Liebe abendsonne,
erstaunt lese ich hier, wie Du Dich Stück für Stück demontierst.
Den aktuellen Auslöser vermute ich in diesem Freund-Menschen.
Er hält Dir gerade wieder den passenden Spiegel vor:
das, was Du Dir selbst wert bist, bist Du auch ihm wert.
Ich weiß, von außen drauf zu schauen ist leichter, als wenn man selbst in der Situation ist.
Er agiert nämlich ganz genau so, wie Du Dich hier beschreibst:
ambivalent, von einem Extrem ("mir geht's total gut") ins andere ("ich genüge sowieso nicht").
Übertragen auf ihn:
er schickt Dir Liebes-sms ... und signalisiert Dir im nächsten Moment, dass Du ihm nicht
mal eine Nachricht im passenden Moment wert bist.
Du analysierst jede Aktion Deiner Mitmenschen bis ins kleinste Detail - und kommst
immer wieder zu gleichlautenden Schlüssen:
- einerseits sind "die anderen" schuld, weil sie Dich nicht wertschätzen
- andererseits bis Du selbst schuld, weil Du angeblich nicht genügst
Bei den anderen kannst Du nicht ansetzen - NUR bei DIR SELBST.
ich "brauche jemanden"..... . ja, weils echt mal zeit wird, jemanden zu haben, der für mich da ist.
und darum kämpfe ich anscheinden dafür, dass es so weit kommt.
Wen immer - egal wen - Du zum jetzigen Zeitpunkt in Dein Leben holst, dann tust Du das
unter den falschen Bedingungen. Deshalb entsteht auch bei Dir der Eindruck, dass Du dafür
kämpfen musst. Das nimmt allem, was sich anbahnen könnte, die Leichtigkeit, es ist berechnend
und zum Scheitern verurteilt. Aber nicht, weil Du kein wertvoller Mensch bist, sondern weil Du
es nicht schaffst, bei Dir zu bleiben und aus Dir heraus (!) zu agieren.
Du machst es genau andersrum:
Du projizierst alles, was von außen kommt, auf Dich selbst und bildest
Dir aus diesem Sammelsurium von postivem wie negativem Feedback Dein
Werturteil über Dich selbst. Selbstredend, wie wenig stabil dieses Gerüst dann wohl
sein muss, oder?
ich hab KEIN leben außer meiner arbeit, meiner wohnung und meinem sohn.
.... breitgefächertes wissen, bei mir ist da gar nix
Die meisten Veränderungen im Leben haben eines gemeinsam:
man muss sich selbst um sie bemühen.
Du könntest zB Dein Leben um den Bereich "Sport" ergänzen. Ich meine jetzt
nicht als verbissene Höchstleistung, sondern als regelmäßige (!) Erweiterung Deines
Alltags. Sport ist super, um Alltagsspannungen abzubauen, um fit zu werden und auch um
dieses bereichernde Gefühl zu haben, den inneren Schweinhund zu überwinden.
Außerdem ein tolles Werkzeug, um sich selbst wieder spüren zu lernen.
Und unsportlich bist Du ja nicht, sonst würdest Du ja nicht Skifahren.
Geh 3 x pro Woche, an fixen Tagen, joggen oder walken für jeweils 1 Stunde,
eisern, bei jedem Wetter. Ein herrliches Gefühl, danach unter der Dusche ...
Der Sohn kann in dieser Zeit ohne weiteres alleine bleiben.
Geh 2 x pro Woche schwimmen, zügig, jeweils 30 Minuten.
Sohn kann mitkommen und sich derweil im Kinderbecken vergnügen.
Probier mal Linedance oder Zumba aus, Aerobic, BodyShape, Intervalltraing,
Salsa Wokshop, Bauch-Beine-Po .... t.b.c. Es gibt so viele Angebote.
Das "breitgefächerte Wissen" ereilt keinen "einfach so", wie Hortensie schon
richtig bemerkt hat.
Kauf Dir am Wochenende den "Standard" oder "Die Presse", lies aufmerksam
und schon bist Du gut informiert über das aktuelle Geschehen. Wörter, Begriffe,
Zusammenhänge, geographische Punkte, die Dir nicht geläufig sind, schreib Dir
raus und goggle sie. Lies in Wikipedia nach über die großen Weltkonflikte und
deren Hintergründe.
Du kannst Dir 1 Buch pro Monat aus der Belletristik-Bestseller-Liste vornehmen,
das ist oft unverhofftes Lesevergnügen.
Spiel mit Deinem Sohn Mensch-ärgere-Dich-nicht, Schifferlversenken, Uno
und Vier gewinnt. Lern mit ihm zusammen Schach für Kinder und baut Puzzles
zusammen. Das bringt ihn ein wenig weg vom Dauer-Nintendo, ist pädagogisch
wertvoll und macht Euch beiden Spaß, auch bei anfänglichem Protest seinerseits.
Geh regelmäßig mit dem Sohn in die öffentliche Bücherei, laß ihn dort ein
(nicht allzu umfangreiches) Buch selbst aussuchen, das Du ihm dann vorliest.
Kinder lieben so etwas.
Mach Nägel mit Köpfen betreffend die Scheidung.
Das alleine ist schon eine Aufgabe für sich - die danach schreit, erledigt zu werden.
Schreibe Deiner Tochter von Zeit zu Zeit ein paar liebe Zeilen als Brief oder
Karte. Gerade weil sie Dich im Moment ablehnt, braucht sie das. Strick ihr einen
hübschen Loop-Schal, das geht fix. Schenk ihr einen Gutschein für einen
Aquapulco-Eintritt mit einer Freundin. Mit den Öffis kommen die Mädels dort
locker alleine hin.
Gönne Dir einen Besuch bei einem guten Friseur, damit Dir Deine Haare wieder
gefallen. Laß dir Massagen für "Rücken" verschreiben, zahlt großteils die
Kasse, und dir tut's gut.
Mache Pläne, wie Du Deinen Garten im Frühjahr gestalten willst - allzu weit ist's
nicht mehr hin.
Kauf Dir bei einem Trödler oder aus einer Verlassenschaft ein kleines Möbelstück
in einem heruntergekommenen Zustand. Bring es wieder auf Vordermann (abschmiergeln,
beizen, lackieren ...). Etwas Schönes entstehen zu lassen fühlt sich großartig an.
Was die Schule und das Kennenlernen der anderen Eltern betrifft:
versäume keinen Elternabend, signalisiere Interesse als Elternvertreter, bring Dich
ein bei Schulaktivitäten wie Schulfeste, Lesenächte und dergleichen.
Du könntest den Sohn zB beim Jungschar-Sommerlager (1 Woche) anmelden und
Dich selbst bereit erklären, als Betreuerin (Köchin, ...) mitzufahren. Da kommt echter
Austausch zwischen Eltern zustande, und Spaß machts obendrein.
Mit meinem ganzen Roman möchte ich Dir einfach nur sagen, dass Dein (DEIN)
Leben beliebig erweiterbar ist. Und das alles, ohne jemanden dazu zu "brauchen".
Das schaffst Du alles wunderbar alleine.
Alles weitere ergibt sich von selbst.
LG
Lucille