal, gegen das sie machtlos war, anzunehmen.
Bachstelze
Aber wie viel schlimmer geht es mir, wenn ich denken muss, dass das alles Dinge sind, denen ich hilflos ausgeliefert bin, auf die ich keinen Einfluss habe? Wie sehr entsetzen sie mich dann, wenn ich nichts tun kann?
Die Mutter besagter Tochter HATTE keinen Einfluss, geschweige denn das Kind selbst.
Auch wenn Du das Wort "Allmachtsfantasie" durch "Ermächtigung" ersetzt - Deine Macht als Mensch ist und bleibt beschränkt.
Es ist geradezu zeitgeistig, alles für machbar zu halten.
Wenn Du Dich nur genügend anstrengst, wenn Du nur "richtig" denkst ....
An Schopenhauer angelehnt, ist der freie Wille und somit die "Machbarkeit" eine Illusion, weil den äußeren Gegebenheiten
keine Rechnung getragen wird.
Warum fällt es vielen so schwer, die eigene Begrenztheit zu akzeptieren?
LG
Lucille